Spektakulärer Totalverlust 2022: Der 17 Jahre alte RoRo-Frachter „Felicity Ace“ sank am 2. März des Jahres in Höhe der Azoren. Vermutet wird, dass sich die Lithium-Ionen-Batterie eines Pkw an Bord selbst entzündet hatte und damit einen Großbrand auslöste. 4000 Fahrzeuge waren an Bord und gingen verloren. Der Gesamtschaden wird auf rund 250 Millionen Euro beziffert. Die Crew wurde gerettet, Foto: Marinha PT

E-Autos als neue Gefahrenquelle an Bord

Die verkehrs- und umweltpolitisch gewollte und forcierte Nutzung von Elektrofahrzeugen aller Art birgt auch Risiken in sich. Der Grund: Von den heute in Fahrzeugen verbreiteten Lithium-Ionen-Batterien geht ganz offenkundig eine erhöhte Gefahr der Selbstentzündung aus, was dann wiederum bei einem Seetransport erhebliche Risiken für Schiff, Besatzung und auch die weitere Ladung bedeutet.

Darauf weist der zur Allianz-Gruppe gehörende Unternehmensversicherer Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) in seiner neuen Transport-Sicherheitsstudie hin, die am Mittwoch vorgelegt wurde.

Mit der faktenreichen Studie wird auch diese für die Verkehrswirtschaft wichtige Nachricht kommuniziert: Die Zahl der Schiffsverluste ist auf ein Zwölf-Jahres-Tief gesunken. 2022 sind demnach weltweit 38 Totalverluste von Schiffen zu verzeichnen. Im Jahr zuvor waren es noch 59. Damit nicht genug: 2013 wurden in der weltweiten Schifffahrt noch 109 Totalverluste gemeldet. Anfang der 1990er Jahre war sogar von über 200 Untergängen, Strandungen und Ähnlichem pro Jahr die Rede.

Nach Einschätzung von Justus Heinrich, Leiter der Schifffahrtsversicherung der AGCS in Zentral- und Osteuropa, ist diese Entwicklung auch dem „positiven Einfluss von Sicherheitsprogrammen, mehr Trainings, verbessertem Schiffdesign und strengerer Regulierung“ zu verdanken.

Was die von Lithium-Ionen- Batterien ausgehende, offenkundig erhöhte Brandgefahr betrifft, liegt eine der Hauptgefahren darin, dass diese Lithium-Ionen-Akkus eine „thermische Instabilität“ aufweisen. Heißt: Es drohen Brände, die sich selbst weiter anfachen und sogar Explosionen verursachen können. Die Hauptursachen für solche Brände sind zum einen Produktionsdefekte, zum anderen beschädigte Batteriezellen oder Geräte, eine Überladung oder Kurzschlüsse. Brände in Elektrofahrzeugen sind tückisch, weil sie schwer zu löschen sind und sich spontan wiederentzünden können. Sicherheits-Experte Heinrich: „Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen.“ Und er ergänzt: „Die Branche sollte sich auf vorbeugende Maßnahmen und Notfallpläne konzentrieren, um dieser Gefahr zu begegnen. Dazu gehören zum Beispiel ein adäquates Training der Crews, der Zugriff auf passendes Feuerlösch-Equipment oder auch die Verbesserung von Frühwarnsystemen.“ Vorteilhaft wären zudem Spezialschiffe für den Transport solcher Güter.

Hinsichtlich der regionalen Verteilung der für 2022 erfassten weltweiten Schiffsverluste ergibt sich nach AGCS-Erkenntnissen dieses Lagebild: Südchina, Indochina und Indonesien bilden als maritime Region den weltweiten „Hotspot“ für Schiffsverluste. Das gilt nicht nur für das aktuelle Berichtsjahr, sondern auch für den zurückliegenden Zehnjahreszeitraum. Als wichtige Ursachen für die Häufung von Schiffshavarien in der Region machen die AGCS-Experten den intensiven Handel, stark beanspruchte Häfen, aber auch veraltete Flotten und die Häufung von Wetterextremen aus.

Die AGCS-Experten wagen auch einen Ausblick auf die kommenden Jahre für die Weltschifffahrt. Denn diese beschäftigt sich derzeit intensiv mit der Suche nach neuen, umweltfreundlicheren Antrieben und damit Treibstoffen. Sie könnten auch eine neue Gefahrenquelle für die Schifffahrt darstellen. Kapitän Anastasios Leonburg, Marine Risk Consultant bei AGCS, plädiert dafür, dass „Informationen und Daten“ über die Erfahrungen mit den neuen Treibstoffen „zwischen Unternehmen und Versicherern ausgetauscht werden – von Tests bis zum Einsatz“. Das könnte dabei helfen, „die Risiken“ als Folge der Treibstoff- und Antriebs-Anpassungen in den kommenden Jahren zu senken. EHA

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