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Muss ein Kind für seine Straftaten geradestehen?

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Muss ein Kind für seine Straftaten geradestehen?

Zwar ist ein junger Mensch, ausser er wohnt im Kanton Glarus, erst mit 18 stimm- und wahlberechtigt. Strafbar machen kann er sich aber bedeutend früher.
19.07.2023, 16:59
Vera Beutler / lex4you by TCS
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Eine Spritztour ohne Führerschein machen, Schwarzfahren, Kiffen, im Laden was mitgehen lassen, Häuser ohne das ok der Eigentümerin verschönern oder bewohnen: Damit sollten die Kleinen natürlich gar nicht erst anfangen. Bereits ab dem 10. Geburtstag sind sie aber vor dem Gesetz nicht mehr «klein», sondern fallen unter das Jugendstrafgesetz. Erfährt die Behörde von einer Straftat eines jüngeren Kindes, benachrichtigt sie zunächst die gesetzliche Vertretung und nötigenfalls auch die KESB.

«Es geht im Jugendstrafrecht um die Erziehung, weswegen die Behörden auch die Eltern in die Pflicht nehmen.»

Frühe Strafmündigkeit, Fokus auf Erziehung

Vor dem 1. Januar 2007 lag die Strafmündigkeit in der Schweiz bei 7 Jahren, mit 10 Jahren ist auch das heutige Strafmündigkeitsalter im Vergleich mit dem Ausland tief. Das schweizerische Jugendstrafrecht relativiert dies jedoch, indem es auf die Verhinderung künftiger Straftaten fokussiert und nicht auf die Vergeltung der begangenen Straftat.

Contentpartnerschaft mit TCS / lex4you.ch
Dieser Blog ist eine Contentpartnerschaft mit TCS Rechtsschutz und seiner interaktiven Rechtsauskunftsplattform lex4you.ch. Die Fragen stammen direkt aus dem Alltag von Rechtsschutzversicherten – kompetent beantwortet von der Juristin und Leiterin von lex4you.ch, Vera Beutler. Es handelt sich nicht um bezahlten Inhalt.

Es geht im Jugendstrafrecht um die Erziehung, weswegen die Behörden auch die Eltern in die Pflicht nehmen. Wie das Bundesgericht aber schreibt, ist «die Straffälligkeit Jugendlicher oftmals auf ein schlechtes soziales Umfeld oder ein erzieherisches Fehlverhalten der Eltern zurückzuführen». Besteht im konkreten Fall der Bedarf nach einer besonderen erzieherischen Begleitung, ordnet die Behörde unabhängig von einem Verschulden des Kindes eine Schutzmassnahme an. Diese reicht von der blossen Aufsicht über die persönliche Betreuung oder eine ambulante Behandlung bis hin zur Unterbringung ausserhalb der Familie .

Strafe hängt von Entwicklung ab

Das Jugendstrafrecht kennt auch eigentliche Strafen, vergisst aber nicht, dass es eben gleichwohl um Kinder und Jugendliche geht. Ist etwa die Schuld des betroffenen Kindes gering, kann die Behörde von einer Bestrafung absehen.

Sichert beispielsweise ein 10-jähriges Mädchen ein anderes Kind an der Kletterwand und lässt sich dieses unvermittelt ins Seil fallen, sodass es abstürzt und sich unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zuzieht, ist eine solche Strafbefreiung naheliegend: «Ein knapp zehnjähriges Kind ist allenfalls in der Lage, einfachere Abläufe zu beherrschen. Es dürfte ihm aber in aller Regel an den Fähigkeiten fehlen, um in einer komplexen, erstmalig erlebten Gefahrensituation sogleich angemessen zu reagieren», so das Bundesgericht. 465 Mal hat die urteilende Behörde 2022 eine Strafbefreiung ausgesprochen.

Oft muss Strafe doch sein

Manchmal ist aber ein Kind oder eine jugendliche Person durchaus in der Lage, richtig zu reagieren, womit die Strafbefreiung wegfällt. 2022 gab es denn auch in 7'379 Fällen einen Verweis, welcher die Tat förmlich verurteilt. Ein Verweis ist dann möglich, wenn er «voraussichtlich genügt, um den Jugendlichen von weiteren Straftaten abzuhalten». 6'258 Mal hat die Behörde diese Zuversicht nicht gehabt und eine persönliche Leistung angeordnet, die Jugendlichen also verpflichtet, die Strafe etwa in einer sozialen Einrichtung abzuarbeiten. Für Jugendliche bis 15 dauert dies höchstens 10 Tage.

Mit 15 gilt es noch ernster

Kleine Kinder, kleine Probleme, grosse Kinder, grosse Probleme: Wie ein Blick in die Statistik zeigt, betrafen von den 20'797 im Jahre 2022 ergangenen Jugendurteilen 16'626 Jugendliche ab 15 Jahren. Diesen drohen einschneidendere Konsequenzen, sie können beispielsweise eine Busse bis zu 2'000 Franken erhalten. Dies geschah 2022 5'688 Mal, wenn auch der jeweilige Betrag kaum je höher als dreistellig war.

Ab 15 ebenfalls möglich ist ein Freiheitsentzug bis zu einem Jahr, der bei Straftaten wie etwa einer Körperverletzung oder einem Hausfriedensbruch möglich ist. Auch die persönliche Leistung kann nun bis zu drei Monaten dauern. Wer zum Tatzeitpunkt bereits 16 war, kann gar mit einem Freiheitsentzug bis zu vier Jahren bestraft werden. Einen Freiheitsentzug verfügte die Behörde 2022 988 Mal.

Teuer wird es allemal

Eine Straftat kommt die Familie des Kindes oder der Jugendlichen unabhängig von einer allfälligen Busse meist ohnehin teuer zu stehen. Ergreift die Behörde eine Schutzmassnahme, beteiligen sich die Eltern «im Rahmen ihrer zivilrechtlichen Unterhaltspflichten an den Kosten der Schutzmassnahmen und der Beobachtung». Bei Strafen gilt für die Kostentragungspflicht die reguläre Strafprozessordnung, wonach die verurteilte Person grundsätzlich die Verfahrenskosten trägt.

Und zu guter Letzt: 2022 gingen 5'174 Jugendurteile auf das Konto des Personenbeförderungsgesetzes, meist wegen Schwarzfahrens. Auch hier ist eine Busse zwar erst bei 15-Jährigen möglich. Den Zuschlag stellen die öV-Betriebe aber unabhängig von einem allfälligen Strafverfahren und bereits bei Kindern ab 6 Jahren in Rechnung.

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19 Kommentare
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R Hugen
19.07.2023 20:18registriert Februar 2015
Ein Kind muss für sein Fehlverhalten gerade stehen. Grundsätzlich muss das jeder Mensch.
Die Bestrafung sollte jedoch, wie schon umgesetzt, sehr individuell und zugeschnitten auf die Person sein. Denn der Sinn sollte ein Schuss vor den Bug sein. Mann muss das Schiff bei so jungen Menschen nicht gleich versenken. Trotzdem sollte die Strafe wirken und vor weiteren Straftaten schützen.
Da ist viel Fingerspitzengefühl gefragt.
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