Dem Markt-Kannibalen Facebook knurrt der Magen

Grafik: TP

Monopolisierung und Plattformisierung schaffen laufend vollendete Tatsachen einer Medienrevolution

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Wir müssen reden. Und wissen doch, dass es einstweilen gar nichts ändern wird. Zuletzt entwarf Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) neue "Wettbewerbsregeln" - Quasi-Monopolisten wie amazon, Facebook und Google sollen angehalten werden, auf ihren Plattformen Wettbewerber nicht zu benachteiligen. Der scheidende ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm sieht ebenfalls Handlungsbedarf, da Deutschland seine "digitale Souveränität" einstweilen schon verloren habe. Das sind allgemeine Befunde, die bestenfalls zu ganz neuen Mühen der Ebene führen.

Die Singularität hat stattgefunden

Ob die Heutigen je eine Pleite der genannten Internet-Riesen erleben werden, kann niemand sagen. Amazon-Chef Jeff Bezos beschwört seit Jahren die zwangsläufige Insolvenz jedes Boom-Unternehmens, wie auch des seinen. Für die 200 Millionen Paket-Junkies seiner Plattform ist dies wohl kaum vorstellbar. Dasselbe gilt für unser tägliches Googlen. Auf Facebook herrschen etwas speziellere Bedingungen - sowohl, was seine Angebote wie auch seine Nutzer betrifft.

Unter deutlich über 2 Mrd. monatlich aktiven Facebookianern befinden sich laut 2014er Statistiken in europäischen Ländern überdurchschnittlich viele Akademiker - nur nicht in Deutschland. Hier sollen die Bildungsgrade eher gleichauf liegen, mit etwas Vorsprung "niedriger formaler Bildung". Deshalb kann man sagen, dass eine wesentliche Funktion der Plattform in ihren statistischen Wirkungen differenziert werden muss. Denn Akademiker sind schließlich zugleich öfter Multiplikatoren. (Dazu gleich noch mehr.)

Die Singularitäten der Plattformen sind, verkürzt gesagt, die Findbarkeit von Informationen über Google, die Bestellbarkeit von Waren über amazon und das Teilen und Kommentieren von Inhalten auf Facebook. Letzteres reicht von Geburtstagsgrüßen über den Link zur Tagespresse bis zur politischen oder wissenschaftlichen Diskussion, die in Beiträgen der Teilnehmer nur auf der Plattform selbst stattfinden.

Unabhängig von ihren Zielgruppen hat Facebook neben den eher privat-freundschaftlichen Botschaften, die Telefonanruf oder Postkarte ersetzen, rasant eine Portal-Funktion erobert, die einstweilen unumgänglich geworden ist. Eine hauptsächliche Nutzer-Typologie, zumal auf dem Mobiltelefon, ist das Aufrufen der Facebook-Startseite, auf der die Beiträge und Hinweise der "Freunde" zusammenlaufen.

Die programmatische Beschränkung der Facebook-Nutzungsbedingungen auf persönlich Bekannte ist faktisch Makulatur: Die Klientel zerfällt in jene, die eher privat bleiben und nur echte "Freunde" haben wollen, und jenen, die beginnen, als Privatleute oder Publizisten großflächig solche Kontakte zu sammeln - bis zu 5.000 pro Privat-Account. Hinzu kommen Seiten zu Themen oder Personen, von Firmen oder Projekten, Facebook-Gruppen, die von Teilnehmern zu allen denkbaren Themen gegründet werden und die wenige bis Tausende Mitglieder zählen.

Je mehr Kontakte, desto abendfüllender wird die Facebook-Startseite. Denn sie versammelt, nach Interaktionen, Voreinstellungen und weiteren algorithmisierten Funktionen gerankt, alles, was andere in ihre persönlichen Profile, auf thematischen Seiten und in Gruppen einstellen. Rein zeitlich kann also die Befassung mit der eigenen Facebook-Startseite ein Vollprogramm sein, das keine anderen neben sich duldet.

Dieser Schwarm von Informationen konfiguriert also (neben genuinen Äußerungen) weit Verbreitetes oder Seltenes aus dem Netz, das per Link erreichbar ist und automatisch mit einer Vorschau aus Bild, Überschrift und Anreißer versehen wird. Und damit ist die Facebook-Seite im Prinzip nichts anderes als ein personalisiertes News-Portal, wie es keine einzelne Zeitung und kein einzelnes Magazin bieten könnte. Praktischerweise wünscht man als Nutzer einen einzigen Ort, von dem aus man auf alles Zugriff hat.

Diese Portal-Funktion hat also bei vielen Nutzern den ersten Platz der Surf-Gewohnheiten erobert. Lassen wir hier einmal die damit zusammenhängende Diskussion von "Filterblasen" beiseite. Worüber Medienwirtschaft und -politik ständig zu sprechen hätten, lässt sie in einem Gemenge aus Sachzwängen, Ratlosigkeit und PR-technischen Komplikationen (Negativ-Informationen über sich selbst verbreiten oder nicht?) zurück. Deshalb wird darüber verhältnismäßig wenig gesprochen - im Vergleich zum grundlegenden Medienwandel, der damit schon weit vorangeschritten ist.

Was ist eine Zeitung?

Die Filterblasen-Diskussion kreist um die fluide und intransparente Konfiguration der auf Facebook wahrgenommenen Inhalte: Jeder sieht dort etwas anderes. Und die erwähnten Algorithmen stehen teils in dem Verdacht, nach kommerziellen oder gar politischen Gesichtspunkten Inhalte zu bevorzugen oder mindestens in der Aufreihung nach unten zu versetzen.

Von jedem traditionellen Zeitungsmenschen beklagt wird die mangelnde Qualitätskontrolle für Informationen, die so ihre Leser erreichen. Facebook ist eine Zeitung und doch wieder nicht. Verlorengegangen ist das konzeptuelle und auch gestalterische Gesicht des einzelnen Presseorgans. Alles läuft zunächst in Facebooks eigenes schlichtes Layout der Voransichten und kann von dort aus per externem Link angesteuert werden.

Bei Letzterem greift ein Mechanismus schon der alten Welt: Niemand liest eine Zeitung oder ein Magazin, das er kauft oder geschenkt bekommt, ganz. Das meiste wird nur als Überschrift und ggf. Anreißer wahrgenommen. Was für das Zeitunglesen meist unüberprüfbar bleibt, zeigt sich Web-basiert heute in exakteren Klickzahlen des einzelnen Beitrags. Und die notwendige Oberflächlichkeit des Überfliegens der Neuigkeiten verlagert sich für die betreffenden Nutzer dann eben gänzlich auf Facebook: Wer den Link nicht anklickt, hat das, was er gelesen hat, ausschließlich auf Facebook gelesen und hinterlässt auf der ursprünglichen Quelle keine Datenspur, ergo auch keine Klickzahlen, die sich noch in Werbetantiemen verwandeln ließen.

Aus dem Trend zur Personalisierung hat Facebook also für seine Nutzer jene für Presse-Erzeugnisse primär auf seine Plattform verlagert - die die Inhalte nicht selbst produzieren muss, die neben Buchstaben sogar urheberrechtlich geschützte Bilder billionen- oder billiardenfach von anderen Quellen absaugt und von eigenen Servern her wiedergibt.

Des Facebook-Gründers Mark Zuckerbergs letzter Move ging hin zum Angebot an die Zeitungsverleger, eine eigene Rubrik für "Qualitätsjournalismus" zu schaffen, die auch entsprechende Monetarisierungen erlauben würde. Ob sie kommt und wie man sie gestaltet, bleibt abzuwarten.

Abzusehen ist, dass sich damit neuer Gesprächsstoff ergibt über eine solche Definition von "Qualität". Auch in dem Versuch, inhaltliche redaktionelle Standards rudimentär wieder einzuführen, indem Initiativen wie "Correctiv" auf Facebook Sachinformationen prüfen und ggf. ausflaggen oder löschen sollen, lagen und liegen entsprechende Problematiken, die ein eigenes Thema sind.

Facebook-Scheu der Akademiker

Wer sich in privaten Umfeldern von Akademikern umhört, begegnet zwei grundsätzlichen Typen: Nutzern und (gefühlt eher:) Nicht-Nutzern. Teilweise skurril die Erfahrungen mit Lehrenden relevanter Fachgebiete, die sich bisher kaum einmal auf Facebook trauten. Was die 2014er Statistik besagt, kann der Autor dieser Zeilen bestätigen: Facebook oder Twitter sind für höher Gebildete in Deutschland seltener ein Thema. Schnell werden abschätzige Meinungen deutlich: Facebook als Treffpunkt der Wutbürger, als Verbreitungsmaschine für Desinformation. Man lobe sich dagegen doch nach wie vor ZEIT, FAZ & Co. Und man habe auch nicht für alles die Lebenszeit.

Aus dem Letzteren folgt wohl auch die immer wieder sichtbare Praxis mancher Akademiker, neben dem einfachen Link auf andere Web-Inhalte, in erster Linie journalistische Organe, die gedruckte Zeitung mit deren Exklusiv-Inhalten beispielhaft abzufotografieren, um sie zu teilen und zu kommentieren. Das lässt sich inhaltlich immer rechtfertigen, ist dabei aber vielleicht auch eine besondere Geste des Hinüberrettens bildungsbürgerlicher Standards in den Massenbetrieb immer schneller zirkulierenden Contents - einseitig von allen möglichen Orten außerhalb hin zu der für jeden Einzelnen passwortgeschützten Plattform Facebook.

Vom Prinzip her ist das Verhaltensmuster der deutschen Akademiker nicht unbedingt überzeugend: War eine damals noch utopische Forderung von Jean Baudrillard in "Requiem für die Medien" (1972), es solle für den früheren Nur-Empfänger die "Möglichkeit einer Antwort" in umgekehrter Richtung des Kanals geben, löst Facebook diese Forderung eines marxistisch geprägten Kulturphilosophen im Prinzip vollends ein. Die Zensur-Tendenzen i. w. S. halten sich heute noch in jenen Grenzen, die dies zu sagen erlauben.

Die Scheu der deutschen Akademiker ist in dieser Hinsicht wohl nur die Fortsetzung einer elitären Arroganz, die einen Fetisch mit veralteten Trägermedien hat und deshalb Erneuerung als solche scheut - und damit erneut den eigenen vorgeschobenen Präferenzen (im Einklang mit intellektuell konsequenten, zeitgemäß-geschichtsbewussten, theoretisch fundierten Konzepten zu sein) zuwiderhandelt.

Die Nutzer-Typologie war hier anzusprechen, weil das Akademiker-Defizit des deutschen Facebook einer gewissen Trägheit auf der allgemeinen Ebene der Frage nach Facebook als Markt-Kannibalen entspricht. Zusätzlich durch das öffentlich-rechtliche Rundfunk-System ist Deutschland noch in der Lage, dass heutige Journalisten und Funktionäre seit Jahren diskutieren, wie sie ihre leitende Position verteidigen oder bereits erst wieder zurückzuerobern hätten. Es überwiegt immer noch das unweigerliche Bewusstsein des Etablierten, es ‚doch noch schaffen zu können‘. Nicht nur darüber schwebt seit vielen Jahren der Nebentitel eines Christoph-Schlingensief-Films von der "letzten Stunde im Führerbunker". Wunderhoffnungen treten freilich überall auf, wo die Lage vergleichbar ist.

Diagnostiziert man hochnäsig die besagten "Filterblasen" bei den zu hütenden Schafen vor den einst so unverrückbaren Endgeräten, schwebt man selbst in einer solchen, auch wenn sie gelegentlich individuelle Design-Preise gewinnt und mit dem einen oder anderen nach herkömmlicher Art klangvollen Namen der Edelfeder versehen ist. Nicht alles an dieser Selbstsicht ist ungerechtfertigt - und die Internet-Welt von vielen amateurishen Inhalten geprägt, wie auch alten und neuen manipulativen Interessen, die in mancher Hinsicht nur durch einen hochsubventionierten Medienbetrieb konterkariert und gemieden werden können. Wo Letzterer heute steht, dafür liegen keine inhaltsanalytisch-statistischen Werte vor.

Wie ‚gut‘ sind die Programme - nach welchen Kriterien? Die erkenntnistheoretische Frage ist kein Selbstzweck und keine Dekoration. Sie betrifft das Innerste des Verhältnisses eines optional zahlenden Kunden zu seinem Produkt, eines Lesers zu einem Text und seinen Ideen. Teils fehlt dem etablierten Betrieb seit jeher eine wiederum unabhängige kritische Instanz. Nach manchen Maßstäben sind vielleicht Kulturverluste eingetreten. Fortschritte gerade im Zugriff auf Archive sind aber unleugbar, der Zugang zu einem und demnach auch Stand von einem verbreiteten, jedenfalls eben zugänglichen Wissen i. w. S. ist heute so hoch wie nie.

Facebook ist in diesem Kontext ein seltener Fall, in dem strukturelle Avanciertheit eines sozial-kommunikativen globalen Netzwerks auf eine offensichtliche Borniertheit gerade der deutschen Intellektuellen trifft. Sie nutzen eine Hauptprägung ihres avanciertesten Mediums nicht. (Bitte nicht zu verstehen als Facebook-Apologie oder -Werbung. Aber was bitte wäre Baudrillards "Möglichkeit einer Antwort" anderes - als Wort, Ton, Bild - denn das von Zuckerberg gegründete Projekt? Was sollte es auf nicht ortsgebundener Ebene denn anderes sein - und wie sind ein paar der gravierenden Gefahren von Facebook, wie Monopolisierung, Möglichkeit von Manipulationen, denn zu verhindern? Wäre nach ihrer Verhinderung dann die Kommunikationsutopie eingelöst?)

Was negative Aspekte von Facebook angeht, so sind sie Teil des einzigen Vorteils neben seiner Ignorierung und Nicht-Nutzung. Wer Facebook meidet, dient eben keinerlei Geschäftsinteressen von Zuckerberg. Er setzt sich nicht einer Big-Data-Auswertung seiner Lebensgewohnheiten aus. Er kommt ggf. nicht vom geraden Weg der sorgsam ausgewählten, geprüften und handwerklich perfekt präsentierten Information ab.

Was an der teilweisen Ausgrenzung und Diffamierung der sozialen Medien als Orten der "Hassrede" oder auch nur des Zeitverlustes begründet ist, ändert jedoch nichts daran, dass Facebook eine vorläufig vollendete Tatsache kommunikativer Vernetzung ist. Sie hat schon größere Teile der journalistischen Produktion entwertet. Modellrechnungen schieben vielleicht noch nach, dass durch Gewährung von Gratis-Content eben dieser oder jener Werbeeffekt für das kostenpflichtige Produkt erreicht sei. Eine Monetarisierung von Inhalten auf Facebook durch externe Anbieter wäre eine weitere Milderung - in hier nicht zu bestimmender Verhältnismäßigkeit zu den goldenen Zeiten der Zeitung. Wahrscheinlich ist aber eine bleibende Verschiebung, wenn nicht fast gänzliche Verlagerung der Vermittlungsautorität und Wertschöpfung hin zu den Plattformen.

Werbeschleuder, Big Brother oder Zukunft der Commons?

Etablierte Verlage haben mit "Blendle" u. a. eigene Plattformen geschaffen, deren langfristiger Erfolg abzuwarten bleibt. Neben der Sozialstruktur der Nutzer und ihres gesellschaftlichen Wirkungskreises kommt es auch noch auf zukünftige Wohlstandsentwicklungen an, ob selbst Entschlossene dann tatsächlich den bezahlten Content werden bezahlen können. Jeder, der sparen muss, fällt auf die einstweilen vorrätigen Gratis-Inhalte des Netzes zurück, die über Websites und deren RSS-Feeds in stets überreichlichen Mengen vorhanden sind.

Es liegt nicht an Facebook allein, ob die heute schon großflächig eingetretene Gratis-Gabe von Medien-Inhalten sich noch vervollständigt - hin zu neuen Wirtschaftsformen, in denen Güter teils nicht mehr bezahlt, im Übrigen von wenigstens teilweisen Grundeinkommen existiert wird. Von einer "Wissensallemende" war vor Jahren öfter die Rede. Die Übertragung der älteren Archive in "Commons" an teils zentralen Orten wie "archive.org" oder auch Wikipedia kann man heute nicht genau quantifizieren. Aber je nach Medienart von Text, Ton, Bild und Wissenstypen liegen etwa Schulwissen und Studiengänge sehr weitgehend digital vor, Klassiker dann frei verfügbar oder wenigstens gegen Gebühr zu bestellen oder streamen.

Auf Facebook kommt mit Personalisierung der Überwachungsaspekt hinzu, der mit der Kommerzialisierung verschränkt ist. Der prinzipiell eingelösten Kommunikationsutopie steht der wirtschaftliche Pragmatismus gegenüber - wie auch eine uneinschätzbare Gesamtheit von politischen und überwachungstechnischen Projekteigenschaften. Hätten Geheimdienste Facebook nicht erfunden, so ist es ihnen heute immer noch ein notwendiges bzw. folgerichtiges Instrument wie die Ortung per GPS oder ein digitalisierter Telefonverkehr. Die Option von Totalüberwachung auch des Einzelnen ist jedenfalls intensiv gegeben, wenn und wo sie nicht in eigentlich illegalen öffentlich unbekannten Dimensionen schon genutzt wird.

Das Ende der Giganten oder apokalyptischen Reitern der Märkte und Kommunikationsdienste ist also nicht in Rede - schon gar nicht systemisch. Es wurde skizziert, dass Übernahmen schon äußerst weit gediehen, weiterhin teils zwangsläufig sind - ob letztlich von denselben oder anderen Akteuren und Firmen getragen, ist irrelevant. Einer wird stets die in der Technik liegenden Möglichkeiten weiter ausbauen. Strukturell sind die Fortschreibungen nicht willkürlich - von der Trendforschung derzeit angezeigt als Personalisierung und Konsumierbarmachen, interaktiv zu erfahrenes Medium. (Es sei denn, es müsste aufgrund von Rohstoffmangel und/oder gesellschaftlichem Zerfall Computer-Technologie als solche zurückgebaut oder aufgegeben werden - das wäre die einzige andere Alternative der Medienentwicklung.)

Facebook oder ein anderes Label wird auf Projekten dieser Art prangen. Wenn es Fernkommunikation und ein in diesem Sinne jedenfalls lebendiges Medium, eine funktionale Plattform überhaupt geben soll, ist dagegen keine Existenzfrage zu erheben. Ein solches System kann (statt vermieden) nur angepasst, auch gesetzlich reguliert, im Zweifelsfall und bei politischem Willen irgendwann offen verstaatlicht werden.

Dass die offizielle Form der großen Unternehmen privatwirtschaftlich deklariert ist, ergibt fortgesetzt die Notwendigkeit, sich mit Monopolisierung und Manipulationen auseinanderzusetzen. Der medienethische und qualitative Status ist etwa im Fall der Wikipedia noch auf andere Weise prekär. Für die großen Plattformen der Wissensproduktion und Kommunikation ist ein teils begrüßenswerter und historisch neuer Zustand erreicht.

Schwer wägbarer Zustand der Medienproduktion

Die Bezeichnung von Facebook als einem Kannibalen der medialen Kommunikation sollte gerechtfertigt sein vor dem Hintergrund, dass das Prinzip "geteilter Inhalte" nicht nur kostbare Güter etablierter Produzenten entwertet hat, sondern auch Laien oder freigesetzte Profis unweigerlich dazu zwingt, beim Anbieten von Content dieselbe Plattform zu nutzen, um über eigene Seiten und Verlinkungen überhaupt noch präsent zu sein.

Was als Buch nicht über amazon bestellbar ist, ist so fernab vom Kunden wie nicht auf Facebook verlinkte Presse- oder anderweitige Seiten und audiovisuelle Inhalte. Wieviel und wieviel mehr aber insgesamt produziert wird, welche Vergütungsarten es dafür gibt und wie es betroffenen Produzenten und Anbietern damit geht, wird für die Öffentlichkeit immer nur schlaglichtartig deutlich.

Dass journalistische Arbeitsplätze zu vielen Tausenden schon abgebaut sind, ist unstrittig. Einzig Spielfilme, Film-Serien und komplexe Computerspiele oder nicht so leicht per Copy & Paste übertragbare gedruckte Comics sind als Medieninhalte von der Kannibalisierung noch eher ausgenommen.

Ansonsten landen Texte und Bilder teils sogar 1:1 im Beitragsfeld des Facebook-Nutzers oder wandern in privat verschickte E-Mails, die auch größere Verteiler erreichen. Das Modell eines nach klaren Definitionen monetarisierten Medieninhaltes hat sich aufgelöst. Der einzige ökonomische Gewinner ist dabei etwa der Betreiber von Facebook - für Text, Bild, Ton und Video nur noch vergleichbar mit Twitter, YouTube und Wikipedia. Weitere Archiv-Funktionen haben Google oder das erwähnte archive.org mit seiner "Way Back Machine" für anderweitig gelöschte Netz-Inhalte. Bei vielem blieben Urheberrechtsfragen ungelöst und auch noch geografisch völlig zerklüftet.

Der disruptive Effekt der Facebook-Etablierung ist ein Hauptbeispiel für eine medienwirtschaftlich neue Entrechtung von Inhaltsproduzenten. Hier wurden einige Sprachbilder noch vermieden, die genauso treffend wären wie der Kannibalismus - und ähnlich drastisch in Entsprechung zu einer Drastik, die am deutlichsten etwa "arbeitslose" Journalisten zu spüren bekommen (wie durch das Internet generell auch Musiker und alle, die kommunikativ, wissensbasiert und mit in digitalen Daten kopierbaren Inhalten arbeiten).

Die Betreiber von Facebook und den anderen größten Plattformen sind die Etappensieger in einer Medien-Evolution und -Revolution, in der erstmalig das Prinzip von Urheberrecht und Besitz de facto fast ausgehebelt ist. Streiks der Geschädigten machen so gut wie keinen Sinn. Für die Betreiber hängt alles an der täglich erneuerten Bereitschaft, durch kostenlose Beteiligung als Nutzer und Content- sowie Daten-Produzent für klarer messbare Gewinne der Betreiber zu arbeiten.

In Gestalt nüchterner Zahlen kommen dabei täglich ca. 4 Petabyte neue Daten auf Facebook in kollektiver Arbeit zustande. Dies dürfte ein Spitzenwert in menschlicher Zeichenproduktion überhaupt sein.

Bei vielen, die gar nicht oder nur auf Konsumentenseite damit konfrontiert sind, ist ein Bewusstsein über Arbeit und Wert in diesem neuartigen Feld noch nicht spürbar eingetreten. Angedeutete politische oder kooperative Initiativen darf man getrost als Kurieren an begrenzten Symptomen bezeichnen. Der Kulturwandel hat laufend unbekannte Opfer. Regenerationen einer zerstörten sozioökonomischen Basis von Medienproduktion wären eine Zukunftsaufgabe, für die wir in der Öffentlichkeit kompetente Sprecher oft vergeblich suchen, wie auch der politische Mut und die gedankliche Kreativität dazu zu fehlen scheinen und die Debatte nur am Rande läuft. Für einen Medien-Hype ist eine solche Selbstthematisierung vielleicht und dann tragischerweise etwas zu abstrakt und ohne emotionalen Faktor für das große Publikum selbst. Dass die Konsequenzen nicht noch bitterer werden, sollte eigentlich Motivation genug sein. 8

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