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Ganz viel Cannabis: Münchens außergewöhnlichste Apotheke – Kundenzahlen explodieren

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Eingangsbereich in die Cannabis-Fachapotheke am Königsplatz in München
Der Cannabis-Fachbereich in der Apotheke am Königsplatz. Ab hier dreht sich alles um die Hanfpflanze. © Schwaninger

Am Königsplatz hat im Februar eine außergewöhnliche Apotheke eröffnet. Ihr Fokus liegt auf Cannabis. Seit der Legalisierung hat sich die Kundenzahl vervierfacht.

München – Wer bei der Apotheke am Königsplatz in München anruft, landet erst einmal bei einem virtuellen Mitarbeiter. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Die Durchwahl mit der Nummer Eins führt zur Helios Cannabis GmbH. Wer die Zwei auf dem Tastaturfeld drückt, wird zur Apotheken-Hotline weitergeleitet. Ist die Reihenfolge Zufall? Oder doch ein kleiner Fingerzeig, dass Cannabis in dieser Apotheke eine prominente Rolle einnimmt? Wer den Laden in der Brienner Straße betritt, findet schnell eine Antwort.

Sitzecken, Fernseher und Kiffer-Mucke: Apotheke am Königsplatz geht neue Wege

Schon von außen sticht die Apotheke ins Auge. Auf den Fenstern prangt das Logo von „Helios Cannabis“. Es ist nicht zu übersehen. Beim Hineingehen öffnen sich die beiden Schiebetüren automatisch. Dann steht man in einem kleinen Eingangsbereich, der wie eine Apotheke aussieht. Rechts stehen zwei Verkaufstresen, dahinter stehen in zwei Regalen Medikamente, die jeder kennt. Aspirin, Ibuprofen und Co. Viele Menschen fragen sich, wie oft man solche rezeptfreien Schmerzmittel einnehmen kann.

Doch etwas ist anders. Zum einen der Duft, der sofort in die Nase steigt. Leicht süßlich. Er kommt von dem Bereich im Gebäude, der weit mehr Platz als die klassische Apotheke einnimmt. Links stehen weiß-graue Sofas, dazwischen grüne Zimmerpflanzen. In einem der Fernseher diskutieren zwei Männer über die Cannabis-Kultur in Hawaii. Im Hintergrund ertönt das, was man wohl als Kiffer-Musik bezeichnen würde: langsame Melodie im typischen Reggae-Offbeat. Die Menschen, die hierherkommen, sollen sich wohlfühlen. Schließlich bringen sie alle gesundheitliche Probleme mit in die Apotheke.

Folgen der Legalisierung: Cannabis darf aus dem Tresor, Kundenzahlen schnellen nach oben

Lockerheit verbreitet auch Manuel Käsche, einer der beiden Geschäftsführer. In Jeans und weißem Hoodie – natürlich mit Firmenlogo auf der Brust – eilt er die Treppe herunter. „Heute ist es wieder stressig“, sagt der 29-Jährige im Vorbeigehen. Inzwischen Dauerzustand. Seit der Cannabis-Legalisierung zum 1. April explodiert die Kundenzahl im Cannabis-Fachbereich. Im März seien es im Schnitt 30 Menschen pro Tag gewesen, aktuell seien es bis zu 130. Tendenz steigend. Was nach wie vor gilt: Cannabis gibt es in der Apotheke nur gegen Rezept.

Die Ärzte könnten diese nun leichter ausstellen, meint Käsche. War die Hanfpflanze seit 2017 oft das letzte Mittel bei langwierigen Erkrankungen, wird es jetzt auch bei unterschiedlichsten Beschwerden wie zum Beispiel Stress verschrieben. Für die Inhaber hat sich die Lagerung vereinfacht. Weil Cannabis vor zwei Monaten noch als Betäubungsmittel galt, durften sie es nur in speziell gesicherten Schränken aufbewahren. Die Herausgabe mussten sie genau dokumentieren. Mit der Legalisierung fielen Hürden weg.

34-jähriger Münchner ist Kunde in der Cannabis-Apotheke: Früher kaufte er bei Dealern

Der leichtere Zugang zu Cannabis hat auch einen 34-Jährigen in die Apotheke am Königsplatz geführt. Der Münchner leidet an einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS). Am besten habe er es schon immer mit Cannabis in den Griff bekommen. Weil er Angst vor Reaktionen aus seinem Umfeld hatte, besorgte er es lange auf der Straße. Dort machte er aber mit gestreckten Produkten schlechte Erfahrungen. Nun sitzt er im grauen Buseinesshemd auf einem der Sofas und wartet darauf, sein Rezept einzulösen.

Eine Sitzecke weiter hat eine 36-jährige Frau im schwarzen Pullover Platz genommen. Die Kapuze über die langen dunklen Haare gezogen, erzählt sie von gesundheitlichen Beschwerden. Depressionen und diverse psychische Probleme würden ihr Leben seit langer Zeit stark beeinträchtigen. Das einzige, was ihr helfe, sei Cannabis. „Es hat mein Leben verändert“, sagt sie. Deshalb ist sie an diesem Tag extra aus einem Nachbarlandkreis angereist. In München ist der Konsum von Cannabis an einigen Orten nicht erlaubt.

Sitzecke in der Cannabis-Apotheke am Königsplatz in München.
Eine von mehreren Sitzecken. Auf den Sofas werden die Kunden über Cannabiskonsum aufgeklärt. © Schwaninger

Viele Kunden konsumieren zum ersten Mal Cannabis – Menschen wollen beraten werden

Unter den Menschen, die nun so zahlreich in die Cannabis-Abteilung strömen, sind auch viele Erstkonsumenten. Im Gepäck haben sie oft zahlreiche Fragen. Zum Start der Urlaubssaison kam die Frage auf, ob Cannabis mit ins Flugzeug darf. Käsche und sein Geschäftspartner Leon Glowna haben sich bei der Eröffnung im Februar 2024 volle Transparenz auf die Fahnen geschrieben. „Wir fühlen uns verpflichtet, alle Kunden sorgfältig aufzuklären“, betont Käsche. Deshalb gibt es in der Filiale auch die Sitzecken. Beratungsgespräche gehen oft länger als eine Viertelstunde.

Wir fühlen uns verpflichtet, alle Kunden sorgfältig aufzuklären.

Manuel Käsche, Geschäftsführer

Käsche könnte stundenlang über Cannabis sprechen. Die Wirkung der Hanfpflanze interessiert den Pharmareferenten schon seit Jahren. So sehr, dass er dafür einst rund 10.000 Kilometer Luftlinie zurücklegte. 2016 reiste er nach Kalifornien. Oder wie er es nennt: „Cannabis-Mekka.“ Dort besuchte er eine Privatuni und bildete sich in Kursen zur medizinischen Anwendung fort. Der 29-Jährige möchte wissen, was er da an seine Kunden herausgibt. Jede Lieferung nimmt er zuerst einmal unter die Lupe. Wortwörtlich. Im Untergeschoss gibt es dafür eine Art Labor.

Geschäftsführer Manuel Käsche testet mit einem Mikroskop die Cannabis-Produkte.
Manuel Käsche nimmt die Cannabis-Produkte unter die Lupe. Unter dem Mikroskop testet er die Qualität. © Schwaninger

Cannabis-Apotheke soll weiter wachsen

Auch wenn der aktuelle Ansturm Manuel Käsche und seine Kollegen voll auslastet, schmiedet er bereits Pläne für die Zukunft. Das Konzept einer gewöhnlichen Apotheke mit einem separaten Cannabis-Fachbereich will er ausweiten. Womöglich auch an Standorten außerhalb Bayerns. In München sei die Umsetzung derzeit einzigartig, sagt der 29-Jährige.

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Bis zu 15 Mitarbeiter sind an manchen Tagen tätig. Und das ist womöglich erst der Anfang. Die Filiale am Königsplatz soll weiter wachsen. Dabei ist sie schon jetzt außergewöhnlich groß. Manuel Käsche zeigt, wie viele Räume sich hinter den insgesamt 800 Quadratmetern verbergen. Viele davon stehen noch leer.

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