UNO: Spanien hat gegen Grundrechte verstoßen

Menschenrechtsausschuss rügt den Einsatz fabrizierter Anklagen, um sich missliebiger katalanischer Politiker zu entledigen, deren politische Rechte verletzt wurden.

Es war keine andere Entscheidung zu erwarten. Nach vierjähriger Prüfung hat der UN-Menschenrechtsausschuss nun festgestellt, dass Spanien gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verstoßen hat.

Es war ein klarer Verstoß gegen "die politischen Rechte ehemaliger Mitglieder der Regierung und des Parlaments von Katalonien", dass sie wegen ihrer Beteiligung am Unabhängigkeitsreferendum vom 01. Oktober 2017 von ihren öffentlichen Ämtern suspendiert wurden. Das geschah nämlich sogar schon vor der Verurteilung.

Der Madrider Anwalt Gonzalo Boye zitiert den UNO-Ausschuss, wonach "eine Anwendung des innerstaatlichen Rechts, die automatisch zur Suspendierung der Funktionen von gewählten Amtsträgern führt, (...), bevor eine Verurteilung vorliegt" eine Verletzung von Artikel 25 des Zivilpaktes darstellt.

Der Chef der Republikanischen Linken (ERC) Oriol Junqueras, ehemaliger Vizepräsident Kataloniens, und drei ehemalige Minister der Regierung unter Carles Puigdemont – Raül Romeva, Josep Rull und Jordi Turull – wurden bereits während der Untersuchungshaft 2018 gemäß dem Strafrecht suspendiert. Dabei war schon die Inhaftierung willkürlich, weshalb der zuständige UNO-Ausschuss schon 2019 ihre Freilassung gefordert hatte.

Tief in die Trickkiste gegriffen

Die spanische Justiz und der Ermittlungsrichter am obersten Gerichtshof Pablo Llarena griffen für die Suspendierungen tief in ihre Trickkiste. Puigdemonts Regierungsmitglieder wurden sogar wegen Rebellion angeklagt. Denn nur diese Anklage lässt die Suspendierung zu.

Die Anklage wurde von hochrangigen spanische Juristen als "verrückt" und"ohne juristische Basis" gewertet. Den Prozess kritisierten sie als "Schauprozess".

Zu erinnern sei, dass sogar der Verfasser des Gesetzesartikels zur "Rebellion" über die Anklage entsetzt war. Geschrieben hatte ihn der Sozialdemokrat und Professor für Verfassungsrecht Diego López Garrido mit Blick auf den Putschversuch von 1981, als Militärs auf den Straßen auffuhren und das Parlament in Madrid bewaffnet stürmten.

Deshalb ist im Artikel 472 auch von einer "gewaltsamen öffentlichen Erhebung" und dem Einsatz von Kriegswaffen die Sprache. Waffen haben aber nur spanische Sicherheitskräfte bei einer "gut geplanten militärähnlichen Operation" beim friedlichen Referendum eingesetzt.

Das haben unabhängige internationale Beobachter bestätigt, die das später wie der deutsche Sozialdemokrat Felix Grünberg oder der Linkspolitiker Andrej Hunko auch im Prozess ausgesagt hatten. Man habe den Rebellions-Artikel in einer völligen Banalisierung zur Anwendung gebracht, wie schon 120 Kollegen von Garrido vor Beginn des Verfahrens festgestellt hatten.

Jetzt erklärte der UNO-Menschenrechtsausschuss, dass der reine Verdacht für eine "Rebellion" vor einem rechtskräftigen Urteil für einen Eingriff in ein Grundrecht nicht ausreichend sein kann.

Verwiesen wird darauf, dass die Rechtfertigung des spanischen Richters Llarena konstruiert war, da er eine Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit aufgebaut habe.

Der UNO-Ausschuss verweist darauf, dass die Katalanen im Kampf für ihre Unabhängigkeit stets darauf gedrängt haben, strikt friedlich zu bleiben. Kritisiert wurde auch, dass die Amtsenthebungen pauschal, ohne individualisierte Bewertung, ausgesprochen wurden.

Man könnte es auch eine Schmierenkomödie nennen

Man könnte es auch eine Schmierenkomödie nennen, so parteiisch und politisch die spanische Justiz hier vorging. Es ist wie ein Krieg mit Justiz-Macht – "Lawfare" –, wo gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung alle Register gezogen werden. Dabei versinkt die spanische Justiz immer tiefer im undemokratischen Unrecht.

Verurteilt wurden die Politiker, die nicht ins Exil gegangen waren, im Oktober 2019 schließlich wegen Aufruhr. Für Aufruhr ist ein niedrigerer Gewalteinsatz nötig. So wurde das friedliche Aufstellen von Wahlurnen in einem angeblich demokratischen Land mit bis zu 13 Jahren Haft geahndet.

Unabhängige Richter, wie am Oberlandesgericht im norddeutschen Schleswig, konnten aber nach eingängiger Prüfung aber auch die für einen Aufruhr nötige Gewalt nicht erkennen. Deshalb wurde auch Puigdemont nicht an Spanien ausgeliefert.

Belgien ging im Fall Lluis Puig sogar so weit, Spanien vorzuwerfen, dass es zentrale Rechtsgrundsätze missachtet und es zu bezweifeln sei, ob Puig ein faires Verfahren zu erwarten habe.

Wichtig zur Bewertung der Vorgänge ist auch, dass im UN-Sozialpakt, den Spanien noch vor der Ausarbeitung seiner Verfassung ratifiziert hatte, ausdrücklich schon in Artikel 1 definiert ist:

"Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung."

Schon deshalb hat sich Spanien mit seinem Vorgehen gegen die Katalanen ins Unrecht gesetzt.

Besonders schlimm ist, dass Europa sich von Spanien in den Morast ziehen lässt. Während man Polen dafür kritisiert, dass es Urteile höchster europäischer Gerichtshöfe missachtet, lässt man zu, dass Spanien sogar Urteile des Europäischen Gerichtshof (EuGH) ignorieren kann.

Denn das höchste Gericht der EU hatte geurteilt, dass der inhaftierte Junqueras als gewählter Europaparlamentarier Immunität genoss. Aber er wurde in Spanien nicht freigelassen, um sein Amt antreten zu können.

Dass das Europaparlament auf spanischen Druck sogar dem Exilpräsidenten Puigdemont und zwei seiner ehemaliger Minister die Immunität aberkannte, war ein neuer Tiefpunkt. Sie mussten zuvor erst gerichtlich durchsetzen, überhaupt ins Parlament einziehen zu dürfen

Ob angesichts dieser Vorgänge die selbsternannte "progressivste Regierung in der spanischen Geschichte" den Forderungen der UNO nachkommt, ist zu bezweifeln. In ihrer Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass Spanien als "Vertragsstaat" dazu "verpflichtet ist, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ähnliche Verletzungen in Zukunft zu verhindern".

Weiterhin soll Spanien innerhalb von 180 Tagen Informationen über die Maßnahmen zur Verfügung stellen, die zur Umsetzung der Entscheidung ergriffen werden, und die Behörden werden aufgefordert, die Entscheidung zu veröffentlichen und sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.