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Übergabezeremonie zum Abzug der französischen Truppen aus Burkina Faso am 18. Februar 2023.

© REUTERS/BURKINA FASO'S GENERAL STAFF OF THE ARMED FORCES

Geschäfte statt Gefechte: Warum Präsident Macron Frankreichs Truppen aus Afrika abzieht

Weniger Militär, mehr Wirtschaft: Frankreich reagiert auf den Rauswurf seiner Truppen aus Ländern im Sahel. Wagner-Söldnern in der Region sagt Macron ein kurzes Intermezzo voraus.

Frankreich will ein neues Kapitel in seinem Verhältnis zu afrikanischen Staaten und Gesellschaften aufschlagen – und sein „Erbe der Vergangenheit“ in Afrika überwinden: weniger französische Truppen auf dem Kontinent, stattdessen mehr Engagement in Wirtschaft und Gesellschaft.

Das kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron bei der Vorstellung der neuen Strategie zur „Partnerschaft Frankreich-Afrika“ am Montagabend im Élysée-Palast an. Die Zahl französischer Soldaten soll „sichtbar“ reduziert und Militärbasen in gemeinsam mit den Gastländern geleitete Stützpunkte und Akademien umgewandelt werden.  

Frankreichs militärische Präsenz habe politische Führer in Afrika dazu verleitet, politische Lösungen ihrer Probleme zu vernachlässigen, sagte Macron. „Frankreich ist keine Lebensversicherung.“ Es sei ein Missverständnis, dass Frankreich „alles regeln könne“. Jetzt müssten die Gastländer klar benennen, was sie im Hinblick auf die Ausbildung und Ausrüstung ihrer Sicherheitskräfte wünschen.

Macron ist nicht „ nostalgisch“

Damit reagierte der französische Präsident auf anti-französische Ressentiments in Mali und Burkina Faso, die auch von den Putsch-Regierungen in beiden Ländern instrumentalisiert wurden, und zum Rauswurf der französischen Einheiten 2022 und Anfang 2023 geführt haben. 

In seiner 30-minütigen Rede vor Vertretern der afrikanischen Diaspora in Frankreich, vor Unternehmern, Militärs und Journalisten machte Macron deutlich, dass er „keine Nostalgie“ für die „Francafrique“ hege.

Darunter versteht man die besonders engen, aber auch intransparenten Beziehungen mit meist autoritären Herrschern, die die ehemalige Kolonialmacht in vielen Ländern West- und Zentralafrikas seit dem Zweiten Weltkrieg gepflegt hat, und die von der jungen Generation in Afrika als neokolonial abgelehnt werden.  

Stattdessen schlägt Macron eine neue Partnerschaft mit stärkerem Fokus auf Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kultur vor. Gemeint sind: Investitionen in die Wachstumsmärkte des Kontinents statt Hilfe. Französische Unternehmen müssten sich dem Wettbewerb stellen, forderte Macron.  Nur drittklassige Manager nach Afrika zu schicken, wie es bisher oft der Fall ist, könne man sich nicht mehr leisten.

Frankreich Interessen werden klar benannt

In seiner 30-minütigen Rede vor Vertretern der afrikanischen Diaspora in Frankreich, vor Unternehmern, Militärs und Journalisten schlug Macron eine neue Partnerschaft mit stärkerem Fokus auf Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kultur sowie Klima- und Gesundheitsschutz vor.

Er kündigte ein Gesetz zu Restituierung weiterer afrikanischer Kunstwerke an, die in französischen Museen ausgestellt sind. 40 Millionen Euro sollen an die französischen Botschaften auf dem Kontinent gehen, um Frankreichs Positionen und Politik offensiver und besser darzustellen.

Junge Männer in Burkina Faso rufen pro-russische Slogans und protestieren gegen Frankreichs Präsenz. Anfang 2023 mußte Frankreich seine Truppen abziehen.
Junge Männer in Burkina Faso rufen pro-russische Slogans und protestieren gegen Frankreichs Präsenz. Anfang 2023 mußte Frankreich seine Truppen abziehen.

© dpa/ Sophie Garcia

„Selbstbewusst, ohne Arroganz“, lautet das Motto. Es ist die Fortsetzung von Macrons Afrika-Politik, die er 2017 an der Universität von Ouagadougou in Burkina Faso verkündet hatte. Darauf begann die Rückgabe von während der Kolonialzeit in Afrika geraubten Kunstwerke sowie Initiativen zur Aufarbeitung von französischen Kolonialverbrechen in Algerien. 

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Den wachsenden Einfluss Russlands in Afrika streifte Macron nur indirekt: Manche Länder kämen mit ihren Armeen und ihren Söldnern – diesem Wettbewerb stelle man sich nicht. Auf Nachfrage einer Journalistin bezeichnete Macron die russische Wagner-Gruppe als „kriminelle Söldner“, die Putschregierungen und schwächelnde Regime absichern sollte, die ihre Hand „räuberisch“ auf Bodenschätze legten und Gewalt verbreiteten. Diese Interventionen seien „kurzfristig“, weil sie „nur Unheil“ brächten, ist sich Macron sicher. 

Dem französischen Afrika-Analyst Jonathan Guiffard zufolge zielt die Afrika-Strategie in erster Linie darauf ab, den „Zwischenzustand“ der französischen Beziehungen zu den Ländern auf dem Kontinent zu beenden – also die Kolonialgeschichte ein für alle mal aufzuarbeiten und dann hinter sich zu lassen. Guiffard ist Resident Fellow des Institut Montaigne in Paris. Zuvor hat er für das französische Außen- sowie das Verteidigungsministerium gearbeitet.

In der geplanten Transformation der militärischen Kooperation sieht Guiffard ein „starkes politisches und strategisches Signal“ an Afrikas Regierungen, die der Experte so zusammenfasst: „Ihr regelt eure Sicherheitsprobleme und wir sind da, um Euch zu helfen“ 

Es gibt keine Blankoschecks mehr für afrikanische Führer.

Jonathan Guiffard, Afrika-Spezialist und Resident Fellow des Institut Montaigne in Paris

Das bedeute, dass die afrikanischen Partner ihre Probleme selbst in die Hand nehmen müssten. „Es gibt keine Blankoschecks mehr für afrikanische Führer“, sagt Guiffard. Ob das funktioniere, sei aber unklar. Mit der Strategie komme Macron aber weiterer Kritik an der Militärpräsenz in Afrika zuvor – und schließe damit eine offene Flanke. 

Macron wolle die Sektoren der Kooperation deutlich erweitern. Daher habe er Künstler, Sportler, Zivilgesellschaft und Unternehmer als Partner genannt, um aus den reinen Gipfeltreffen mit Regierungschef auszubrechen. Auffällig sei der Ansatz, die Kommunikation in afrikanischen Ländern „komplett zu verändern“: Damit solle Frankreichs Politik besser dargestellt werden, „ohne in direkte Konfrontation“ mit strategischen Gegnern wie Russland zu gehen.

Die französische Tageszeitung „Liberation“ sieht die Strategie kritisch und erkennt „neue Worte, aber die gleiche DNA“. Die Zeitung fasst das Konzept so zusammen: „Weniger Kampfanzüge und mehr Business in der ersten Reihe.”  

An diesem Mittwoch bricht Macron zu seiner bisher 18. Afrikareise auf. Vier Länder wird er dabei besuchen. In Gabon wird er mit Präsident Ali-Ben Bongo Ondimba einen Gipfel zum Schutz des Tropenwaldes eröffnen. Damit wolle Macron unterstreichen, dass Frankreich nicht mehr ausschließlich im Sicherheitssektor mitmische, sagt der Analyst Guiffard.

Einen kleinen Schönheitsfehler in Sachen Neuanfang hat die Reise aber bereits: In Afrika wird sich Marcon mit Herrschern treffen, die nicht unbedingt für ihre menschenfreundliche Politik bekannt sind. In Gabon herrscht vielen Beobachtern zufolge faktisch eine Diktatur, in der krisengeplagten Republik Kongo regiert Präsident Denis Sassou-Nguesso seit 1999 mit harter Hand. Aber wie sagte Macron: „Wir sind nicht für alles verantwortlich in Afrika.“ 

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