Kapitel 29 - Der Wegweiser eines herannahenden Sturms

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8. Juni 2012, Yahnori Hotel, Ellnaul, Nord Kudahnkan – Ostasien

Rebecca hatte notdürftig Piers Hand verbunden, weshalb sich Chris nun der Sache annahm und einen ordentlichen Verband anlegte. Feinsinnig wickelte er die Bandage um Handfläche und Handrücken. Der Streifschuss war glücklicherweise nicht der Rede wert, aber dennoch sollte es nicht außer Acht gelassen werden.

Piers begutachtete seinen Liebsten genau, wie sich dieser fürsorglich um ihn kümmerte. Es war erstaunlich, wie die starken, großen Hände Redfields einerseits so kraftvoll und andererseits so sorgsam sein konnten. Er zog den Verband zu und glitt mit den Fingern ein letztes Mal zärtlich darüber.

Verliebt blicke der Ältere den Jüngeren an, der den Blick unverblümt erwiderte. Jene fürsorglichen und zärtlichen Augenblicke ließen das Grauen in die Bedeutungslosigkeit abdriften – so wie jenes welches sich vor wenigen Stunden in Marhawa abgespielt hatte. Es ließ die beiden das makabre Blutbad sowie all die Bedenken und schrecklichen Dinge vergessen. Dadurch rückten die Erkenntnis in weite Ferne, dass dutzende unschuldige Schülerinnen und Lehrer sowie diese Soldaten dort ihr Leben hatten lassen müssen...

Heute hatten sie einmal mehr dem lebendigen Tod direkt in die Augen geblickt und in den Schlund der Hölle gesehen. Wenn man so nah mit Terror, Grausamkeit und Tod konfrontiert war, wusste man die lebhaften Augenblicke umso signifikanter zu schätzen. Die Liebe zu Piers war eben jener krasse Kontrast, der den Schrecken aufwog. Auf der einen Seite der lebende Tod, der die unmoralische und ruchlose Atrozität der Wissenschaft darstellt und auf der anderen die belebende Nähe zu Piers Nivans, die das pure Leben symbolisierte. Beides könnte nicht gegensätzlicher sein.

Chris umfasste das Handgelenk des jungen Schützen. Sachte legten sich seine Finger darum und führten die Hand an seine Lippen. Er küsste zärtlich die Fingerkuppen des Jüngeren, der alles eingehend beobachtete.

„Denkst du wirklich Umbrella ist zurück?", fragte der Schütze nachdenklich, da die Frage ihn quälend beschäftigte.

Der Zeigefinger des Jüngeren ruhte unverändert an Redfields Lippen. Er platzierte weiterhin Küsse und streichelte mit seinen Fingern über Nivans Handgelenk und Handrücken.

„Ich weiß nicht. Lässt sich schwer sagen. Sicher ist nur, dass jemand, der Zugang zu strengvertraulichen Daten hat, das C-Virus entwickelt haben muss. Möglich wäre es durchaus, dass es sich hierbei um einen alten Mitarbeiter handelt oder die Daten wurden anderweitig entwendet, beziehungsweise könnte jemand auch die Strengvertraulichkeit missbraucht haben", antwortete der Veteran. „So oder so, es ist kein gutes Omen, und so was wie auf der Marhawa Akademie, darf auf gar keinen Fall noch einmal passieren."

Leider war die unbekannte Frau entkommen und gewiss längst abgetaucht. Die BSAA hatte zwar Agenten auf den Fall angesetzt, aber aufgrund mangelnder Informationen und nur einer äußerst vagen Personenbeschreibung, würden sie sicherlich kaum etwas erreichen, da sich die Spur im Sand verlaufen würde. Die Aussichten auf Erfolg waren von Anfang an ernüchternd. Nichtsdestotrotz würden sich die Agenten umhören, aber es war unwahrscheinlich, dass sie der Frau auf die Schliche kämen. Chris befürchtete leider, dass, wenn sie das nächste Mal von der Unbekannten hörten oder sie sahen, dann wäre es an einem Ort, der dem Marahwa Vorfall gleichkam – ergo auf dem nächsten Testgelände für das C-Virus.

Es war absehbar und lediglich eine Frage der Zeit, bis sie wieder auftauchen und höchstwahrscheinlich für noch mehr Chaos sorgen würde. Chris hoffte bloß – mehr sogar, er schwor sich –, dass sie beim nächsten Mal nicht davonkäme. Nächstes Mal würde er und sein Team diese mysteriöse Frau schnappen und ihr einen Riegel vorschieben, ehe sie das C-Virus weiterverbreiten oder weiterentwickeln könnte - was auch immer sie schlussendlich konkret damit vorhatte. Egal ob sie eigennützige Ziele verfolgte, von einem Auftraggeber bezahlt wurde oder letztendlich das Virus als Produkt auf dem Schwarzmarkt als Biowaffe anbieten wollte. Sie musste aufgehalten werden, damit keine noch größere Katastrophe geschah. Das Leiden der Marhawa Schule war bereits schwerwiegend genug. Noch mehr Vergehen von ihr bedurfte Chris nicht.

Being a Hero isn't easy || A Nivanfield Story [Resident Evil] - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt