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Lehrer kommen dank Internet Schülern auf die Schliche Abgekupfert: Plagiaten in Sachsen-Anhalts Schulen auf der Spur

Von Elisa Sowieja 07.03.2013, 02:15

Magdeburg. Bye, bye Doktortitel - Annette Schavan ist das Abkupfern zum Verhängnis geworden. Auch ein Amtschef, der in Halle promovierte, hat jüngst den akademischen Grad verloren. Gelernt wird Abschreiben an Schulen, sagt eine Expertin. Schulleiter berichten, wie ihre Lehrer dagegen angehen.

Besäße das Wernigeröder Gymnasium "Stadtfeld" ein Muttiheft - Debora Weber-Wulff würde ihm sicher ein dickes Bienchen hineinstempeln. Dort gibt es nämlich ein Wahlpflichtfach "Wissenschaftliche Arbeitsmethoden". Solche Vorstöße sind Balsam in den Ohren der Berliner Professorin für Medien-Informatik. Sie gilt als eine von Deutschlands führenden Experten für die Erkennung von Plagiaten.

Das Thema machte jüngst bundesweit Schlagzeilen, als Bildungsministerin Annette Schavan ihren Doktortitel verlor und daraufhin das Handtuch warf. Auch an der Uni in Halle wurde einem Absolventen, der in der Öffentlichkeit steht, sein akademischer Grad aberkannt: dem Leipziger Jugendamtschef Siegfried Haller (siehe Infokasten).

Weber-Wulff zufolge sind Plagiate nicht nur an Universitäten ein Thema. "In Schulen lernen Jugendliche das Abschreiben", sagt sie. "Möglichkeiten gibt es viele; die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, ist gering. Außerdem wissen es einige nicht besser." Quelle Nummer eins sei das Internetlexikon Wikipedia. Der Wissenschaftlerin geht es bei weitem nicht nur ums Erkennen von Abgeschriebenem: "Vor allem dürfen Plagiate gar nicht erst entstehen: Man muss den Schülern zeigen, wie man in eigenen Wörtern schreibt und richtig zitiert."

"Die Anregung für das Wahlpflichtfach kam von ehemaligen Abiturienten."
Günter Mebert, Schulleiter

Im Lehrplan für die gymnasiale Oberstufe ist das wissenschaftliche Arbeiten zumindest verankert, und zwar im Deutsch- und im Sozialkundeunterricht. Bei der Umsetzung geht das Wernigeröder Gymnasium seit sechs Jahren mit gutem Beispiel voran. In dem hauseigenen Wahlpflichtfach lernen Neuntklässler, wie sie sauber eine wissenschaftliche Hausarbeit erstellen. "Die Anregung kam von ehemaligen Abiturienten", erzählt Schulleiter Günter Mebert. "Sie erzählten, dass Universitäten oft davon ausgehen, die Erstsemester würden wissenschaftliches Arbeiten bereits beherrschen."

Auch andere Schulen in Sachsen-Anhalt packen das Problem Plagiat aktiv an - mindestens mit Belehrungen. "Wir haben eine Kollegin, die unsere Schüler in Punkto Form betreut, wenn sie in der zehnten Klasse ihre Facharbeit und später die besondere Lernleistung schreiben", erzählt Brunhilde Herfurth, Leiterin des Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasiums Wolmirstedt (Landkreis Börde). Bei Letzterem handelt es sich um eine Art kleine Diplomarbeit, die Schüler als Teilprüfung des Abiturs wählen können. "Die Lehrerin belehrt sie, wie man recherchiert - auch im Internet - und wie man Zitate angibt."

Die fertigen Arbeiten würden per Stichprobe aufs Abkupfern kontrolliert. Hauptinstrument ist die Internet-Suchmaschine Google. Eine geeignete Methode, findet Weber-Wulff. "Es reicht aus, drei bis fünf Wörter einzugeben", sagt sie. "Denn Schüler kopieren meist oberflächlich." Und wann sollte ein Lehrer auf Spurensuche gehen? "Wenn ein Satz zum Beispiel in wunderschönem Konjunktiv geschrieben ist und der nächste nicht einmal vollständig, weist das oft auf ein Plagiat hin." Ebenso auffällig: das Fehlen von Fehlern.

"Im Verdachtsfall nutzen wir Google. Unter Generalverdacht werden die Schüler aber nicht gestellt."
Heinrich Wiemeyer, Schulleiter

Auch am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium in Salzwedel (Altmark) und am Norbertus-Gymnasium in Magdeburg behält man es sich vor, Arbeiten auf Plagiate zu prüfen - allerdings in Maßen, wie der Magdeburger Schulleiter Heinrich Wiemeyer erklärt: "Im Verdachtsfall nutzen wir Google. Unter Generalverdacht stellen wir die Schüler aber nicht."

Das Internet ist aber nicht die einzige Kontrollmöglichkeit, sagt Rainer Aschmann, Chef des Salzwedeler Gymnasiums: "Auch bei der mündlichen Verteidigung von Arbeiten kommt man jemandem auf die Spur, der abgeschrieben hat."

An der Sekundarschule Am Lerchenfeld in Schönebeck (Salzlandkreis) spielen Plagiate keine große Rolle. "Das ist wohl eher ein Thema in den Gymnasien. Denn bei uns verfassen die Schüler nicht solch umfangreiche Arbeiten", sagt Schulleiter Rüdiger Gröber.

Bei ihren Stichproben werden die Schulen nach eigenen Angaben nur selten fündig. Am Wolmirstedter Gymnasium zum Beispiel sei man in der Vergangenheit auf ein Plagiat bei einer Facharbeit gestoßen. Die Folge: eine Sechs. Allerdings merkt Wiemeyer vom Norbertus-Gymnasium an: "Die Dunkelziffer kennen wir natürlich nicht."

Universitäten bedienen sich häufig eines Computerprogramms, um Plagiate zu erkennen. Es durchforstet Arbeiten mit Hilfe des Internets automatisch. Die Schulen im Land hat das Kultusministerium nicht mit solcher Software ausgestattet. Auch die Landkreise im nördlichen Sachsen-Anhalt haben für ihre Gymnasien und Sekundarschulen kein Programm für ihre Schulen gekauft.

Weber-Wulff zufolge sind Lehrer oft zu unerfahren im Umgang mit Plagiaten. "An Schulen und Universitäten müsste das Thema eine größere Rolle spielen", fordert sie.

Die Lehrer werden an ihren Schulen unterschiedlich sensibilisiert. Einige Schulleiter verweisen auf Dienstversammlungen. In Salzwedel hat der Fachbereich Deutsch Regeln im Umgang mit Zitieren und Co. erarbeitet. Am Wernigeröder Gymnasium gab es sogar eine interne Fortbildung.

"Plagiate sind wohl mehr ein Thema an Gymnasien als in Sekundarschulen."
Rüdiger Gröber, Schulleiter

Das Kultusministerium bietet für Lehrer keine extra Weiterbildungen zu Plagiaten an. "Aber in den Fortbildungen spielt das Thema eine Rolle", versichert eine Sprecherin. Zudem verweist sie auf die zwölf Medienberater im Land, die Schulen unterstützen. Beim Lehramtsstudium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wird kein Modul zu Schüler-Plagiaten angeboten, sagt Marie-Theres Müller vom Zentrum für Lehrerbildung. "Wir vermitteln die Grundlagen. Das Thema spielt eher im Referendariat eine Rolle."

Für Lehrer mit Nachhilfe-Bedarf hat Debora Weber-Wulff ein kostenloses E-Learning-Programm entwickelt. "Fremde Federn finden" heißt es und erklärt, wie man Plagiate vermeidet und erkennt. Damit sie bald noch mehr Bienchen verteilen kann.

Das E-Learning-Programm ist zu finden unter: plagiat.htw-berlin.de/ff