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„Ich denke, ich komme von einem anderen Stern"

Die Hände strecken will Verbandsfußballwart Jürgen Radeck keineswegs. Aber auch er denkt in Zeiten der wieder aufflammenden Pandemie an die Vereine und ist um engen Austausch bemüht. Foto: Rolff
Die Hände strecken will Verbandsfußballwart Jürgen Radeck keineswegs. Aber auch er denkt in Zeiten der wieder aufflammenden Pandemie an die Vereine und ist um engen Austausch bemüht. © Rolff

Bremen und das Saarland sind gestern vorangeprescht und haben großflächig den Spielbetrieb niedergelegt. In Hessen soll es vorerst nicht so weit kommen, erklärt Verbandsfußballwart Jürgen Radeck im Gespräch.

Jürgen, wie wahrscheinlich ist es, dass wir am Wochenende noch Fußball spielen?

Wenn wir morgen telefonieren, könnte die Lage natürlich schon wieder eine andere sein. Aber sofern es keine behördliche Verfügung gibt, werden wir nicht von uns aus absagen, sondern spielen.

In manchen hessischen Regionen aber ohne Zuschauer. Ist das noch zielführend?

Jeder Verein muss die eigenen Kosten deckeln können. Und dies ist ohne Zuschauer ein großes Problem. Hier geht es gar nicht mal um die 500 Euro für den Trainer im Monat, sondern um elementare Dinge wie Gas, Wasser oder Öl, die für den Verein deutlich höher sind, wenn der Spielbetrieb läuft – ob mit oder ohne Zuschauer. Und die Vereine haben durch die Hygienebestimmungen ohnehin schon arg gelitten. Viele haben die Sporthäuser komplett geschlossen, manche verzichten auf Essen. Es gab keine Sport- oder Oktoberfeste. Es fehlt Geld in den Kassen.

Also bist du der Meinung, dass Fußball ohne Zuschauer keinen Sinn macht.

Fußball ohne Zuschauer ist kein richtiger Fußball. Das ist in der Bundesliga so, das ist in der Kreisliga so. Am Samstag werden wir hierzu die 32 Kreisfußballwarte in einer turnusmäßigen Sitzung befragen. Aber es stellt sich so oder so die Frage, inwiefern die Amateurvereine eine erneute Unterbrechung oder das Spielen ohne Zuschauer verkraften. Manche werden es, so ehrlich müssen wir sein, nicht überleben können. Ob in der Hessen- oder in der Kreisliga.

Aber solange es keine behördlichen Auflagen gibt, die alle Zuschauer aussperren, würdest du die Weiterführung des Spielbetriebs präferieren?

Auf jeden Fall. Meiner Meinung nach ist ein Fußballspiel ohnehin vollkommen unproblematisch hinsichtlich einer Infizierung. Es ist deutschlandweit noch kein Fall bekannt, bei dem ein Spieler den anderen auf dem Spielfeld angesteckt hat. Auch die Forscher sagen, dass das quasi ausgeschlossen ist. Das Problem liegt nicht auf, sondern neben dem Platz.

Wie meinst du das?

Ich denke manchmal, dass ich von einem anderen Stern komme oder Kukanesisch spreche, wenn ich am Sportplatz Zuschauer dazu auffordere, dass sie mal ein Stück auseinandergehen sollen. Es interessiert keinen Menschen. Ganz viele trinken ihr Bierchen genauso eng an eng wie vor einem Jahr. Und da war noch kein Corona. Die Zuschauer sind schlicht auch selbst in der Pflicht, ihren Teil beizutragen.

Und wie sieht deine Idealvorstellung aus?

In Stadtallendorf wurde sich die Mühe gemacht, alle 1,50 Meter voneinander mit der Spraydose ein Kreuzchen zu malen. Dort darf man dann stehen, aber woanders nicht. Geht es beispielsweise so vonstatten, passiert auch abseits des Platzes nichts.

Du selbst wolltest eigentlich schon längst aus dem Amt ausgeschieden sein, jetzt wurde der Verbandstag erneut auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben. Nervt dich das?

Ach, wir machen eigentlich nur noch Späße darüber. Mein Sohn hat schon gesagt, dass ich wahrscheinlich eher beerdigt werde, als dass ich aus dem Amt ausscheide. Aber keine Angst: Im engen Austausch mit meinem Stellvertreter Matthias Bausch bin ich gewillt, diese kritische Situation für den Amateurfußball bestmöglich zu lösen.

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