Essen. .

Beim Projekt „Still-Leben“ auf der A 40 wirbt ein ganz besonderer Französischkurs fürs Nachbarland. Dann werben die überzeugten Trikolore-Fans aus Essen an der Anschlussstelle Huttrop, Block 47, Tisch 9 für das „savoir vivre“.

Es ist der wahrscheinlich längste Französischkurs der Welt - und mehr als das. Seit 23 Jahren trifft sich Nadine Viré wöchentlich mit einer handvoll frankophiler Essener, um über Gott und die Welt zu parlieren oder auch über das Leben wie Gott in Frankreich. Nadine Viré kennt sich da bestens aus, sie stammt aus der schönen Provence und hat im rauen Ruhrgebiet eine zweite Heimat gefunden.

„Sie ist eine tolle Botschafterin für Frankreich“, schwärmt Bärbel Kluge, die schon seit 17 Jahren dabei ist. Ursprünglich wollte sie sich nur den nötigen Wortschatz für die Frankreich-Urlaube mit der Familie zulegen, dann wurde aus dem Kurs eine Leidenschaft. Hier nämlich wird wird nicht mit dem Lehrbuch hantiert, hier erzählen sich sieben Frauen und ein Mann jeden Donnerstagabend, was sie erlebt haben.

„Quoi de neuf?“ - „Was gibt’s Neues?“ - heißt das Motto. Es ist so schlicht wie wirkungsvoll, weil es a) die Teilnehmer zum Sprechen zwingt und b) en passant in jedes nur denkbare Wortfeld führt: Die eine berichtet vom Ärger auf der Arbeit, die andere vom kaputten Geschirrspüler, die dritte von dem spannenden Buch, das sie gerade liest et cetera. „Ab und zu taucht nach all der Zeit noch ein Wort auf, das wir nicht kennen“, sagt Bärbel Kluge. Auch Fehler werden noch immer gemacht und von Nadine Viré stets korrigiert.

Lesung aus dem Kleinen Prinzen

Manchmal diskutiert die Gruppe auch über das politische Geschehen in Frankreich, wobei die Liason zwischen Präsident Nicolas Sarkozy und Carla Bruni für den einen noch unter den erweiterten Politikbegriff fällt - für den anderen schon unter Klatsch. Nadine Viré selbst sei vielseitig interessiert und bei der Themenwahl tolerant, nur bei Anglizismen kenne sie kein Pardon, erzählt Bärbel Kluge. „Nadine ist promovierte Literaturwissenschaftlerin und kämpft für ein angenehm altmodisches Französisch.“

Aus ihren Kursteilnehmern sind längst „meilleurs amis“ („beste Freunde“) geworden, die sich alljährlich zu einem formidablen Weihnachtsessen treffen und seit Jahren eine gemeinsame Fahrt nach Paris planen. Ein anderes Projekt haben sie jetzt unverzüglich auf die Beine gestellt: Am Sonntag, 18. Juli, nehmen sie am „Still-Leben“ auf der gesperrten A 40 teil. Bei diesem Fest der Alltagskulturen werben die überzeugten Trikolore-Fans an der Anschlussstelle Huttrop, Block 47, Tisch 9 für das „savoir vivre“.

Sie werden aus dem „Kleinen Prinzen“ vorlesen, mit den Besuchern den berühmten Kanon „Frère Jacques“ anstimmen und zu „Sur le pont d’ Avignon“ eventuell sogar tanzen. Letzteres mag mit ein wenig französischem Wein noch besser gehen.