Rechts­widrige Gebühren So holen Sie sich von der Bausparkasse Ihr Geld zurück

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Rechts­widrige Gebühren - So holen Sie sich von der Bausparkasse Ihr Geld zurück

Hausbau. Für viele Bauherren kommt es auf jeden Cent an – auch bei den Bauspar­verträgen. © Getty Images / artisteer

Bauspar-Konto­gebühren oder Service­pauschalen sind rechts­widrig. Unser Muster­brief hilft dabei, Erstattung zu fordern – womöglich bis zehn Jahre zurück.

Bundes­gerichts­hof: BHW-Jahres­entgelt unwirk­sam

Eine Klausel in den Bausparbedingungen der Bausparkasse BHW, nach denen Kunden für die Konto­führung während der Anspar­phase ihres Bauspar­vertrags ein Jahres­entgelt von 12 Euro zahlen müssen, ist unzu­lässig. Das hat der Bundes­gerichts­hof auf die Klage des Verbraucherzentrale Bundes­verbands (vzbv) gegen die BHW Bausparkasse hin entschieden. Die BHW muss jetzt ihre Bedingungen ändern und die zu Unrecht einbehaltenen Jahres­entgelte erstatten.
Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 15.11.2022
Aktenzeichen: XI ZR 551/21
Verbraucher­anwälte: Rechtsanwaltssozietät Loh, Luig & Matzkat, Lübeck

Bereits im Jahr 2017 hatte der Bundes­gerichts­hof Gebühren für die Führung des Kredit­kontos nach Auszahlung des Bauspardarlehens auf Antrag der Verbraucherzentrale Nord­rhein-West­falen als rechts­widrig verboten.
Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 09.05.2017
Aktenzeichen: XI ZR 308/15

Klare Ansagen des Bundes­gerichts­hofs: Die bauspar­tech­nische Verwaltung, Kollektiv­steuerung und Führung einer Zuteilungs­masse ist keine Extra-Leistung an und im Interesse von Bausparern, sondern gesetzliche Verpflichtung der Bausparkassen. Die Juristen der Stiftung Warentest sind endgültig davon über­zeugt: Alle jähr­lich gezahlten Gebühren im Rahmen von Bauspar­verträgen sind rechts­widrig. Die Bausparkassen müssen sie erstatten.

Streit um Verjährung

Noch unklar ist, wie lange zurück die Bausparkassen unrecht­mäßig kassierte Gebühren erstatten müssen. Forderungen verjähren eigentlich drei Jahre nach Ende des Jahres, in denen sie entstanden sind. Voraus­setzung allerdings: Alle wesentlichen Umstände sind bekannt. Ohne Kennt­nis einer Forderung verjährt sie erst nach zehn Jahren. Unsere Juristen meinen: Erst ab Verkündung des grund­legenden Urteils des Bundes­gerichts­hofs zum Thema konnten Bausparer Bescheid wissen. Vorher lief die Frist für die kurze Verjährung nicht. Bausparkassen­schlichter Dr. Markus Gehrlein hat gerade entschieden: Das ist eine Rechts­frage von grund­sätzlicher Bedeutung, deren Entscheidung den Gerichten vorbehalten bleiben soll.
Schlichter der privaten Bausparkassen, Beschluss vom 26.09.2023
Aktenzeichen: 1821/2023

Erste grund­legende Ansagen dazu kommen bald. Das Kammerge­richt in Berlin verhandelt am Mitt­woch, 22. November 2023, über eine Musterklage gegen die Berliner Sparkasse. Der Verbraucherzentrale Bundes­verband fordert die Erstattung von (Giro-)Konto­gebühren. Thema ist auch die Verjährung. Wir denken: Die Ansagen des Kammer­gerichts sind auf Bauspar­gebühren zu über­tragen.

Unser Rat: Erstattung fordern mit unseren Muster­texten

Erstattung fordern. Fordern Sie Ihre Bausparkasse mit Hilfe unseres Musterbriefes dazu auf, bereits abge­buchte Jahres­gebühren zu erstatten. Schalten Sie unbe­dingt den Ombuds­mann ein, wenn die Bausparkasse Ihrer Forderung nicht voll­ständig erfüllt. Das stoppt die Verjährung. Unser Mustertext bietet auch für dieses Verfahren eine Vorlage und Hinweise dazu. Der Aufwand ist gering und Sie werden unserer Einschät­zung nach Ihr Geld wahr­scheinlich erhalten.

Abschluss­gebühr bleibt. Alle Jahres­entgelte in Bauspar­verträgen sind unwirk­sam. Die bei Abschluss von Bauspar­verträgen fällige einmalige Gebühr in Höhe von zumindest etlichen Hundert Euro ist allerdings weiter wirk­sam. Der Bundes­gerichts­hof billigte sie bereits vor vielen Jahren ausdrück­lich.

Konto­führung ist keine Sonder­leistung

Ein Konto­entgelt in der Anspar­phase wider­spreche dem gesetzlichen Leit­bild eines Bauspar­vertrags, begründeten die Richter in Karls­ruhe ihre Entscheidung. In dieser Phase sei der Bauspar­kunde Darlehens­geber, der nach der gesetzlichen Regelung kein Entgelt für die Vergabe des Darlehens schulde. Außerdem verwalte die Bausparkasse die Konten im eigenen Interesse. Bausparer erhielten dadurch keinen besonderen Vorteil, sondern nur das, was sie nach den vertraglichen Vereinbarungen und gesetzlichen Bestimmungen ohnehin erwarten dürfen.

Bausparkassen noch nicht über­zeugt

Erste Reaktionen der Bausparkassen auf Erstattungs­forderungen zeigen: Sie sind noch nicht über­zeugt. So erklärte uns Schwäbisch Hall-Sprecher Stefan Speicher: „Das Urteil hat daher voraus­sicht­lich keine direkten Auswirkungen auf die Rege­lungen zum Jahres-/Vertrags­entgelt der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Unsere Regelung in den Allgemeinen Bausparbedingungen (ABB) zum „Jahres-/Vertrags­entgelt“ unterscheidet sich in wichtigen, für die recht­liche Beur­teilung maßgeblichen Punkten von der BHW-Klausel. In den Schwäbisch Hall-Bedingungen heißt es: Das Jahres­entgelt sei „...für die Verschaffung und Aufrecht­erhaltung...“ der Anwart­schaft auf das Bauspardarlehen zu zahlen. Ganz ähnlich äußerten sich die meisten anderen Bausparkassen auf die Nach­frage von test.de. Nur Badenia, Debeka und Wüstenrot kassieren gar keine Jahres­entgelte mehr und erstatten alle Beträge, die sie bisher kassiert haben.

Welche Bausparkassen Monats und Jahres­entgelte erstatten

10 von 17 Bausparkassen kassieren weiter und erstatten zumindest einen Teil der Gebühren nicht. Zu vielen Fragen machten sie keine Angaben (K. A.).

Anbieter

Pro Monat oder Jahr zu zahlende Gebühren

werden aktuell erhoben

werden erstattet

nach Forderung

auto­matisch

für Riester­Verträge

zurück bis Jahr

Alte Leipziger

Keine

K. A.

Nein

K. A.

K. A.

Badenia

Keine

Ja

K. A.

K. A.

K. A.

BHW

Teil­weise1

Teil­weise2

Nein

K. A.

2019

Debeka Bausparkasse

Keine

Ja

Nein

K. A.

K. A.

Bausparkasse Mainz

K. A.

K. A.

K. A.

K. A.

K. A.

LBS Bayern

Teil­weise3

Nein

Nein

K. A.

K. A.

LBS Hessen-Thüringen

Teil­weise3

Teil­weise4

Nein

Nein

K. A.

LBS Nord

Teil­weise3

Teil­weise4

Nein

Nein

K. A.

LBS Ost

Teil­weise3

Teil­weise4

Nein

K. A.

K. A.

LBS Saar

Teil­weise3

Teil­weise

Nein

Nein

K. A.

LBS Schleswig-Holstein

Teil­weise3

Teil­weise4

K. A.

Nein

K. A.

LBS Südwest

Teil­weise3

Teil­weise2

K. A.

Nein

K. A.

LBS West

Teil­weise3

Teil­weise4

K. A.

Nein

K. A.

Schwäbisch-Hall

Teil­weise5

Teil­weise6

K. A.

Nein

2019

Signal-Iduna

K. A.

K. A.

K. A.

K. A.

K. A.

Start:Bausparkasse

K. A.

K. A.

K. A.

K. A.

K. A.

Wüstenrot

Keine

Ja

Nein

Nein

2019

Legende

Stand: 19. Januar 2023

1
Service­paket bei den Tarifen Dispo maXX ab 13. Juli 2009 und BHW V3 Plus ab 1. Juni 2011
2
Alle Jahres­entgelte ohne Angabe eines Grundes.
3
Für „Verschaffung und Erhaltung der Anwart­schaft“ für Bauspardarlehen.
4
Gebühren für die Konto­führung ohne weitere Angaben in älteren Verträgen.
5
Bei allen ab Dezember 2018 angebotenen Tarifen.
6
Bei allen bis November 2018 angebotenen Tarifen.

Streit um Sonder­gebühren

Die übrigen Bausparkassen sehen sich ganz oder teil­weise berechtigt, Gebühren zu behalten. Wenn sie für „...die Verschaffung der Anwart­schaft auf das Bauspardarlehen...“ gedacht sei, handele es sich um eine wirk­same Preis­fest­setzung. Für die Teilung von Verträgen oder Änderung der Bausparsumme zulässige Gebühren dürften auch jähr­lich kassiert werden – auch wenn Bausparer die Sonder­leistungen gar nicht brauchen. Die test.de-Juristen über­zeugt das nicht. Bausparkassen­kunden müssen schließ­lich bereits gleich nach Unter­schrift unter den Vertrag die mindestens etliche Hundert Euro teure Abschluss­gebühr zahlen. Sie denken: Auch die Jahres­entgelte mit besonderer Zweck­angabe sind zu erstatten.

Auch Riester­verträge betroffen

Die Juristen bei der Stiftung Warentest sind davon über­zeugt: Auch bei Riester-Bauspar­verträgen sind die Jahres­entgelte unwirk­sam und Bausparkassen haben sie zu erstatten. Das sehen sämtliche Bausparkassen anders, die solche Vorsorgever­träge im Angebot haben oder hatten: Das Gesetz über Riester­verträge lasse Jahres­entgelte ausdrück­lich zu, schrieben sie uns. Wir halten das nicht für richtig. Die Regeln über Riester­verträge lassen zwar bestimmte Gebühren und auch Jahres­entgelte grund­sätzlich zu. Soweit diese wie zusätzliche Jahres­entgelte bei Bauspar­verträgen als unfaire Benach­teiligung von Kunden erscheinen, sind und bleiben sie nach den allgemeinen Regeln im Bürgerlichen Gesetz­buch aber unwirk­sam.

Bisher noch keine Verjährung

Sämtliche Bausparkassen erstatten unzu­lässige Gebühren nur für die vergangenen drei Kalender­jahre. Das entspricht der allgemeinen Verjährungs­frist. Der Europäische Gerichts­hof urteilte im vergangenen Jahr jedoch: Die Forderung auf Erstattung aufgrund miss­bräuchlicher Klauseln gezahlter Entgelte dürfen nicht verjährt sein, bevor Verbraucher erkennen konnten, dass sie ein Recht auf Erstattung haben.
Europäischer Gerichts­hof, Urteile vom 10.06.2021
Aktenzeichen: C-609/19 und C-776/19 bis C-782/19

Im September dann noch eine Ergän­zung: Auch eine zehnjäh­rige Verjährung ist EU-rechts­widrig, wenn es um Leistungen im Rahmen eines Vertrags mit über zehn Jahren Lauf­zeit geht.
Europäischer Gerichts­hof, Urteil vom 08.09.2022
Aktenzeichen: C-80/21, C-81/21 und C-82/21

Wir denken: Die Forderung auf Erstattung von Jahres­entgelten in der Anspar­phase verjährt frühestens am 31.12.2024.

Debeka muss Service­pauschale erstatten

Inzwischen klarer Fall: Die 2017 für bestehende Verträge neu einge­führte Service­pauschale der Debeka „Für die bauspar­tech­nische Verwaltung und Steuerung des Kollektivs sowie die Führung der Zuteilungs­masse“, so die Kasse, sollten die Sparer je nach Tarif 12 oder 24 Euro im Jahr zahlen. Unwirk­sam, entschied das Ober­landes­gericht Koblenz auf eine Klage der Verbraucherzentrale Sachsen. Es handele sich nicht um eine zusätzliche Leistung für Bausparer.
Ober­landes­gericht Koblenz, Urteil vom 05.12.2019
Aktenzeichen: 2 U 1/19

Land­gericht Hannover untersagt Konto­gebühr der LBS Nord

Auch die Landes­bausparkasse (LBS) Nord durfte im Jahr 2018 kein Konto­entgelt einführen. Das hatte das Land­gericht Hannover auf Antrag des Verbraucherzentrale Bundes­verbands (vzbv) entschieden. Die Bausparkasse hatte das Konto­entgelt von 18 Euro im Jahr in einem Rund­schreiben angekündigt. Als Gegen­leistung erbringe sie „alle Leistungen, die für die Verschaffung der Anwart­schaft auf das zins­sichere Bauspardarlehen erforderlich sind“. Die Richter kritisierten, dass die Bausparkasse mit der Gebühr allgemeine Betriebs­kosten auf den Kunden abwälze. Sie verpflichteten die Bausparkasse, alle betroffenen Kunden über die Unwirk­samkeit der Vertrags­änderung zu informieren – oder das zu Unrecht abge­buchte Geld gleich zu erstatten.
Land­gericht Hannover, Urteil vom 08.11.2018
Aktenzeichen: 74 O 19/18

LBS Nord zieht Berufung zurück

Die LBS Nord ging gegen das Land­gerichts­urteil in die Berufung, zog diese aber nach einem Hinweis­beschluss des Ober­landes­gerichts Celle zurück. Die Richter hatten angekündigt, die Berufung als „offensicht­lich unbe­gründet“ zurück­zuweisen. Mit der Konto­gebühr in der Anspar­phase wälze die Bausparkasse ihre eigenen Aufwendungen unzu­lässig auf die ­Kunden ab.
Ober­landes­gericht Celle, Beschluss vom 27.03.2019
Aktenzeichen: 3 U 3/19

Tipp: Auf unserer Themenseite Bausparen finden Sie Informationen und Tests rund ums Bausparen.

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Kommentarliste

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  • Profilbild Stiftung_Warentest am 06.05.2024 um 08:53 Uhr
    Schlichtung abgelehnt für 2014-2018 (BHW; Gebühr)

    @doerrhoefer: Vielen Dank für den Hinweis! Wir hoffen sehr, dass in diesem Jahr endlich ein Grundsatzurteil kommt, nachdem eine kurz vor Weihnachten angekündigte Verhandlung beim Bundesgerichtshof ausfiel. Vermutlich hat die dort beklagte Sparkasse die Kundin gut bezahlt, damit das Verfahren ohne verbraucherfreundliches Urteil endet...

  • doerrhoefer am 04.05.2024 um 22:24 Uhr
    Schlichtung abgelehnt für 2014-2018 (BHW; Gebühr)

    Rückzahlung der Jahresgebühr bei mehreren BHW-Bausparverträgen wurde gefordert. Der Schlichter hat die Schlichtung für die Jahre 2014 bis 2018 abgelehnt, da die grundsätzliche Rechtsfrage nicht geklärt ist. Für die Jahre vorher wird empfohlen, den Antrag nicht weiter zu verfolgen, da die 10-jährige Verjährung greift und wohl eher nicht durch das EU-Gerichtsurteil in Deutschland ausgehebelt werden dürfte, da diese Verjährung praktisch schon immer in Deutschland gilt (unfachmännisch zusammengefasst).

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 10.04.2024 um 11:59 Uhr
    Jahresentgelt LBS Süd

    @pendolino1942: Vielen Dank für den Hinweis! Dieses Urteil kennen wir noch gar nicht, wir werden es sofort bei Gericht anfordern. Was die Verjährung angeht, sei darauf hinwiesen: Unsere Juristen sind der Auffassung, dass die dreijährige Verjährung erst mit Bekanntwerden der Urteile zu unwirksamen Gebühren begonnen hat, so dass die Bausparkassen auch vor mehr als drei Jahren gezahlte Gebühren zu erstatten haben.

  • pendolino1942 am 10.04.2024 um 11:23 Uhr
    Jahresentgelt LBS Süd

    Die LBS Süd teilt mir mit Eingang gestern mit: Nach der am 28.03.24 gegen die LBS Süd ergangenen Entscheidung des OLG S (Az.: 2 U 207/22) werden wir für den Vertrag kein Jahresentgelt mehr erheben. Wir weisen darauf hin, dass in dieser Entscheidung nur die Ausgestaltung der konkreten Klausel als Preisnebenabrede, nicht jedoch die Erhebung eines Jahresentgelts als solches beanstandet wurde. Rückerstattungsansprüche werden wir unter Berücksichtigung der ges. Verjährungsfristen gutschreiben und rückwirkend verzinsen. Die Rückerstattung ist im nächsten Kontoauszug zu ersehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 26.03.2024 um 10:35 Uhr
    BHW: Verjährung

    @v.tervoort: Diese Argumentation haben wir auch noch nicht gehört. Das niederträchtige daran: Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof das am Ende genau so sieht und ebenfalls der Meinung ist, dass es nach dem Urteil von 2017 ausreichend nahe lag, rechtliche Schritte wegen der Gebühren einzuleiten und daher die Verjährung schon begann. Leider, leider: Es ist nichts zu machen außer abwarten.