Kontroverse Diskussion um biologisch abbaubare Kunststoffe hält an
Nicht für jede Anwendung

14.11.2019 Biokunststoffe werden als mögliche Alternative zu konventionellen Kunststoffen betrachtet, doch deren Entsorgung und ihr Abbauverhalten in der Natur oder in industriellen Anlagen werden sehr kontrovers diskutiert. Die biologische Abbaubarkeit einerseits und die Vermüllung der Umwelt stehen hier im Konflikt.

Die biologische Abbaubarkeit sogenannter biologisch abbaubarer Kunststoffe (BAK) wird gerne als Lösung des Littering-Problems durch Kunststoffabfälle in der Natur angesehen; Praxisversuche zeigen jedoch die Grenzen der Abbaubarkeit von BAK.
© Foto: Pixabay / Ben Kerckx
Die biologische Abbaubarkeit sogenannter biologisch abbaubarer Kunststoffe (BAK) wird gerne als Lösung des Littering-Problems durch Kunststoffabfälle in der Natur angesehen; Praxisversuche zeigen jedoch die Grenzen der Abbaubarkeit von BAK.
Kunststoffe, die in der Natur abgebaut werden – hört sich gut an. Doch was heißt das ganz konkret?

Als biologisch abbaubar wird ein Kunststoff bezeichnet, der durch Mikroorganismen unter Sauerstoffzufuhr in Kohlenstoffdioxid, Wasser, mineralische Salze und Biomasse bzw. ohne Sauerstoffzufuhr in Kohlenstoffdioxid, Methan, mineralische Salze und Biomasse, umgewandelt werden kann. Kompostierbar sind biologisch abbaubare Produkte, wenn der vollständige Abbau im Kompost in vergleichsweise kurzer Zeit stattfindet. Die Rohstoffbasis von BAK kann sowohl biogen als auch erdölbasiert sein – insofern vermischen sich oft die Begrifflichkeiten.

Um als biologisch abbaubar zu gelten, muss das Kunststoffprodukt geprüft und zertifiziert sein. Die Dauer des biologischen Abbaus wird von verschiedenen Umgebungsbedingungen wie etwa dem Umweltkompartiment, der Temperatur, der Feuchtigkeit oder dem pH-Wert beeinflusst. Aus diesem Grund existieren aktuell unterschiedliche Zertifizierungsverfahren für bestimmte Kompartimente oder Entsorgungswege. Zertifiziert werden können sowohl Werkstoffe als auch Produkte, sofern alle Anforderungen der entsprechenden Zertifizierungsprogramme und zugehörigen Normen erfüllt werden. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Anforderungen der biologischen Abbaubarkeit sowie der Desintegration. Je nach Norm sind jedoch unter anderem auch Anforderungen an die chemische Charakterisierung und Keimungsraten zu erfüllen.

Aus ökobilanzieller Sicht ist im Einklang mit der Gesetzgebung (§ 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz) stets eine Vermeidung, Wiederverwendung oder ein Recycling (werkstofflich, rohstofflich) von Kunststoffen anzustreben. Grundsätzlich ist der biologische Abbau von Kunststoffen erst dann vorteilhaft, wenn durch die Eigenschaft der biologischen Abbaubarkeit ein Zusatznutzen entsteht. Das ist jedoch nur sehr selten der Fall.

Separate Erfassung unwirtschaftlich

Aufgrund der geringen Mengen an BAK werden die separate Erfassung und ein anschließendes Recycling von Post-Consumer BAK-Abfällen aus wirtschaftlichen Aspekten, trotz technischer Machbarkeit, zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland nicht verfolgt. Vielmehr werden BAK, welche in Recyclingströme konventioneller Kunststoffe gelangen, vor dem Recyclingprozess aussortiert und energetisch verwertet.

Die energetische Verwertung ist besonders für stark verschmutze Stoffe sinnvoll, die keinem sinnvollen Recycling mehr zugeführt werden können. Bei der Mitverbrennung von BAK in Siedlungsabfallverbrennungsanlagen gibt es keine Probleme oder Einschränkungen, weshalb diese Verwertungsoption heute bereits großflächig durchgeführt wird.

Zur industriellen Kompostierung sind aktuell in Deutschland laut Bioabfallverordnung (BioAbfV) nur BAK-Abfälle in Form von Beuteln zur Sammlung von Bioabfall (sofern diese nach EN 13432 zertifiziert sind und aus überwiegend nachwachsenden Rohstoffen bestehen) sowie BAK-Abfälle der Landwirtschaft, des Gartenbaus, der Teichwirtschaft, der Forstwirtschaft, der Jagd und der Fischerei, sowie Mulchfolien zugelassen. Für diese ist jedoch der Abbau im Boden vorgesehen und die industrielle Kompostierung irrelevant.

Rahmenbedingungen zur Sammlung und Aufbereitung haushaltsnaher Abfälle können durch kommunale Satzungen definiert bzw. eingegrenzt werden. So besteht die Möglichkeit, dass BAK-Abfälle zwar laut BioAbfV zur industriellen Kompostierung zugelassen sind, dies nach kommunaler Abfallsatzung jedoch untersagt wird.
Die Rohstoffbasis von BAK kann sowohl biogen als auch erdölbasiert sein; um als biologisch abbaubar zu gelten, muss ein Kunststoff entsprechend geprüft und zertifiziert werden. © Foto: Ramboll Environment & Health GmbH
Die Rohstoffbasis von BAK kann sowohl biogen als auch erdölbasiert sein; um als biologisch abbaubar zu gelten, muss ein Kunststoff entsprechend geprüft und zertifiziert werden.

Der größte Vorteil der Nutzung von entsprechend zertifizierten Bioabfallbeuteln aus BAK wird in einer gesteigerten Menge an erfasstem Bioabfall zur Verwertung gesehen und damit einer Reduktion des Bioabfalls im Restmüll. Dies ergibt sich durch einen erhöhten Komfort für Verbraucher bei Sammlung und Transport des Bioabfalls zur Tonne im BAK-Beutel. Eine Vielzahl an Studien zeigen eine Steigerung der Bioabfallmenge von bis zu 50 Prozent durch die kostenlose Ausgabe von Sammelbeuteln aus BAK.

Ein direkter Zusatznutzen für das Endprodukt Kompost entsteht durch die Kompostierung des BAK-Beutels jedoch nicht, denn BAK enthalten keine Nährstoffe wie Phosphor oder Stickstoff, und tragen folglich nach ihrem Abbau zu keiner Nährstoffanreicherung im Kompost bei.

Zudem gibt es Diskrepanzen zwischen den Anforderungen der Norm und realen Kompostierpraktiken. Eine Zertifizierung nach DIN EN 13432 setzt die 90-prozentige Desintegration innerhalb von drei Monaten und einen 90-prozentigen Abbau innerhalb von sechs Monaten voraus. Die Verweilzeiten in deutschen Kompostieranlagen betragen jedoch oft nur wenige Wochen. Diese Zeit reicht häufig nicht aus, um entsprechend zertifizierte BAK vollständig abzubauen. In einer Nachsortierung werden mögliche Reste zusammen mit anderen Störstoffen aussortiert und energetisch verwertet, was zusätzliche Entsorgungskosten bedeuten kann. Rund 70 Prozent der deutschen Kompostieranlagen sortieren solche Bioabfallbeutel schon vor der Kompostierung aus und entsorgen diese thermisch mit der Störstofffraktion.

Kunststoffe, die als heim- oder gartenkompostierbar zertifiziert sind, könnten theoretisch im Eigenkompost entsorgt werden. Die Rahmenbedingungen für die Eigenkompostierung von Küchen-, Speise- und anderen organischen Abfällen können durch die kommunale Satzung definiert bzw. eingegrenzt werden. Hier gilt es in jedem Fall zu prüfen, ob BAK-Abfälle laut der entsprechenden Abfallsatzung zur Eigenkompostierung erlaubt sind.
Es zeigte sich, dass die Ergebnisse der Tests selbst unter optimalen und stabilen Umgebungsbedingungen sehr stark variieren. Thermoplastische Stärke, Polycaprolacton und Polylactid bauen grundsätzlich innerhalb der von den Normen geforderten Abbauzeiten ab. Andere Materialien überschreiten diese Zeiträume zum Teil erheblich. © Foto: Ramboll
Es zeigte sich, dass die Ergebnisse der Tests selbst unter optimalen und stabilen Umgebungsbedingungen sehr stark variieren. Thermoplastische Stärke, Polycaprolacton und Polylactid bauen grundsätzlich innerhalb der von den Normen geforderten Abbauzeiten ab. Andere Materialien überschreiten diese Zeiträume zum Teil erheblich.

Bei nicht sachgerechter Durchführung der Eigenkompostierung bestehen die Risiken der Entweichung von Treibhausgasen oder des Eintrags von Stickstoff in Boden und Grundwasser. Auf der anderen Seite können Einsparungen bei Transportemissionen im Gegensatz zur Verwertung in einer industriellen Anlage als ökologischer Vorteil betrachtet werden. Darüber hinaus kann eine vermehrte Gartenkompostierung zur Kostenreduzierung für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (Verringerung der Mengen zur Sammlung und Verwertung) sowie Bürger (Verringerung der Gebühren) beitragen.

Eine Zertifizierung als „biologisch abbaubar im Boden“ nach EN 17033 gilt nur für diejenigen Produkte, bei denen dieser Vorgang als sinnvoll erachtet wird. Aufgrund ihrer Anwendung in der Landwirtschaft bzw. im Gartenbau ist der biologische Abbau im Boden besonders für Mulchfolien relevant. Der Zusatznutzen im biologischen Abbau im Boden wird in der Arbeits- und Kostenersparnis gesehen, da keine aufwändige Entfernung der Materialien erforderlich ist.

Für das Forschungsvorhaben „Gutachten zur Behandlung biologisch abbaubarer Kunststoffe“ im Auftrag des Umweltbundesamtes wurden basierend auf einer Literaturrecherche Ergebnisse von biologischen Abbauprüfungen unter Laborbedingungen der verschiedenen Werkstoffe zusammengestellt (siehe Tabelle).

Es zeigte sich, dass die Ergebnisse der Tests unter optimalen und stabilen Umgebungsbedingungen sehr stark variieren.

Diese Ergebnisse unter Laborbedingungen erlauben jedoch keine Rückschlüsse auf die biologische Abbaubarkeit unter realen Bedingungen. So wurde in oben genanntem Gutachten eine Literaturauswertung zu Desintegrationstests von BAK unter naturnahen, realen Bedingungen im Boden, in Süßwasser sowie in Meerwasser durchgeführt (Oberflächenbestimmung oder visuelle Betrachtung).

Die Ergebnisse zeigten auch hier den starken Einfluss der Umgebungsbedingungen in Bezug auf die Dauer der Desintegration. Es wurde deutlich, dass zwar einige BAK in der definierten Zeitspanne des entsprechenden Standards in natürlicher Umgebung desintegrieren, dies ist jedoch nicht bei allen BAK gegeben. Diese sehr unterschiedlichen Ergebnisse verdeutlichen die Komplexität bei der Bestimmung geeigneter Entsorgungsoptionen für BAK.

Ein Beitrag von M.Sc. Maria Burgstaller u. Jakob Weißenbacher, Ramboll Environment & Health GmbH

www.ramboll.com
Fachartikel aus dem ENTSORGA-Magazin Nr. 5/2019

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