zum Hauptinhalt
Taube in Berlin

© Foto: privat

Plumper Taubenhass in Berlin : „Lasst endlich die Tauben in Frieden!“

Es ist erschreckend, mit wie viel Bosheit und Unwissen viele Großstädter Tauben begegnen. Zeit, dass sich das ändert.

Ein Kommentar von Sebastian Leber

Auch der Tagesspiegel trägt Schuld. Er macht einfach mit. Drei exemplarische Überschriften, die in diesem Jahr in Berliner Medien erschienen: „Taubenkot in der U-Bahn: Wen trifft es als Nächstes?“, „Fliegendes Übel an der U2“ sowie „Verwahrlosung in Berlin: Taubenplage am Bürgeramt“.

Es ist verblüffend, mit welcher Bosheit und welchem Unwissen auch in meinem persönlichen Umfeld gegen Tauben gefeuert wird. Sogar vermeintlich fortschrittliche, aufgeklärte, ach so reflektierte Menschen haben kein Problem damit, Tauben öffentlich den Tod zu wünschen. In Berlin ist Taubenhass ein guilty pleasure der Toleranten.

Auf 380 Menschen kommt nur eine Taube

Dabei sind alle Argumente, mit denen der Hass gerechtfertigt wird, kompletter Unsinn. Zum Beispiel die Behauptung, es gebe in Berlin zu viele Tauben. Tatsächlich sind es nur etwa 10.000. Bedeutet: Auf 380 Menschen kommt ein einziger Vogel. Wobei allein die 200 Habichte Berlins jedes Jahr mehr als 20.000 Tauben als Nahrung benötigen.

Weiterhin heißt es, Tauben verschmutzten mit ihrem Kot die ganze Stadt. Tatsächlich hinterlassen sie 27 Tonnen Trockenkot pro Jahr – während Berlins Hunde die doppelte Menge produzieren, allerdings jeden einzelnen Tag. Das Gerücht, Taubenkot könne Gebäudesubstanzen wie Granit oder Zementmörtel angreifen, wurde längst durch die Wissenschaft widerlegt.

Genau wie jenes, Tauben seien für die menschliche Gesundheit gefährlicher als jeder beliebige andere Vogel dieses Planeten, da sie eher Krankheiten übertrügen. Experten wissen: Wesentlich größer ist etwa die Gefahr, sich durch das Berühren eines Blumentopfs mit Pilzen zu infizieren.

Das Füttern mit Körnern ist kein Problem

Wo Stadtmensch und Taube nicht miteinander auskommen, liegt es ausschließlich an Ersterem. Hinterlassen die Vögel etwa weißen, schlierenförmigen Kot, bedeutet das nur, dass sie sich von herumliegendem Müll, von Dönerresten oder Süßigkeiten ernährt haben. Eigentlich sind sie Vegetarier, bevorzugen Körner. Deshalb sind betreute Taubenschläge so sinnvoll. Die Ausscheidungen gesunder Vögel bleiben fest und dunkel.

Es spricht auch nichts dagegen, Tauben privat mit Körnern zu füttern – aber bitte an wechselnden Orten. Definitiv führt es nicht dazu, dass sich Stadttauben stärker vermehren. Denn sie sind keine Wildtiere, sondern Nachkommen entflogener oder ausgesetzter Zuchttiere. Und denen wurde angezüchtet, unabhängig vom Nahrungsangebot zu brüten. Deshalb gilt: Wer durch Fütterungsverbote den Tauben die Nahrung verknappt, erreicht damit lediglich, dass Jungtiere in ihren Nestern verhungern.

Leider ist kaum zu erwarten, dass die Taube ihr Imageproblem zeitnah loswird. Ich kenne einen Graffiti-Sprüher, der nachts Wände in Berlin verziert, aber Tauben nicht leiden kann, da sie angeblich das Stadtbild beeinträchtigen …

Die Ignoranz zieht sich bis in meine eigene Familie hinein. Damit der kleine Neffe angstfrei und ohne Vorurteile gegenüber dieser Tierart aufwächst, habe ich ihm eine Taube als Stofftier geschenkt. Seine Mutter, meine Schwester also, guckte irritiert, ließ die Taube bald in einer Kommode verschwinden. Angeblich hat sie Sorge, dass ihr Sohn die Augen des Stofftiers verschluckt. Ich vermute, sie hat ideologische Vorbehalte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false