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Gezeichnete Reportagen: Eine Doppelseite aus dem besprochenen Buch.

© epd

Flüchtlingsschicksale als Comic: Fluchtpunkt Augsburg

In Comic-Reportagen berichten Studenten der Hochschule Augsburg über Flüchtlinge, Ehrenamtliche und Nachbarn des „Grandhotels Cosmopolis“. Und sie machen ihre eigene Scheu zum Thema.

Die stärkste Erinnerung des Barkeepers an zu Hause ist die an seinen Abschied: Beim Abflug am Flughafen knieten seine Eltern auf dem Boden und weinten. Der Barkeeper war damals 14 Jahre alt. Ein palästinensischer Junge, der von zu Hause fliehen, seine Familie verlassen musste, weil er sonst als Steinewerfer verhaftet worden wäre.

Diese Flucht ist lange her. Heute ist der Junge erwachsen und hilft ehrenamtlich im „Grandhotel Cosmopolis“ in Augsburg mit. In dem Flüchtlingsmodellprojekt wohnen seit 2013 Künstler, Flüchtlinge, Ehrenamtliche und Hotelgäste unter einem Dach. Der Barkeeper ist hier, weil er Flüchtlingen helfen will. Weil er selbst erlebt hat, wie es ist, wenn man von einem Tag auf den anderen fliehen muss.

Marte Negele hat aus der Geschichte des Barkeepers eine Erzählung gemacht - einen Comic. Negele ist Student an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Augsburg. Zusammen mit anderen Studenten hat er vergangenes Jahr an der „Comicwerkstatt“ von Mike Loos teilgenommen. Der Professor für Illustration hat mit den angehenden Grafikdesignern ein außergewöhnliches Projekt umgesetzt: einen Comicband über die Modellunterkunft mit dem Titel „Geschichten aus dem Grandhotel“.

Acht Comicreportagen finden sich darin. Die aufwendig gezeichneten Bildergeschichten erzählen von den Schicksalen der Flüchtlinge im Grandhotel, von den Sorgen der Nachbarn, als die Unterkunft startete, von der Arbeit der Ehrenamtlichen. Aber auch ihre eigene Scheu, auf Flüchtlinge zuzugehen, machten die Studenten zum Thema.

Heimat gesucht: Eine Seite aus "Geschichten aus dem Grandhotel".

© epd

„Die Idee für das Buch ist vor drei Jahren entstanden“, sagt Mike Loos. Damals habe er aber noch gezweifelt, ob das Thema nicht zu schwierig sei für ein Comicprojekt. Einerseits wegen der politischen Brisanz. Andererseits trieb den Professor die Frage um, ob er damit seine Studenten nicht überfordere.

„Mein Gesprächspartner hat mir Dinge berichtet, die mich wirklich schockierten“, sagt Wolfgang Speer. Der Student erzählt in dem Band die Geschichte eines Afrikaners, der aus politischen Gründen aus seinem Land fliehen musste. Er habe bei den Besuchen im Grandhotel und den Gesprächen mit den Flüchtlingen viel über sich selbst gelernt, sagt Speer: „Etwa über die eigene Angst vor dem Umgang mit Fremden.“ Die „Geschichten aus dem Grandhotel“ könnten helfen, solche Berührungsängste abzubauen, hofft der 24-Jährige.

Entwurzelt: Das Buchcover.

© epd

Mike Loos ist da zurückhaltender. Ein Comic, sagt der Professor, diene vor allem der Unterhaltung. Das schließe aber nicht aus, dass er den Leser verändere. „Wenn wir mit den Geschichten aus dem Grandhotel die Leute zum Nachdenken bringen, das wäre schon viel“, meint Loos. Bei Marte Negele ist noch mehr passiert. Die Arbeit an dem Projekt habe seine eigene Haltung gegenüber Flüchtlingen verändert. „Früher war mir das Thema eher egal“, erzählt er: „Jetzt versuche ich, auch andere davon zu überzeugen, dass wir den Menschen helfen müssen, die zu uns kommen.“ (epd)

Die „Geschichten aus dem Grandhotel“ erscheinen im Augsburger Wißner-Verlag. Der Comic-Band kostet 12,80 Euro.

Andreas Jalsovec

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