Trotz Nominierung gab es keinen Oscar für Colin Firth. Dabei hätte der smarte Brite, der sonst gern in Komödien wie ’Bridget Jones’ den Mann für den zweiten Blick mimt, den Goldjungen allemal verdient. Denn er spielt in dem sensiblen Drama nicht nur die Rolle seines Lebens, sondern sieht auch mit geglättetem und leicht angegrautem Haar und Maßanzügen so gut aus wie nie zuvor.
Kein Wunder, denn sein Regisseur Kult-Modeschöpfer Tom Ford. Der weiß, wie man Männer in Szene setzt und beweist in seinem Regiedebüt, dass er auch sonst ein Händchen fürs Styling hat. Jedes Accessoire ist mit Bedacht gewählt und platziert, jede Einstellung durchkomponiert. So wirkt Fords Sixties-Retro-Look nicht nur antiseptisch clean, sondern fast schon wieder modern. Nur Colin Firth hat als trauriger College-Professor George Falconer gar keinen Sinn für die Schönheit der Dinge.
Tief verstört tapst er durch sein Designerheim, denn ein einziger Anruf hat sein Leben aus den Angeln gehoben: Sein Lebenspartner Jim (Matthew Goode) ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seit diesem einen Anruf ist das Leben für den Literaturwissenschaftler vor allen Dingen eins: freundlos. Jeden Tag zieht er seinen todschicken Anzug an, fährt er in die Uni, gibt seine Kurse - allerdings wirkt er wie ein Fremdkörper unter all den emsigen, lauten Studenten. Er zieht zwar sein Alltagsleben durch, aber innerlich ist Falconer im Schock der Trauer gefangen und lebt in seiner eigenen Welt der Erinnerungen an seine große Liebe.
Am 30. November 1962, acht Monate nach Jims Tod, beschließt Falconer, seinem trostlosen Dasein ein Ende zu setzen. Ford erzählt diesen voraussichtlich letzten Tag im Leben von George Falconer. Und er nimmt sich Zeit dafür: Mit ruhigen Bildern erzählt er aus dem isolierten Leben des ’Single Man’ (dt. Einzelgänger). Colin Firth sorgt mit seinem feinfühligen Spiel dafür, dass man sich als Zuschauer in die verschlossene Figur trotzdem hineinversetzen kann.
Nach außen wahrt er den Schein: Immer adrett gekleidet, freundlich, gute Manieren. Aber innerlich ist der Literaturprofessor ein gebrochener Mann, ein Meister des Versteckspiels. Als Homosexueller in den 60er Jahren muss er nicht nur sein Liebesleben, sondern auch seine Trauer geheim halten. Am 30. November 1962 soll damit ein für alle Mal Schluss sein. Doch an diesem Tag lernt Falconer, dass das Leben auch für ihn noch Glücksmomente bereit hält.
Dazu trägt seine schillernde, aber ganz schön kaputte und trinkfreudige beste Freundin Charley (großartig als abgetakelte Sixties-Beauty: Schwulen-Ikone Julianne Moore) bei - und sein süßer Student Kenny (hübsch frech: Nicholas Hoult), der sich fast schon aufdringlich an seine Fersen heftet. Was will Kenny von ihm? Ihn anbaggern? Ihn outen? Falconer ist zunehmend irritiert, doch der Junge zaubert auch ein Lächeln auf sein Gesicht...
Mit ’A Single Man’ beweist Tom Ford, dass er es nicht nur als Designer versteht, die Dinge ins richtige Licht zu setzen. Er erzählt die Romanvorlage von Christopher Isherwoods auf seine ganz eigene Art. Sein erstes Werk als Filmemacher fesselt den Zuschauer - und zwar ganz ohne aufwendige Special-Effects oder Action-Szenen. Ford fokussiert den Blick auf das Wesentliche. Und das spielt sich in diesem Fall in der Seele seines Hauptdarstellers ab. Colin Firths gelingt das Kunststück, dieses innere Drama in der Mimik seiner Rolle widerzuspiegeln und seiner Figur trotz aller Tragik auch komische Seiten abzugewinnen. Wer zwischen all den Actionstreifen und Popcornkomödien Sinn hat für ein feinsinniges Kino-Kleinod, ist hier goldrichtig.
Von Kathrin Pleiss