Jahrgang 2007 Nummer 23

Die Fluchtburg der Salzburger Erzbischöfe

An der Festung Hohensalzburg wurde viele Jahrhunderte gebaut

Blick vom Kapuzinerberg auf die Festung Hohensalzburg.

Blick vom Kapuzinerberg auf die Festung Hohensalzburg.
Die Ostseite der inneren Festung.

Die Ostseite der inneren Festung.
An der Festung sind verschiedene Baustile zu erkennen.

An der Festung sind verschiedene Baustile zu erkennen.
Wie eine prachtvolle Theaterkulisse erhebt sich über der Stadt Salzburg die weithin sichtbare Festung Hohensalzburg. Die einzigartige Lage auf dem 200 Meter langen und 100 Meter breiten Dolomitenfelsen, der nach drei Seiten steil abfällt, hat das mit vielen Mauern, Erkern, Rondellen, Türmen und Bastionen ausgestattete Bauwerk viele jahrhundertelang zum uneinnehmbaren Zufluchtsort für den Landesherrn und die Bürger der Stadt gemacht. Hinter der Festung steigt der stolze Felsgipfel des Salzburger Hochthrons auf mit dem Geiereck und den massigen Felswänden des Untersberges, weiter im Süden folgen die majestätischen Berge des Hagen- und des Tennengebirges.

Die Geschichte der Festung ist aufs engste verbunden mit der Geschichte der Stadt Salzburg. Auf dem Festungsberg und auf der Nonnbergterrasse überstanden Gruppen der römischen Stadtbevölkerung die Stürme der Völkerwanderung. In der Zeit der Agilolfinger befand sich schon im siebten nachchristlichen Jahrhundert am Festungsberg die »obere Burg«. Der Historiker Heinz Dopsch beschreibt sie als eine befestigte Hochsiedlung oder eine »Oberstadt«, die den Nonnberg in ihre Mauern einbezog. Der befestigte Ort diente den Agilolfingern als Basis für die Ausweitung ihrer Macht nach Süden und für die organisatorische Erfassung der einstigen Provinz Noricum. Seit dem Ende des 7. Jahrhunderts residierte Theodbert, der älteste Sohn von Herzog Theodo, in Iuvavum, wie die römische Bezeichnung für Salzburg lautete, und unterstützte von hier aus seinen Vater in Regensburg als Mitregent in ganz Bayern. Der Herzogsitz selbst dürfte aus einem ebenerdigen Gehöft bestanden haben, das von einem hölzernen Palisadenzaun umgeben war, das aber keinerlei Spuren hinterlassen hat.

Die Anfänge der Festung in ihrer heutigen Gestalt führen zurück in die Zeit des Investiturstreits, als Papst und Kaiser das Recht auf die Ernennung der Bischöfe jeweils für sich beanspruchten. Der papsttreue Erzbischof Gebhard ließ im Jahre 1077 zur militärischen Sicherung seines Hoheitsgebietes die ersten steinernen Wehrbauten am Festungsberg errichten. Von diesem ersten Bauabschnitt haben sich – nach neuen bautechnischen Untersuchungen – massive Mauern von zwei Metern Höhe erhalten, die bei späteren Erweiterungen miteingebaut wurden. Von nun an verging kein Jahrhundert, in dem der weitere Ausbau der Hohensalzburg nicht weitergeführt wurde, bis die Festung allmählich ihre heutige Gestalt erhielt.

Erzbischof Burkhard von Weißpriach ließ im Jahre 1465 vier Rundtürme errichten, von denen der Glockenturm, der Trompetenturm und der Arrestantenturm bis heute stehen. Am Trompetenturm, auf dem früher die Feuerwächter nach etwaigen Brandherden Ausschau hielten, war im 2. Weltkrieg die Alarmsirene postiert und forderte die Bevölkerung der Stadt beim Nahen feindlicher Flugzeuge auf, sich in den Luftschutzbunkern in den heutigen Mönchsberggaragen in Sicherheit zu bringen.

Die größten Um-, An- und Ausbauten erlebte die Hohensalzburg an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert unter dem Fürsterzbischof Leonhard von Keutschach. Damals entstanden die äußere Ringmauer vom Trompetenturm bis zur Roßpforte, neue Torbauten an der Auffahrt, der Keutschachbogen, die Leonhardskapelle, der Lastenaufzug (»die Reise«) mithilfe einer 300 Meter langen Seilbahn und die Walzenorgel »Salzburger Stier«. Vor allem aber stattete er den sogenannten Fürstenstock mit den Wohn- und Repräsentatinosräumen prunkvoll aus. Die Festung war als Fluchtburg für unsichere Zeiten gedacht, sei es vor Angriffen von Feinden, sei es im Falle von Aufständen im Inneren. In der »Goldenen Stube« steht der prächtigste Kachelofen Österreichs aus der Zeit der Spätgotik. Jede der bunt glasierten Kacheln ist ein Kunstwerk für sich mit Darstellungen von Christus, den Aposteln und Szenen aus der Heilsgeschichte, mit Heiligenfiguren, Wappen und Ornamenten. Der Ofen thront auf einer niedrigen, von fünf Löwen getragenen Platte, auf einem Sims zwischen zwei Fabeltieren ist die Jahreszahl 1501 zu lesen. Die Zimmertüren und -wände, deren kostbare Seiden- und Ledertapeten von Napoleon als Beute mitgenommen wurden, sind mit bemalten Holztafeln verkleidet und mit vergoldeten Schnitzereien verziert. Immer wieder sieht man das Rüben-Wappen des Keutschachers, insgesamt soll er sich auf diese Weise auf der Festung über fünfzig Mal verewigt haben.

Die Goldene Stube war der Schauplatz eines üblen Streichs, den sich der Erzbischof gegenüber dem Bürgermeister und den Stadträten von Salzburg leistete. Aus Ärger darüber, dass sie danach trachteten, immer neue Privilegien an sich zu ziehen, ja dass sie sogar ihre Stadt unmittelbar dem Kaiser unterstellen wollten, lud er sie am 22. Januar 1511 zu seiner Hoftafel ein. Sie erschienen festlich gewandet und fanden zwar Teller, aber kein Besteck auf den Tischen, und auf jedem Teller lag nur ein Stück Brot. Plötzlich wurden Türen und Tore abgesperrt und der Erzbischof »trat mit ergrimmten Angesicht und glühenden Augen ein, flankiert von schwer bewaffneten Trabanten«, schreibt ein Chronist. Er hielt den überraschten Gästen eine grimmige Strafpredigt, dann ließ er sie jeweils zu zweit mit den Rücken aneinander gebunden auf Schlitten verfrachten und über Werfen nach Radstatt bringen. Sie wurden vom Scharfrichter mit dem Richtschwert begleitet, dass sie schon um ihre Leben fürchteten. Als sie zitternd vor Angst und Kälte in Radstatt ankamen, war ihr Widerspruchsgeist gebrochen. Sie verzichteten auf den alten Ratsbrief, der ihnen eine Reihe Privilegien gewährt hatte und unterschrieben eine neue Stadtordnung, mit der sie sich völlig dem Landesherrn unterordneten.

Das Prunkstück des Fürstentrakts ist der Goldene Saal, so benannt nach der Holzdecke mit vergoldeten Knöpfen, die auf vier herrlichen gedrechselten Säulen aus Untersberger Marmor ruht. Eine Säule ist in halber Höhe deutlich angeschrammt. Die Beschädigung stammt aus dem Salzburger Bauernaufstand anno 1525, als sich die Bauern gegen das strenge Regiment des Erzbischofs Matthäus Lang auflehnten und drei Monate die Festung belagerten. Damals durchschlug eine Geschützkugel das Fenster des Saales und streifte eine Säule. Hätte sie voll getroffen, dann wäre wohl die Decke eingestürzt und hätte gewaltigen Schaden angerichtet.

Ebenfalls in die Zeit des Bauernaufstands führt die Sage von den Stierwaschern. Die Belagerer hatten vor, die Festung auszuhungern. Um ihnen vorzutäuschen, dass die Nahrungsvorräte noch lange ausreichen würden, ließ der Festungskommandant auf der oberen Bastion jeden Tag den einzigen, noch übrig gebliebenen Stier herumführen, der einmal braun, einmal schwarz oder gefleckt angemalt war. Danach mussten die Knechte den Stier wieder eilig abwaschen, weshalb sie die Stierwascher genannt wurden.

Ein trauriges Geschick erfüllte sich in den Prunkräumen der Festung knapp hundert Jahre später. Sie wurden für fünf Jahre zum Gefängnis für den eigenwilligen Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau. Sein Sturz und die erzwungene Abdankung waren weniger seiner Liebe zur schönen Patriziertochter Salome Alt, als vielmehr seiner Politik zuzuschreiben, mit der er sich den bayerischen Kurfürsten zum Feind machte. Nach seinem Überfall auf die Propstei Berchtesgaden wurde Wolf Dietrich gefangen genommen, und im Einvernehmen mit dem Papst und dem Salzburger Domkapitel auf die Festung verbannt. Bittgesuche um Befreiung an alle möglichen Stellen blieben erfolglos. Zermürbt ergab er sich schließlich in sein Los. Er starb nach einem epileptischen Anfall im 58. Lebensjahr. Sein Nachfolger ließ ihn mit allem Pomp am St. Sebastians-Friedhof bestatten.

Unter Erzbischof Paris Lodron erhielt die Hohensalzburg im 17. Jahrhundert ihre heutige Gestalt. Paris Lodron ließ die Dächer aller Bauten abflachen, legte neue Bastionen und sternförmig vorspringende Vorwerke im Westen an und baute die nördlichen Sperrbogen mit den zugehörigen Verbindungsmauern. Aber es dauerte nicht lange und der Festungsbau verlor durch die moderne Kriegs- und Waffentechnik immer mehr an Bedeutung. Als das geistliche Fürstentum Salzburg im Jahre 1803 säkularisiert wurde, musste man nach einer neuen Verwendung für die Festung suchen. Abwechselnd diente sie als Kaserne, als Militärdepot und als Gefängnis. Der Plan, in ihren Räumen ein großes Hotel einzurichten blieb ebenso unausgeführt, wie der im Stadtparlament diskutierte Vorschlag, sie abzubrechen und mit ihren Steinen die Salzach zu regulieren.

Heute ist die Festung Hohensalzburg ein Top-Ziel für die Salzburg-Besucher aus aller Welt. Sie kann zusammen mit dem angeschlossenen Festungs- und dem Rainer-Regimentsmuseum in den Sommermonaten täglich von 9 bis 19.30 Uhr besichtigt werden. Führungen beginnen jede halbe Stunde.

Julius Bittmann



23/2007