von gk 03.03.2023 10:00 Uhr

Eine scheinbar deutsche Tageszeitung für Südtirol

Nach dem Willen der faschistischen Machthaber sollte eine rein deutschsprachige faschistische Tageszeitung meinungsbildend an die Stelle der beseitigten deutschen Tagespresse treten. Es blieb ein weitgehend glückloses Unterfangen. Gestern vor 97 Jahren erschien sie zum ersten Mal.

Titelseite der Erstausgabe der faschistischen „Alpenzeitung“ vom 2. März 1926 (Bild: Effekt Verlag)

„Am 2. März 1926 erschien erstmals in Bozen-Meran die „Alpenzeitung“, deren Eigentümer ein faschistisch ausgerichteter Verlag war. Zunächst leitete der aus Rom gekommene bisherige Pressechef des römischen Außenamtes, Leo Negrelli, die Zeitung. Später traten andere an seine Stelle.

Negrelli stellte auf der Titelseite der Erstausgabe mit schön gedrechselten Worten das „Programm“ der Zeitung vor: Es gehe um die ‚Achtung vor allen Grundsätzen der Moral‘,  verbunden mit ‚scharfer Gegnerschaft gegen all jene, die aus persönlichem Egoismus oder aus verbliebenem Heimweh für die Vergangenheit oder aus hartnäckiger Kurzsichtigkeit in irgend einer Weise gegen die materielle oder moralische Wohlfahrt der Gesamtheit tätig sind‘. Und selbstverständlich müsse die ‚unantastbare Grenze‘ am Brenner von allen anerkannt werden. Die Zeitung sei ‚dem Staatsgedanken ergeben‘ usw., usw.

  • Auch mit diesem Versuch sollte es Italien nicht gelingen, diese Jugend mit Freude und Stolz darüber zu erfüllen, endlich der "ruhmreichen" italienischen Nation angehören zu dürfen. (Bild: Effekt Verlag)

Zeitgenössischen Berichten zufolge soll die Zahl der Südtiroler Abonnenten der ‚Alpenzeitung‘ in Südtirol eine niedrige gewesen sein und ‚nach verlässlichen Schätzungen ein paar Tausend‘ nicht überstiegen haben, obwohl öffentliche Betriebe Gaststätten, Kaffeehäuser und Bibliotheken behördlich zu Bezug und öffentlicher Auflegung angehalten waren.

Nach der Besetzung Südtirols im Jahre 1943 wurde die Alpenzeitung eingestellt.“

Der obige Auszug stammt aus dem Buch „An der Seite des Volkes. Südtirols Geistliche unter dem Faschismus 1918–1939“ von Helmut Golowitsch.

Golowitsch, Helmut: An der Seite des Volkes. Südtirols Geistliche unter dem Faschismus 1918–1939: Neumarkt a.d. Etsch: Effekt!. 2022. ISBN: 978-88-97053-95-8

Der Verfasser hat seinem Buch ein Verzeichnis beigefügt, in welchem Ereignisse, dokumentierte Übergriffe und Gewalttaten nach Daten von 1918 bis Mai 1943 dokumentiert und kartografisch abgebildet sind.

Ergänzende Anmerkungen zur Alpenzeitung:

Der Verleger der Zeitung war die Ente Coop. Prov. Stampa Fascista, der Eigentümer die Faschistische Partei (Partito Nazionale Fascista) selbst. Die Zeitung trug den Untertitel Politisches Organ der Provinz Bolzano und erschien an sechs Tagen, von Dienstag bis Sonntag. Die Artikel waren zumeist die deutsche Übersetzung des italienischsprachigen faschistischen Tagblatts La Provincia di Bolzano aus dem selben Verlag. Es gab für die deutsche Ausgabe einen deutschen Schriftleiter und mehrere deutsche Mitarbeiter.

Bis Anfang Dezember 1926 trug sie außerdem den Zusatztitel Wirtschaftspolitisches Tagblatt. Von März 1926 bis April 1928 wurde die Beilage Bauernbote gedruckt. Die Beilage Landwirt Italiens gab es von April 1928 bis Februar 1930. Das Unterhaltungsblatt als Beilage erschien von März 1926 bis September 1943. Die Beilage Handels- und Wirtschaftsblatt gab es von Juni 1926 bis März 1938. Eine Sportbeilage gab es ab 1926. Ebenso wurde ab 1926 eine Beilage Gesetze und Verordnungen, Provinz und Gemeinde gedruckt.

Die letzte Ausgabe erschien am 8. September 1943. (Quelle: Teßmann)

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