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Und dann schlagen die Schweizer Markenwächter Alarm

Das Produkt punktuell angepasst: Der Bonbon-Hersteller Ricola reagiert auf die neuen Vorgaben. Foto: Christian Beutler (Keystone)

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Das Institut für geistiges Eigentum (IGE) rüstet sich, um die Marke Schweiz besser zu verteidigen. Die Vorgaben, wann auf einem Produkt die Schweizer Herkunft gross angepriesen werden darf, sind seit Anfang Jahr in einem neuen Gesetz geregelt. Nun will das IGE die Durchsetzung nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland vorantreiben.

Erste Erfahrungen hat man schon gesammelt. Seit vier Jahren werden im Rahmen eines Pilotversuchs in drei Ländern die Markenregister durch Schweizer Vertreter überwacht: in Argentinien, China inklusive Hongkong sowie Indien. Wenn in einem dieser Länder eine Marke eingetragen wird, die aus Schweizer Sicht missbräuchlich anmutet, weil Unternehmen oder Produkt nichts mit der Schweiz zu tun haben, schlagen die Markenwächter Alarm. Wie etwa im Fall einer chinesischen Kosmetikmarke mit dem Namen Super Gesundheit und dem Schweizer Kreuz als Logo. Kommt es nach einer ersten Abmahnung nicht zu einer Einigung, wird bei den zuständigen Behörden interveniert.

In China und in Hongkong wurden seither 239 Einsprachen eingereicht, davon hat die Schweiz bislang 48 Fällen gewonnen und 12 verloren, wie Felix Addor, Vizedirektor beim Institut für geistiges Eigentum (IGE), bestätigt. In Argentinien wurden 311 Einsprachen bei der zuständigen Behörde eingereicht, wovon 117 gutgeheissen wurden. In Indien sind 136 Fälle hängig – einen Entscheid gibt es noch in keinem Verfahren, die Anmeldung der verschiedenen Marken ist aber einstweilen blockiert. Nun sollen die Kontrollen ausgedehnt werden, und zwar auf die wichtigsten Exportziele aus Schweizer Sicht. Ab Juli will das IGE neu die Markenregister in den USA, Grossbritannien, Deutschland und Frankreich überwachen sowie das Europäische Amt für geistiges Eigentum im spanischen Alicante.

Das Dilemma der Industrie

Obwohl das neue Swissness-Gesetz dazu gedacht ist, die einheimischen Produzenten gegen Fälscher und Trittbrettfahrer zu schützen, gab es in der Umsetzung Kritik – vor allem aus der Lebensmittelindustrie. Der Müesli-Hersteller Bio-Familia schildert das Dilemma so: «Entweder man setzt Swissness um. Dann werden die Produkte je nachdem so teuer, dass man sie nicht mehr exportieren kann. Oder man setzt Swissness nicht um. Dann kann man sie auch nicht mehr exportieren, weil ohne Schweizer Kreuz das ohnehin teurere Produkt im ausländischen Regal keine Chance hat.»

Video: Thomas Minder machte den Anfang. Der Schaffhauser Unternehmer klagte schon vor Jahren gegen einen Küchengerätehersteller wegen des Schweizer Kreuzes.

Dennoch hat sich die Lebensmittelindustrie auf die neue Ausgangslage ­eingestellt, wie eine Umfrage von Redaktion Tamedia bei über 60 Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie zeigt. Eine Mehrheit der Firmen, die sich zum Thema äusserten, änderten aufgrund der neuen Gesetzeslage Rezepturen, die Verpackung oder beides. Einige Produzenten mussten nur wenige Anpassungen vornehmen, bei anderen bestand viel Änderungsbedarf.

Etwa der Convenience-Hersteller Bofrost. Das Schweinefleisch für das Mini-Cordon-bleu stammt aus der Schweiz. Ebenso der darin verwendete Käse und der Schinken. Bis jetzt hat Bofrost dieses Produkt in seinem Katalog mit einer Schweizer Flagge geschmückt. Doch damit ist nun Schluss. Und zwar wegen der Panade. Das Paniermehl stammt nicht aus der Schweiz. Gemäss den neuen Swissness-Regeln darf das Produkt nicht mehr als schweizerisch angepriesen werden.

Bildstrecke – das darf mit dem Schweizer Kreuz beworben werden:

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Seit 1. Januar 2017 ist eine neue Verordnung für die Uhrenbranche in Kraft: Für eine Schweizer Uhr als Ganzes (Endprodukt) müssen künftig mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Bisher galt diese Regelung einzig für das Uhrwerk.
Schweizer Bier darf weiterhin als Schweizer Bier beworben werden. Dem Wasser sei Dank, denn sonst würde es nicht zu 80 Prozent aus Schweizer Rohstoffen bestehen.
Auch für Schokolade gibt es eine Sonderregelung in der Swissness-Vorlage. Weil die meisten Rohstoffe nicht in der Schweiz produziert werden können, ist die Verarbeitung ausschlaggebend.

Das neue Gesetz schreibt nämlich vor, dass bei einem Lebensmittel Zutaten aus der Schweiz mindestens 80 Prozent des Gewichts ausmachen müssen, damit es auch als schweizerisch vermarktet werden darf. Beim Mini-Cordon-bleu von Bofrost fällt die Panade mit 25 Prozent ins Gewicht.

Bio-Familia hätte bei 110 von 130 verschiedenen Verpackungen wegen der neuen Regeln das Schweizer Kreuz entfernen müssen. Durch die Änderung von 50 Rezepturen gelang es, das Symbol mit der Flagge auf den Verpackungen zu belassen – abgesehen von drei Ausnahmen. Ob man die Anpassungen machen oder künftig einfach auf das Schweizer Kreuz verzichten sollte, sei firmenintern intensiv diskutiert worden, sagt Niklaus Iten, der bei Bio-Familia für die Umsetzung solcher Massnahmen zuständig ist. Schliesslich hielt das Unternehmen am Signet fest, auch da man andernfalls um einen Rückgang bei der Nachfrage aus dem Ausland fürchtete. «Exportkunden haben uns klar signalisiert: Ohne Schweizer Kreuz keine Chance», sagt Iten.

Beim Lebensmittelhersteller Hero führte das neue Gesetz ebenfalls zu Handlungsbedarf. Die Konsequenz: Auf 70 Produkten wurde das Schweiz-Logo entfernt. Darunter sind etwa Teigwaren der Marke Napoli. Sie werden zwar in der Schweiz produziert, doch der Hartweizengriess ist nicht ausreichend in der Schweiz verfügbar und wird deshalb importiert. Ein anderes Beispiel sind die Vermicelles. Sie werden zwar von Hero in der Schweiz hergestellt, dafür werden aber Marroni aus Italien verarbeitet.

Nestlé entfernte bei 80 Produkten das Schweizer Kreuz, darunter solche der Marken Thomy und Leisi. Innerhalb des Bauernkonzerns Fenaco sind vor allem die Firmen Ramseier und Frigemo von den neuen Regeln betroffen.

«Die umständlichen Anforderungen an die Herkunft der Rohstoffe schaffen neue Hürden für Firmen, die in der Schweiz herstellen.»

Daniel Bloch, Chef des Ragusa-Herstellers Camille Bloch

Bei den Ramseier-Säften musste etwa das Schweizer Kreuz verschwinden, wenn sie exotische Früchte enthielten. Bei den Convenience-Produkten von Frigemo wurde das Logo bei Pommes frites entfernt. Es kann nicht garantiert werden, dass diese zu 80 Prozent aus Schweizer Kartoffeln bestehen.

Der Konfitürenhersteller Räber musste elf Rezepturen anpassen. Bei vier Eigenmarken-Konfitüren, darunter eine mit Himbeeren, habe man das Schweizer Kreuz entfernt. Die Beschaffung der Früchte in der Schweiz wäre schwierig gewesen. Der Guetsli-Hersteller Kambly verzichtet bei seinen Produkten Chocolait Blond und Bio-Mandelgipfeli auf das Kreuz, weil diese die 80-Prozent-Hürde nicht erreichen.

Von lediglich punktuellen Anpassungen der Rezepturen ist bei Kräuterzuckerhersteller Ricola die Rede, der seine Schweizer Herkunft besonders offensiv vermarktet. Bei Wander behalten Ovomaltine, Caotina, Jemalt und Dawa das Schweizer Kreuz. Bei der französischen Variante der Ovomaltine fällt es hingegen weg.

Anhaltende Kritik

Die Herausforderungen bei der Umsetzung der neuen Regeln sind für die Firmen unterschiedlich. Die Haltung von vielen der befragten Unternehmen ist aber ähnlich: Sie kritisieren das neue Gesetz. Es lege den Fokus zu einseitig auf die Herkunft der Rohstoffe und zu wenig auf die Herstellung in der Schweiz, findet etwa der Milchverarbeiter Hochdorf. Ähnlich äussert sich der Molkereikonzern Emmi: Die Kriterien im Gesetz seien zu stark im Sinn der Landwirtschaft ausgestaltet worden. Und Daniel Bloch, Chef des Ragusa-Herstellers Camille Bloch, bemängelt: «Die umständlichen Anforderungen an die Herkunft der Rohstoffe schaffen neue Hürden für Firmen, die in der Schweiz herstellen. Es ist viel Komplexität mit wenig Mehrwert für den Schokoladenkonsumenten entstanden.»

Kein Verständnis für solche Äusserungen hat Konsumentenschützerin Sarah Stalder: «Jetzt zu jammern, zeigt lediglich, dass man als Lebensmittelhersteller zwar gerne den Swissness-Bonus einkassiert, dafür aber alles beim Alten belassen will», sagt die Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Die Industrie habe genug Zeit gehabt, sich auf die Neuerungen einzustellen oder Ausnahmeregelungen zu beantragen. Widerspruch gibt es auch vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW): «Die Folgen des Swissness-Gesetzes werden dramatisiert», sagt Vizedirektor Dominique Kohli. Er war in die Umsetzung der Gesetzesvorlage involviert.

Bis jetzt sei ihm kein Unternehmen bekannt, bei dem es deswegen einen Stellenabbau gegeben habe. Wohlwollend äussert sich etwa die Detailhändlerin Migros, die sich schon früher für die Swissness-Vorlage eingesetzt hatte: «Die jetzige Lösung nimmt die berechtigten Anliegen der Konsumenten auf, macht grosse Zugeständnisse an die Forderungen der Bauern und bietet der Wirtschaft praktikable Umsetzungsmöglichkeiten.»

Die neuen Swissness-Regeln sind allerdings kein starres Gebilde – und das macht die Sache kompliziert. Denn die Vorgaben bei den Rohstoffen können sich immer wieder ändern. Für die Gewichtung der Zutaten eines Lebensmittels wird der sogenannte Selbstversorgungsgrad einbezogen. Das heisst, welche Menge eines Rohstoffs in der Schweiz produziert und wie viel importiert wird. Bei Pflanzen, Früchten und Gemüsen kann je nach Wetterbedingungen und Ernteerträgen der Importanteil von Jahr zu Jahr stark schwanken.

«Keine Swissness-Polizei»

Der Selbstversorgungsgrad wird jährlich überprüft und festgelegt. Zum nächsten Mal gegen Ende dieses Jahres. Nur temporär gelten die Ausnahmeregelungen für 58 Zutaten, darunter Eipulver, Kandiszucker oder verschiedene Fruchtzubereitungen, die es aus inländischer Produktion nicht in genügender Menge gibt. Diese Ausnahmen sind vorläufig bis Ende 2018 in Kraft. Zudem ist es jederzeit möglich, dass neue Gesuche für Ausnahmen gestellt und bewilligt werden. Bis jetzt seien aber keine weiteren eingetroffen, sagt BLW-Mann Kohli.

Stellt sich die Frage, wie die Einhaltung bei den hiesigen Herstellern überwacht wird. «Es wird keine Swissness-Polizei geben», sagt Kohli. Der Gesetzgeber verlässt sich auf die Unterstützung von Konsumentenschutz- und Branchenverbänden sowie Privaten, die Missbräuche anzeigen. Die möglichen Sanktionen haben es jedenfalls in sich. Im Fall einer Verurteilung können Geldstrafen und bis zu fünf Jahre Gefängnis verhängt werden.