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Drei für die Literatur. Katarzyna Zorn, Peter Walther und Hendrik Röder (r.) vom Brandenburgischen Literaturbüro vor der Villa Quandt.

© Andreas Klaer

Kultur: Der Literatur verpflichtet

Vor 20 Jahren wurde das Brandenburgische Literaturbüro in Potsdam gegründet

Im Juni vor 20 Jahren traf sich ein gutes Dutzend literaturbegeisterter Menschen aus Potsdam und dem Land im Literaturladen Wist & Ressel. Sie überlegten, wie die Literatur im Brandenburgischen mehr an Ausstrahlung und Lebendigkeit gewinnen, wie sie Anstöße in vielerlei Richtungen geben könnte. Um eine kompetente Wirksamkeit zu erreichen, wurde das Brandenburgische Literaturbüro als Verein gegründet. Ideelle und finanzielle Unterstützung fand man von Anfang an beim Kulturministerium. Auch Mitarbeiter, die die Geschäfte führten, standen recht bald zur Verfügung: die Schriftstellerin Sigrid Grabner und der Germanist Hendrik Röder. Am heutigen Samstag feiert das Brandenburgische Literaturbüro sein 20-jähriges Jubiläum.

Zunächst waren Sigrid Grabner und Hendrik Röder viel unterwegs, um Literaturhäuser und deren Arbeit in anderen Bundesländern kennenzulernen. „Es wurde uns aber bald klar, dass es nicht unsere Aufgabe sein sollte, mit Autoren und an deren Manuskripten zu arbeiten. Wir wollten kein Vermittlungsbüro an Verlage sein“, sagt Röder, der heute die Geschäfte des Brandenburgischen Literaturbüros zusammen mit Katarzyna Zorn und Peter Walther führt. „Unser Hauptmotiv ist nach wie vor, zur literarischen Kommunikation anzuregen.“ Veranstaltungen mit Schriftstellern gehören somit zur Kernkompetenz des Vereins. Jährlich gibt es rund 50 bis 60 Lesungen an verschiedenen, manchmal auch entlegenen Orten im Land Brandenburg. Man kooperiert dabei gern mit Bibliotheken, Buchhandlungen, Theatern, Verlagen und Museen. Zahlreiche international bedeutende Autoren konnten für Lesungen gewonnen werden, darunter die Nobelpreisträger Imre Kertèsz, Czeslaw Milosz und Herta Müller sowie Christa Wolf, Louis Begley und Cees Nooteboom, Martin Walser, Harry Rowohlt und Fritz J. Raddatz, Ralph Giordano, Henryk M. Broder und Ferdinand von Schirach.

Seit 2007 hat das Brandenburgische Literaturbüro eine neue Heimstatt. Die Räume der Villa Quandt, unterhalb des Pfingstbergs, teilt es sich mit dem Fontane-Archiv. Somit ist das geschichtsträchtige Gebäude, das einst Mitglieder der Hohenzollern-Familie beherbergte, zu einem Literaturzentrum in der Landeshauptstadt geworden. Doch für einige Literaturabende muss das Brandenburgische Literaturbüro Alternativen suchen, wie den Nikolaisaal oder das Hans Otto Theater, deren Häuser mehr Platz für Interessierte bereit halten. Auch die besondere Atmosphäre der Druckerei von Christian und Cornelius Rüss wird von zahlreichen Besuchern der Lesungen immer wieder geschätzt.

Große Anerkennung erwarb das Brandenburgische Literaturbüro bundesweit auch mit Ausstellungen und der Herausgabe von begleitenden Katalogen sowie Büchern. Dabei steht die regionale Literaturgeschichte im Vordergrund. Mit dem promovierten Germanisten Peter Walter hat das Literaturbüro einen Mitarbeiter, der kompetent und engagiert sich diesem Bereich widmet. Für einige Jahre geschah dies noch unter dem Label der Märkischen Dichterlandschaft, ab 2000 jedoch wieder unter dem Dach des Brandenburgischen Literaturbüros. „Kurz nachdem das Literaturbüro gegründet wurde, begannen Recherchearbeiten über den Wilhelmshorster Dichter Peter Huchel. Wir planten eine Ausstellung, ein Buch sowie eine CD mit Gedichten, die der Dichter vor seinem Tod im Südwestfunk selbst eingelesen hat“, so Hendrik Röder.

In in den folgenden Jahren entstanden weitere sieben Ausstellungen und zahlreiche Publikationen. 750 Jahre Literaturgeschichte vereinte die Ausstellung „Musen und Grazien in der Mark“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, die einen Überblick über Bücher und ihre Autoren gab. Zwei Veröffentlichungen gingen mit der Exposition einher: ein Brandenburgisches Literaturlexikon, in dem hunderte Einträge von Orten und Tausende von Schriftstellern zu finden sind, sowie mit ein Band, das eine Auswahl von Texten bereithält. Aufmerksamkeit fanden unter anderem auch die Ausstellung und das Buch zu „Goethe und Brandenburg“.

„2008 begannen wir gemeinsam mit dem Kurt-Tucholsky-Museum in Rheinsberg, Tagebuchaufzeichnungen aus Brandenburg zusammenzutragen. Ziel war es, die Schnittmenge von Alltags- und Zeitgeschichte in der privaten schriftlichen Überlieferung der Region zu erhellen“, sagt Röder über ein Projekt, das besonderen Anklang fand. Hunderte Brandenburger beteiligten sich an dem Vorhaben. Eine Auswahl von Tagebüchern aus den Jahren 1944 bis 1948 erschien als Buch, nahezu alle eingesandten Tagebücher wurden digitalisiert. Ebenso wurde in einem weiteren Projekt mit den Lebenserinnerungen und mit der fotografischen Überlieferung verfahren, die im Laufe des Vorhabens „Kindheitsbilder. Alltagsfotografie in Brandenburg seit 1848“ gesammelt wurde. Parallel zur Ausstellung und zum Buch digitalisierte man unzählige eingesandte Fotos und Erinnerungstexte. Sie wurden auf dem Internetportal „Zeitstimmen“ veröffentlicht. Doch es ist immer noch in erster Linie die Literatur, also Lesungen und Gespräche mit Schriftstellern, mit der Hendrik Röder, Katarzyna Zorn und Peter Walther die Kultur in Potsdam und Brandenburg prägen.

Beim Jubiläumsfest am heutigen Samstag im Garten der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47, gibt es ab 18 Uhr auch Literatur: Leander Haußmann liest aus seiner Autobiografie „Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück“ und Wilhelm Genazino gibt mit seinem noch unveröffentlichten Roman kund „Bei Regen im Saal“

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