Mit Fingerspitzengefühl und bedachtem Pedaleinsatz

Kaum zu verfolgen sind die Finger des Meisterpianisten Dinis Schemann, während er die schnellen Wendungen der „Appassionata“ spielt. Foto: jbr

Bad Homburg (jbr). Ein fulminanter Auftakt der Reihe „Meisterpianisten“ begeisterte das Publikum in der Schlosskirche! Mit Dinis Schemann, bekannt als Teil des „Schemann Klavierduos“, gastierte ein Ausnahmepianist in Rahmen der „Bad Homburger Schlosskonzerte“ in der Kurstadt. Auch das Programm gestaltete sich vielversprechend: Mit zwei der bedeutendsten Werke aus den 36 Sonaten Ludwig van Beethovens wagte sich Schemann an die ungemein imposanten Opera Magna und sorgte mit Franz Schuberts „Vier Impromptus“ für ein noch größeres Maß an Abwechslung.

Eindrucksvoll begann Dinis Schemann mit dem für die Klaviersonate Nr. 8 „Pathétique“ richtungsweisenden düsteren und zugleich kräftigen c-Moll-Dreiklang, worauf wiederum eine eher träumerische Akkordfolge erklang. Mit der Exposition änderte sich die Dynamik erneut, hin zu aufbrausender Schnelligkeit, und mit einem ansteckenden Funkeln in den Augen ließ der Pianist die Takte unter seinen Fingern hinweggleiten. In den wiederkehrenden ruhigen Passagen schuf Dinis Schemann durch bedachten Pedaleinsatz und viel Fingerspitzengefühl einen äußerst gefälligen Klang von besonderer Klarheit innerhalb der gebundenen Wendungen.

Nach einer markanten Dissonanz folgte ein kurzes Finale, das sich in einer Folge – die Düsternis der Einleitung aufgreifenden – Kadenzen wieder nach c-Moll auflöste. Das den zweiten Satz bezeichnende Adagio in As-Dur bildete den Gegenpol zum ersten Satz und strahlte Wärme und musikalische Geborgenheit aus. Der Virtuose am Konzertflügel griff auch diese berühmte Melodie mit seiner eigenen Ausdrucksweise besonders gefühlvoll auf und verzauberte die Zuhörer. Die harmonische Wendung in Moll hob Schemann wirkungsvoll hervor und gab dem Adagio cantabile den weichen Charakter eines Klavierlieds. Das finale Rondo der Sonate entstand aus einem harmonischen mehrdeutigen, wiederkehrenden Hauptmotiv und rundete das erste Drittel der Darbietung perfekt ab.

Mit den vier Impromptus (Opus posth. Nr. 142) aus der Feder Franz Schuberts knüpfte Dinis Schemann an die Sonatenform der Beethovenwerke an. Während des ersten Impromptus (franz. aus dem Stegreif) scheute der Pianist die Schnelligkeit nicht und ließ tiefe Akkorde nach oben hin ausbrechen, bevor recht klare und unbeschwert wirkende Passagen folgten, ehe sich das Stück zuletzt wieder in die Ausgangstonart f-Moll zurückbesann. Mehrere mögliche Schlussakkorde entpuppten sich als musikalische Täuschung und spannten das Publikum zunehmend auf die Folter, wohingegen das tatsächliche Ende eher unauffällig auf der Tonika verklang und Schubert auf eine finale Kadenz verzichtet hatte. Auch das zweite Stück der Sammlung überzeugte, diesmal jedoch mit klarer Einfachheit der wohlklingenden Akkorde und Arpeggien. Durch Vielfalt von spielerischen Motiven bis hin zu harmonisch mehrdeutigen Nuancen zeichneten sich auch die letzten beiden Teile des Schubertwerks aus, die Schemann mit perfektionierter Feinfühligkeit beim Anschlag und in der Dynamik bravourös meisterte.

Dynamischer Umbruch

Nach der Pause erreichte das Konzert mit der Klaviersonate Nr. 23 in f-Moll, die heute den einschlägigen Beinamen „Appassionata“ (Die Leidenschaftliche) trägt, jedoch unverkennbar seinen Höhepunkt. Nach einem beinahe irreführenden Anfang, den Dinis Schemann pianissimo darbot, folgte ein dynamischer Umbruch, rasante Läufe traten hervor, und die musikalischen Geschehnisse spielten sich nun äußerst rasant im ehemaligen Altarraum der Schlosskirche ab. Nach einem kurzen Stück ruhiger Komposition führte diese mit markantem Übergang zu den wirbelnden Wendungen zurück und verklang in einer Abwärtsbewegung. Eher gedeckt folgte zuerst das Andante, das sich an den ersten Satz anschloss. Hier kostete Schemann die Motive wesentlich beruhigter aus und gab auch den Zuhörern einen kurzen Moment zum Durchatmen.

Das an die Satzbezeichnung angehängte „con moto“ (mit Bewegung) ließ jedoch bereits vermuten, dass es dabei nicht bleiben würde. Aus dem Andante entwickelte sich in der zweiten Hälfte des Satzes eine mehr und mehr rasante Figur. Der Saal füllte sich mit fast dramatischen Klängen. Dinis Schemann spielte auch dieses Meisterstück wahrlich meisterhaft und krönte seine Darbietung mit einem grandiosen Finale, dem dritten Satz der „Appassionata“. Der Beiname der Sonate bedurfte besonders an diesem Abend keiner weiteren Erklärung.

Im Anschluss reichte es dem Publikum nicht, zu klatschen, sondern viele jubelten dem Pianisten begeistert zu. Wie so oft hatte Veranstalter Karl-Werner Joerg mit Dinis Schemann einen absoluten Meister seines Fachs für die Reihe „Meisterpianisten“ gewinnen können.



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