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Fachkräftemangel im Krankenhaus? „Die Stille war ohrenbetäubend“

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Dinah allein und einsam in einem Flur: Sie wünscht sich mehr Trubel im Krankenhaus (nachgestellte Szene).
Dinah allein und einsam in einem Flur: Sie wünscht sich mehr Trubel im Krankenhaus (nachgestellte Szene). © Rother

Kürzlich verbrachte unsere Kolumnistin fünf Stunden in einem deutschen Krankenhaus – und hatte den Eindruck, den Personalmangel im Gesundheitswesen live zu erleben.

Hamm - Am Freitag musste ich meinen Mann nach einem Unfall in die Notaufnahme der St.-Barbara-Klinik begleiten. Es war mein erster Besuch in einem großen deutschen Krankenhaus. Ich hatte mich auf eine Wartezeit eingestellt. Überraschenderweise kam nach zehn Minuten der erste Arzt und untersuchte meinen Mann. Ich war beeindruckt von dem schnellen Service. So fühlt sich die Gesundheitsversorgung in der ersten Welt also an.

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Der Arzt brachte uns in ein anderes Wartezimmer und sagte, er habe seine Kollegen informiert und bald käme jemand. Mir hätte klar sein müssen, dass das Wartespiel erst jetzt begonnen hatte.

Stille im Krankenhaus: Alle 30 Minuten tauchte eine Krankenschwester auf

Um mich herum war es ruhig, fast unheimlich. Eine einzelne Krankenschwester tauchte in Abständen von 30 Minuten auf – und verschwand wieder. Gelegentlich hörte man, wie ein Patient den Flur entlang gerollt wurde. Ich hätte freitags um 21 Uhr mehr Trubel erwartet.

In Kenia herrscht in großen Krankenhäusern immer ein reges Treiben. Krankenschwestern in rosa oder blauen Kitteln sind ständig in Bewegung, bringen Wagen, Patienten und Angehörige von einem Ort zum anderen. Aus den Wartezimmern tönt ein Brummen, weil Leute leise über Nachrichten auf dem montierten Fernsehgerät sprechen. An jeder Ecke stehen Wasserspender und Verkaufsautomaten mit Snacks. Einige Krankenhäusern haben 24-Stunden-Apotheken und Restaurants. Es ist völlig anders als in Hamm.

Kaum Licht im Empfangsbereich - ein Gefühl wie am Flughafen während der Pandemie

In den fünf Stunden im Krankenhaus trafen wir nur fünf Krankenschwestern. Der Empfangsbereich war kaum ausgeleuchtet, in allen Richtungen sah ich dunkle Gänge. Die Stille war ohrenbetäubende, unterbrochen nur vom Gemurmel einer alten, demenzkranken Frau. Das hier fühlte sich nach der verlassenen Wartelounge eines Flughafens während der Pandemie an, nicht nach Klinik.

Ich habe gelesen, dass in Deutschland Krankenhauspersonal fehlt. Nun hatte ich den Eindruck, diesen Mangel live zu erleben. Es war traurig. In Kenia ist die Situation so anders. Wir haben so viele qualifizierte Ärzte und Krankenschwestern ohne Arbeit, weil keiner sie bezahlen kann. Diese arbeitslosen Ärzte wollen ins Ausland gehen, ersticken aber in Bürokratie.

Chance auf dem Arbeitsmarkt ohne „Zeugnisanerkennungsstelle“

Kenianische Ärzte können seit Jahren in den USA arbeiten, ohne zu einer Zeugnisanerkennungsstelle gehen zu müssen wie in Deutschland. Seit 2021 wirbt das Vereinigte Königreich Fachkräfte im Gesundheitswesen in Kenia an. Vielleicht ist das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz Gelegenheit, die die „Chancenkarte“ Realität werden zu lassen, damit etwas Leben in die deutschen Krankenhausflure kommt.

Unsere Kolumnistin

Dinah Koschowski (41) hat in Kenia und Australien Journalistik studiert. Vor zwei Jahren hat sie einen Mann aus Hamm geheiratet und lebt in Bockum-Hövel. Nach einem Praktikum in der Lokalredaktion schreibt sie für uns eine Kolumne darüber, was sie als Einwanderin in Hamm erlebt.

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