von ca 15.01.2021 10:39 Uhr

Das Corona-Jahr aus dem Blickwinkel der Arbeitnehmer

2020 war ein Ausnahmejahr für Unternehmen, Arbeitnehmer und politische Entscheidungsträger gleichermaßen. Die mittlerweile verfügbaren Daten erlauben ein erstes Resümee, wie das Corona-Jahr aus dem Blickwinkel der lohnabhängigen Beschäftigung bewertet werden kann.

Foto: AFI | Arbeitsförderungsinstitut

Aussage 1: „Kündigungsverbot und Lohnausgleichskasse waren essentiell“

RICHTIG. Gesamtwirtschaftlich betrachtet gingen im Jahresschnitt 2020 „nur“ etwas mehr als 7.000 Arbeitsplätze von lohnabhängig Beschäftigten verloren. Das entspricht einem Rückgang von -3,5% zu 2019. Ohne Kündigungsverbot und Ausdehnung der Lohnausgleichskasse von Staat und Land wäre der Verlust an Arbeitsplätzen weitaus dramatischer ausgefallen.

Aussage 2: „Arbeitsplätze hat vor allem das Gastgewerbe abgebaut“

RICHTIG. Im Gastgewerbe gingen im Jahresschnitt ca. 6.500 Arbeitsplätze verloren (Veränderung: -22,4% zu 2019), in erster Linie Saisonarbeitsplätze (-36,0%). Klammert man das Gastgewerbe aus, fällt die Zahl der lohnabhängig Beschäftigten der Südtiroler Wirtschaft nahezu konstant aus (-0,4%).

Aussage 3: „Ab März blieb die Beschäftigungstendenz durchgehend negativ“

RICHTIG. Auf zwei gute Monate (Januar und Februar) folgten zehn Monate mit negativer Beschäftigungsentwicklung, mit allerdings unterschiedlicher Intensität. Auf die „schwarzen Monate“ April (-6,6%), Mai (-6,4%) und Juni (-7,4%) folgten bessere Sommermonate. Im September 2020 war bereits fast wieder das Beschäftigungsniveau des Vorjahres erreicht. Mit Dezember folgte ein weiterer einschneidender Negativmonat (-7,8%).

Aussage 4: „Ob festangestellt oder befristet beschäftigt –die Krise traf alle“

FALSCH. Die Krise hat befristet Beschäftigte wesentlich stärker als Personen mit Festanstellung getroffen. Während die Zahl an Festangestellten im Jahr 2020 sogar leicht zunahm (+2,0%), sank jene von befristet Beschäftigen stark ab (-17,6%), und zwar in allen Wirtschaftssektoren. Den stärksten Einbruch verbucht das Gastgewerbe (-36,0%).

Aussage 5: „Viele Südtiroler haben ihren Job verloren“

FALSCH. Die Leidtragenden der Krise waren in erster Linie befristet Beschäftigten und Saisonarbeiter und in zweiter Linie Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Nahm die Zahl der Lohnabhängigen mit italienischer Staatsbürgerschaft nur um -2,0% ab, fiel dieser bei Ausländern mit -12,0% deutlich höher aus.

Aussage 6: „Überdurchschnittlich stark betroffen waren Frauen und Teilzeitbeschäftigte“

FALSCH, zumindest aus Sicht der Arbeitsplatzstabilität. Die Zahl an Frauen in Lohnarbeit ist nicht stärker gesunken als jene der Männer, ebenso wenig die Teilzeitverträge im Vergleich zu den Vollzeitverträgen. RICHTIG, wenn man sich vor Augen führt, dass Berufe mit starker Frauenpräsenz (Gesundheit, Soziales, Bildung) im Pandemieverlauf besonders stark beansprucht wurden und dass Frauen im Lockdown auf traditionelle Rollenbilder zurückgeworfen wurden.

Aussage 7: „Ein weiterer Krisenverlierer war die Jugend“

RICHTIG. Zurückzuführen ist dies auf die Zurückhaltung der Arbeitgeber bei den Neuanstellungen, wenngleich die Statistiken nach Altersklassen auch einen gewissen Struktureffekt inkludieren. Alle Altersklassen unter 50 weisen Rückgänge auf, nur jene über 50 Zuwächse.

Aussage 8: „Die Arbeitslosenrate in Südtirol wird 2020 auf 6 bis 9 Prozent ansteigen“

FALSCH, zumindest was die amtliche Arbeitslosenrate anbelangt. Zwar stehen die Zahlen des 4. Quartals noch aus, doch die amtliche Arbeitslosenrate wird im Schnitt 2020 die 5-Prozent-Marke nicht überschreiten. Die Zahl der in den Arbeitslosenlisten eingetragenen Personen ist von im Schnitt 15.300 im Jahr 2019 auf 21.300 im Jahr 2020 angestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von knapp 6.000 Personen bzw. +40%.

Aussage 9: „Südtirols Arbeitnehmer/innen bangen um ihren Arbeitsplatz“

FALSCH. Zumindest nach dem Wissensstand im Herbst. Wie aus dem AFI-Barometer hervorgeht, stuften die meisten Südtiroler ihren Arbeitsplatz noch als relativ sicher ein. Das Risiko, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, wird noch in der Herbstbefragung nicht wesentlich höher eingestuft als vor Ausbruch der Pandemie.

Aussage 10: „Die Lohnausgleichkasse hat als Instrument zur Abfederung der Krise funktioniert“

RICHTIG, allerdings mehr in der Theorie als in der Praxis. Im Zeitraum Januar-November 2020 wurden in der Provinz Bozen 18,6 Millionen Stunden an Lohnausgleich genehmigt – das entspricht einer Verzehnfachung im Vergleich zum selben Zeitraum 2019. Vielen Arbeitnehmer/innen wurde damit eine partielle Einkommensfortzahlung zugesichert. Allerdings: Die Verzögerungen bei der Auszahlung haben viele Arbeitnehmer/innen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht und sind so nicht hinnehmbar. Außerdem bedeutet selbst der Lohnausgleich immerhin noch einen Einkommensverlust, da die Ausgleichszahlung maximal 80% des Gehalts beträgt und der Höchstbetrag gedeckelt ist (auf ca. 1.200 €).

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