In der afrikanischen Mythologie haben Chamäleons einen festen Platz. Als Überbringer göttlicher Botschaften, Todesboten, Träger magischer Heilkräfte oder Unglücksbringer werden sie meist gefürchtet und vielerorts verfolgt. Und auch bei uns ist der Begriff «Chamäleon» für eine anpassungsfähige Person nicht immer positiv besetzt.

Der Grund für die ambivalente Stellung des Reptils liegt sicher in seinem eher bizarren Auftreten. Die unabhängig voneinander agierenden Augen, die in alle Himmelsrichtungen gleichzeitig zu blicken scheinen, wirken ebenso unheimlich wie die blitzschnell hervorschiessende Zunge und die Eigenschaft der Tiere, ihre Farbe wechseln zu können.

Lange ging man davon aus, dass sich Chamäleons farblich ihrer Umgebung anpassen, um sich zu tarnen. Der Schweizer Chamäleonexperte Markus Grimm räumt mit diesem Irrglauben auf: «Chamäleons haben keine Ohren und hören über ihre Gehörgänge nur tiefe Töne. Sie verlassen sich bei der Kommunikation also ganz auf ihren Sehsinn. Der Farbwechsel dient genau dazu.» Chamäleons wechseln ihre Farbe primär während der Paarungszeit oder wenn sie gestresst sind.

Auch trächtige Weibchen haben eine andere Färbung und signalisieren so den Männchen, dass ihre Balzbemühungen vergeblich sind. Die Fähigkeit, ihre Farben zu ändern, verdanken die Reptilien Farbzellen, die in Schichten unter der Hauptoberfläche liegen. Um eine andere Farbe anzunehmen, werden die in den Zellen enthaltenen pigmenthaltigen Organellen neu angeordnet, sodass das Licht je nach Stelle unterschiedlich reflektiert wird.

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Anspruchsvoll und bewilligungspflichtig

Solche aussergewöhnlichen Eigenschaften sind mit ein Grund, warum sich auch private Tierhalter für Chamäleons interessieren. Wer eins der faszinierenden Reptilien zu Hause halten möchte, muss eine Schulung machen, um den entsprechenden Sachkundenachweis zu erhalten. Chamäleons gelten in der Schweiz als Wildtiere und sind bewilligungspflichtig. Seit dem Jahr 2008 ist ein Sachkundenachweis obligatorisch. Solche Schulungen bietet Markus Grimm an. «Manche Besucherinnen und Besucher meines Kurses wollen danach kein Chamäleon mehr halten. Denn die Haltung ist wesentlich anspruchsvoller, als man vielleicht vermuten mag», erklärt der Experte.

So gäbe es zum Beispiel keine Anfängerarten. «Es gibt lediglich einfachere Arten und komplizierte Arten, je nachdem, wie der natürliche Lebensraum der Tiere aussieht», so Grimm. Nebst dem theoretischen Hintergrund vermittelt der Spezialist auch technisches Verständnis. «Um Chamäleons zu halten, muss man zum Beispiel Klimatabellen lesen können. Dabei spielt nicht nur das Klima im Herkunftsgebiet eine Rolle, sondern auch das Klima des Lebensraums.»

Die Tiere, die sich gerne im Laub auf dem Boden aufhalten, brauchen eine andere Temperatur und Luftfeuchtigkeit als baumlebende Arten. Zudem spiele es eine Rolle, ob das Chamäleon eine Abkühlung während der Nacht braucht und ob es Winterruhe hält und dafür saisonal ein anderes Klima benötigt.

Das in Madagaskar heimische Pantherchamäleon (Furcifer pardalis) ist diesbezüglich eine relativ einfache Art. Das Tier wird tagsüber mit einer geeigneten Lampe bestrahlt, nachts reicht Zimmertemperatur. «Gerade Licht ist für Chamäleons total wichtig», betont Grimm. Chamäleons sind Tetrachromaten, besitzen also vier verschiedene Farbrezeptoren. Damit können sie auch Ultraviolettstrahlung sehen, weswegen das in den Terrarien verwendete künstliche Licht dem Sonnenlicht möglichst ähnlich sein muss.

«Lediglich Metalldampflampen in der richtigen Kombination mit LED sind geeignet», fand Grimm in einem Experiment heraus. Das würde auch dem gefürchteten Vitamin-D3-Mangel vorbeugen. «Oft wird geraten, die gefütterten Insekten mit Vitaminpulver zu bestäuben. Damit wird die Dosierung jedoch schwierig. Mit dem richtigen Licht wird Vitaminpulver überflüssig.»

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Das richtige Gespür für die Art

Grundsätzlich braucht man für die Chamäleonhaltung ein gutes Gespür für das Tier. «Ein Tier, das sichtlich krank ist, ist praktisch schon tot», so Markus Grimm. Dieses Gespür kann man nicht lernen, muss es aber während den Beobachtungen täglich anwenden. Lange ging man zum Beispiel davon aus, dass auch das Jemen-Chamäleon (Chamaeleo calyptratus) ein einfach zu haltendes Tier sei, da es einem laut Grimm relativ viel an kleinen Fehlern verzeihen würde.

«Dabei ist das Jemen-Chamäleon eine Bergart mit schwierigen Klimaanforderungen. Ausserdem liest man oft, dass man ihm zwischendurch Löwenzahl, Erdbeeren oder Gurke geben soll. Die Tiere sind aber reine Insektenfresser und können pflanzliche Nahrung gar nicht verdauen.»

Jemen-Chamäleons würde in ihrem natürlichen Lebensraum lediglich für das in Pflanzen enthaltene Wasser interessieren, denn dort bleibt für etwa drei Monate der Regen aus. Bei der Heimhaltung haben die Reptilien jedoch ständig Zugang zu Wasser, was das Problem umgeht. Chamäleons trinken kaum aus Näpfen. In der Natur lecken die Tiere den Morgentau von Blättern und versorgen sich so mit ausreichend Frischwasser.

Das unregelmässige Besprühen der Einrichtung ist die optimale Variante, um den Wasserhaushalt der Chamäleons abzudecken. Dass das Reptil Durst hat, sieht man anhand der eingefallenen Stirnhöcker. Ein gängiger Fehler in der Haltung ist allerdings, das Terrarium zu feucht zu halten. Das begünstigt Krankheiten wie Pilzinfektionen und kann auch die regelmässige Häutung der empfindlichen Tiere stören.

Die Steinschleuder im Maul

Vom täglichen Versorgungsaufwand her halten sich Chamäleons im Rahmen. Gefüttert wird nicht jeden Tag, sondern nur etwa dreimal pro Woche. Das begünstigt die Verdauung und verhindert, dass Chamäleons übergewichtig werden. Die lebenden Beutetiere fängt das Chamäleon mit seiner elastischen Zunge. «Diese ist feucht, aber nicht klebrig», räumt Grimm mit einem weiteren gängigen Irrglauben auf.

«Nebst der durch die Feuchtigkeit entstehenden adhäsiven Kraft umgreift die Spitze der Zunge die Beute auch, sodass sie blitzschnell ins Maul des Chamäleons gezogen werden kann.» Das wichtige Organ erreicht die doppelte Körperlänge des Tieres und funktioniert mit einer Art Steinschleudermechanismus, welcher bei allen Arten genau gleich ist.

Schon gewusst?
Chamäleons besitzen eine Sehkraft von 30 bis 45 Dioptrien und können somit zwischen drei Zentimetern und einem Kilometer scharf sehen, ohne nachfokussieren zu müssen. Wenn sich die Augen unabhängig voneinander bewegen, wird jeweils nur mit dem stillstehenden Auge in eine Richtung geschaut. Entdeckt das Chamäleon dabei etwas Interessantes, etwa ein Beuteinsekt oder ein anderes Chamäleon, so folgt in der Regel das andere Auge in dieselbe Richtung. Durch die seitlich am Kopf sitzenden Augäpfel haben die Reptilien praktisch einen Rundumblick. Lediglich auf den Kopf und auf eine kleine Stelle am Rücken kann das Tier nicht blicken.

Die Familie der Chamäleons besteht aus über 200 Arten, die meisten sind auf dem afrikanischen Kontinent zu Hause. Doch auch in Europa bekommt man die faszinierenden Reptilien mit etwas Glück zu Gesicht: Das Gewöhnliche Chamäleon (Chamaeleo chamaeleon) lebt in Nordafrika und entlang der Mittelmeerküste der Iberischen Halbinsel, auf Malta, in Griechenland und der Türkei.

Auf der Peloponnes findet man zudem vereinzelte Exemplare des Basiliskenchamäleons oder Afrikanischen Chamäleons (Chamaeleo africanus). Beide Arten wurden vermutlich von Menschen eingeschleppt, denn ursprünglich wären sie in Europa gar nicht heimisch.

Markus Grimms Lieblings-Chamäleon ist das Tigerchamäleon (Archaius tigris). «Ich bin ihm auf den Seychellen begegnet und war erstaunt, dass praktisch nichts über diese Tiere bekannt ist.» In einem aufwendigen behördlichen Verfahren brachte der Experte einige Exemplare dieser Art zu sich in die Schweiz und beobachtete ihre Biologie über mehrere Jahre. Am Ende widmete er dem Tier sogar ein ganzes Buch.

Heute hält der pensionierte Reptilienfachmann selbst keine Chamäleons mehr. «Die Haltung ist mit der Ausstattung, dem Strom und Futter teuer. Ausserdem geniesse ich es momentan mehr, flexibel zu sein und die Tiere in der freien Natur besuchen zu können.» Die nächste Reise ist bereits geplant, sie geht nach Apulien, in den Süden Italiens, auf die Suche nach dem Europäischen Chamäleon.