Sorgsamer Umgang mit dem Gehirn

Gesund / 07.11.2014 • 09:52 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Merkzettel wie diese können das Leben von Demenzkranken erleichtern. Gleichzeitig sind sie ein gutes Gedächtnistraining.
Merkzettel wie diese können das Leben von Demenzkranken erleichtern. Gleichzeitig sind sie ein gutes Gedächtnistraining.

Ein solcher ist durchaus dazu angetan, Demenz-erkrankungen hinauszuschieben.

Rankweil. (VN-mm) Demenz beschäftigt die Menschen. Denn die steigende Lebenserwartung verheißt auch einen Anstieg von dementiellen Erkrankungen. Immerhin stellt das Alter der größte Risikofaktor dar. Bei den über 90-Jährigen leidet bereits ein Drittel der Menschen an einer Demenz. Albert Lingg, langjähriger Primar der Psychiatrie im LKH Rankweil, hatte bei einem Vortrag im Rahmen des „Europäischen Jahrs des Gehirns“ jedoch gute Botschaften für die Zuhörer parat. Zum einen bleibt der Großteil der Bevölkerung trotz höheren Alters gesund. Zum anderen belegen neue Studien, dass später Geborene auch später oder gar nicht dement werden. Als Gründe für diese positive Einschätzung nennt die Wissenschaft den höheren Bildungsgrad sowie die bessere Vorsorge für Gefäßerkrankungen.

Erschwerter Alltag

Gleichzeitig musste Lingg zugeben, dass Demenz eine Krankheit ist, die „uns noch stark beschäftigen wird“. Bis 2050 prognostizieren Demografen eine Steigerung der Betroffenen um 113 Prozent. Zum Vergleich: Krebserkrankungen nehmen „nur“ um 27 Prozent zu. Die technisierte und beschleunigte Lebensweise, die gestiegenen Ansprüche von Patienten und Betroffenen an die Medizin, neue Erkenntnisse der Hirnforschung, die immer wieder Hoffnung machen, sowie die Kosten bzw. Finanzierung der Betreuung von dementen Menschen halten das Thema massiv an der Oberfläche. Aber: Nicht jede Vergesslichkeit ist gleich Demenz. Wenn diese Vergesslichkeit jedoch den Alltag erheblich erschwert und länger als sechs Monate dauert, ist eine ärztliche Abklärung angezeigt.

Psychologischer Test

Vor allem gilt es laut dem Psychiater, andere Ursachen, die eine Demenz vortäuschen können, aber heilbar sind, auszuschließen. Zu solchen Erkrankungen zählen Mangel-
ernährung, eine Schilddrüsenunterfunktion, gutmütige Gehirntumore, aber auch Medikamenten- und Alkoholmissbrauch. Bei Verdacht auf eine Demenz rät Albert Lingg zum Gespräch mit einem kundigen Hausarzt. „Angehörige sollten dabei sein, denn Demenzkranke neigen dazu, ihre Befindlichkeit zu bagatellisieren“, so Lingg. Zur weiteren Abklärung gehört ein psychologischer Test und, falls notwendig, ein Gehirnscan mittels CT oder MRT. Ein solcher Befund muss jedoch nicht zwangsläufig mit dem klinischen übereinstimmen, zumal es Untersuchungen gibt, die zeigen, dass diagnostizierte Demenzkranke ihren Alltag noch bestens bewältigt haben. Die häufigste Demenzerkrankung stellt die Alzheimer-Demenz dar, bei der Nervenzellen im Gehirn kaputtgehen. An zweiter Stelle steht die Gefäßdemenz. Dabei kommt es in den kleinen Blutgefäßen zu winzigsten Schlaganfällen, welche die Gehirntätigkeit negativ beeinflussen. Die Verläufe selbst sind unterschiedlich. Bei Menschen mit Trisomie 21 führt Demenz sehr rasch zur Pflegebedürftigkeit, bei anderen kann es zwanzig und mehr Jahre dauern. Als Durchschnitt werden neun Jahre angegeben, die zwischen Vergesslichkeit und absoluter Pflegebedürftigkeit liegen.

Entlastung holen

Jede Phase der Erkrankung hat ihre eigenen Gesetze. Bei einsetzender Vergesslichkeit wird unter anderem zum Gedächtnistraining geraten. „Nachhaltiger als ein Computertraining wirkt das, was dem Patienten Spaß macht“, betonte Albert Lingg. „Singen, Jassen, man sollte das Naheliegende mehr anwenden“, ergänzte er. Auch sogenannte Antidementiva können den geistigen Abbau verzögern. Kommt es zu Verwirrtheit, ist es wichtig, den Menschen dort abzuholen, wo er steht. „Widersprechen macht keinen Sinn“, lautet diesbezüglich die klare Botschaft. Spätestens jetzt sollten auch pflegende Angehörige Entlastungsmaßnahmen in Anspruch nehmen. In diesem Zusammenhang urgierte der Arzt speziell den Ausbau der Tagesbetreuung.

Immer rege bleiben

Heilbar ist Demenz nicht, und sie wird es noch länger nicht sein. Impfungen sind nach zwei gescheiterten Anläufen weiterhin Zukunftsmusik, ebenso neue Medikamente. Doch es gibt Möglichkeiten der Vorsorge. Die wichtigste Ansage des Mediziners: „Gehen Sie sorgsam mit Ihrem Gehirn um.“ Das heißt, Gehirnschädigungen vermeiden etwa durch Vorsorge beim Bluthochdruck oder Diabetes, kein Nikotin, nur mäßig Alkohol und vor allem geistig und körperlich rege bleiben. Den Nutzen von Letzterem ist durch Studien belegt. Soziale Kontakte sind ebenfalls eine gute Strategie, dem Vergessen ein Schnippchen zu schlagen. Albert Lingg verwies noch auf die Aktion Demenz, deren Anliegen es ist, eine demenzfreundliche Gesellschaft zu gestalten.

Nächster Vortrag

Die Depression und ihre Therapie: Fakten und Mythen

» Referentin: FÄ Dr. Bettina Grager

» Termin: Freitag, 21. November 2014, 19 Uhr, Mehrzwecksaal LKH Rankweil

» Eintritt und Parken in der Tiefgarage frei

Infos dazu unter
www.aktion-dement.at