Unsere Serie zur EM 2008: "Helden". Den Auftakt macht der deutscheste Held aller Zeiten: Siegfried.Ein Drachentöter als Opfer adeliger Stutenbissigkeit - im Film auch schon mal Hammerwerfer

Ein Hammer, der Mann, wenn auch kein großer Wurf als Darsteller: Uwe Beyer.  Foto: cinetextBeruf Held: Siegfried aus der Sicht des Karikaturisten Heiko Sakurai.
Ein Hammer, der Mann, wenn auch kein großer Wurf als Darsteller: Uwe Beyer. Foto: cinetextBeruf Held: Siegfried aus der Sicht des Karikaturisten Heiko Sakurai. © CINETEXT

Viel Wunderdinge melden die Mären alter Zeit Von Helden, von großer Kühnheit, Von Freud' und Festlichkeiten, Weinen und Klagen, Von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen. (Erste Strophe) Sogar in britischem Mahagoni des Regals machen sich diese goldgeprägten Girlanden auf dem schwarzen Lederbuchrücken gut. Doch wahrhaft artgerecht platziert war es wohl in der dunklen deutschen Eiche des Bücherschranks, den Großvater damals besaß. "1. IV. 1927" trug er auf einer der Buchseiten ein. Dies war das neunte Jahr nach dem verlorenen Krieg, das neunte Jahr ohne Kaiser, ohne Helden, Ehre und Ruhm. Und dies war der Tag, an dem Großvater das "Nibelungenlied" der Reichsdruckerei Berlin erwarb. Dieses Buch hatten da viele deutsche Bücherschränke gemein.

Denn: Gibt es eine deutschere Sage als diese? Hat es je deutschere Recken als Siegfried gegeben? Als diesen Heroen, der Großes vollbrachte, und wie nebenbei noch einen Drachen bezwang? Wobei wir übersehen wollen, dass es ein Deutsches Reich etliche Jahrhunderte später erst gab.

Seien wir also nicht kleinlich; kompliziert ist die Story schon genug. Sie spielt in einer dunklen Vergangenheit, mystisch wie Avalons Nebel. Siegfried, den edlen Königssohn aus Xanten zieht es nach Worms, wo er Kriemhild, die hinreißende Burgunder-Königstochter, freien wird.

Er hat längst mehr geleistet als handelsübliche Helden es tun. Er hat den Schatz des toten Königs Nibelung - als "Rheingold" bekannt - erworben, indem er dessen erbstreitenden Söhne samt 700 Gefolgsleuten mit seinem Wunderschwert Balmung erschlug. (Die intrigante Sippschaft hatte ihn umbringen wollen, Siegfried wehrte sich bloß). Bei der Gelegenheit nahm er noch dem Zwerg Alberich eine unsichtbar machende Tarnkappe ab. Ferner badete er im Blute des Drachen, den er erschlug, so dass er eine unverletzliche Hornhaut bekam - verletzbar nur an einer Stelle, auf die, als er badete, ein Lindenblatt fiel.

Richard Wagner hat die Sage im "Ring des Nibelungen" gefeiert; Friedrich Hebbel verewigte sie als Trilogie. Danach verfilmte sie Harald Reinl, der auch "Winnetou" I - III sowie "Wir hau'n die Pauker in die Pfanne" schuf. Es wäre eine Paraderolle für Arnie Schwarzenegger gewesen, doch den kannte in der Filmbranche noch keiner. Als Siegfried zog Uwe Beyer durch das Reich der Burgunder. Hammerwerfer war er, entsprechend seine mimische Kunst. Seine Muskeln: ein wenig zu prollig, um edel zu wirken. Immerhin war er blond, wobei Reinls Drachen allerdings einem genmanipulierten Grottenolm glich.

Siegfried hätte an Kriemhilds Seite ein glückliches Leben gelebt. Doch Stutenbissigkeit machte ihm den Garaus. Denn Brunhild, die Gattin von Kriemhilds Bruder Gunther, streitet mit Kriemhild darüber, wer von ihnen höheren Ranges sei. Und als Brunhild offenbart wird, dass es nicht ihr Gunther war, der einst in der Hochzeitsnacht über sie kam, sondern Siegfried, unsichtbar im Tarnkappenkleid (was eigentlich nicht für eine Heldentat spricht), ist es mit Siegfried vorbei: Hagen von Tronje - man könnte ihn zum moralischen Prekariat zählen - soll die Schande ausbügeln. Er kennt Siegfrieds Schwachstelle; er sticht hinterrücks zu.

Es versöhnt den Gerechtigkeitssinn, dass Kriemhild Jahre später aus Rache Hagens Kopf mit Siegfrieds Schwert von Hagens Körper trennt. Dass auch sie stirbt, ist bitter, doch es erklärt das Ende dieses deutschen heroischen Lieds:

Ich kann euch nicht bescheiden, was seither geschah, Als daß man Fraun und Ritter immer weinen sah, Dazu die edlen Knechte um lieber Freunde Tod.

Hier hat die Mär ein Ende, das ist die Nibelungennot.