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Den Plapper-Rekord halten anfangs die Jungs, nicht die Mädchen.

© IMAGO/YAY Images

Überraschung in der Sprachentwicklung: Männliche Babys plappern mehr als weibliche – anfangs

Die Sprachforscher waren selbst erstaunt: Bei Aufnahmen des Gebrabbels von fast 6000 Babys entpuppten sich Jungs als deutlich gesprächiger. Das hat wohl evolutive Gründe.

Es beginnt mit quietschenden und knurrenden Lauten, wird zum Lallen und gipfelt im ersten „ba“, „ma“ oder „aga“. Bis aus diesen Sprachvorläufern, Protophone genannt, schließlich die ersten Worte, Sätze und Phrasen werden. Mädchen galten bei dieser immer gleichen Sprachentwicklung stets besser ab. Doch nun zeigen Untersuchungen eines Sprachforschunsteams um D. Kimbrough Oller von der Universität von Memphis, Tennessee: Jungs sind im ersten Jahr deutlich „gesprächiger“ als Mädchen.

„Es wird allgemein angenommen, dass Mädchen einen kleinen, aber erkennbaren Vorteil gegenüber Jungs in der Sprache haben“, sagt D. Kimbrough Oller von der Universität von Memphis, Tennessee. „Aber es hat sich gezeigt, dass Jungs im ersten Jahr mehr sprachähnliche Laute von sich geben als Mädchen.“

Wir vermuten, dass es daran liegt, dass Jungen im ersten Lebensjahr stärker gefährdet sind zu sterben als Mädchen.

D. Kimbrough Oller von der Universität von Memphis, Tennessee

Allerdings ändert sich das rasch, heißt es im Fachblatt „iScience“. „Während Jungen im ersten Jahr eine höhere Vokalisierungsrate aufwiesen, holten die Mädchen auf und überholten die Jungen bis zum Ende des zweiten Jahres“, sagt Oller, dessen Team die Sprachentwicklung im Säuglingsalter erforscht und eigentlich gar nicht die Absicht hatte, Geschlechtsunterschiede zu untersuchen. In einer früheren, kleineren Studie, die 2020 in der Zeitschrift „Current Biology“ erschien, hatten sie den Effekt schon einmal bemerkt.

Fast 6000 Säuglinge „belauscht“

Jetzt konnten sie ihn anhand einer „enormen Stichprobe“, so Oller, von mehr als 450.000 Stunden ganztägiger Aufzeichnungen von 5899 Säuglingen bestätigen. Demnach geben männliche Säuglinge im ersten Jahr zehn Prozent mehr Laute von sich als weibliche. Im zweiten Jahr kehre sich der Unterschied um und weibliche Säuglinge plappern etwa sieben Prozent mehr als männliche. Und das, obwohl die betreuenden Erwachsenen in beiden Jahren häufiger mit den weiblichen Säuglingen sprachen als mit den männlichen.

Im ersten Lebensjahr brabbeln die Jungs noch mehr als die Mädchen, dann wendet sich das Blatt.

© iScience/Oller et al.

Die Ergebnisse könnten zu einer evolutionären Theorie passen, nach der Säuglinge schon früh so viele Laute von sich geben, um ihr Wohlbefinden auszudrücken und ihre eigenen Überlebenschancen zu verbessern, so Oller. „Wir vermuten, dass es daran liegt, dass Jungen im ersten Lebensjahr stärker gefährdet sind zu sterben als Mädchen.“

Da männliche Säuglinge im ersten Jahr also unter einem höheren Selektionsdruck stehen, ist es für sie besonders wichtig, die Eltern auf ihr Befinden aufmerksam zu machen, meint Oller. Im zweiten Lebensjahr, wenn die Sterberaten sinken, sei der Druck auf spezielle Fitnesssignale sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen geringer.

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