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Meinung Katholische Kirche

Konzil ist Chance für mehr Partizipation in der Kirche

Papst Benedikt XVI. muss die innerkirchlichen Lagerkämpfe endlich überwinden Papst Benedikt XVI. muss die innerkirchlichen Lagerkämpfe endlich überwinden
Papst Benedikt XVI. muss die innerkirchlichen Lagerkämpfe endlich beenden
Quelle: dapd/DAPD
2012 wird zum Schicksalsjahr für die katholische Kirche. Sie muss endlich den Konflikt zwischen Progressiven und Konservativen überwinden.

Die Jahre 2009, 2010 und 2011 waren katholische Schicksalsjahre. Erst die Irritationen über die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Pius-Bruderschaft, dann die Welle der Missbrauchsvorwürfe, die den deutschen Bistümern einen Rekord an Austritten bescherte, schließlich der Richtungsstreit zwischen den sogenannten Reformern und den Hütern der Tradition, der auch durch den Papstbesuch im September nicht entschärft wurde. Der Konflikt lastet schwer auf dem neuen Jahr.

Zwei Züge rollen nebeneinander her. In dem einen Zug fahren Theologen, die das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) als Bruch mit der Vergangenheit deuten, als Neustart, als eine Art Wasserscheide. In dem anderen wird das Gegenteil beschworen: eine organische Kontinuität mit dem gesamten Strom der Überlieferung. Für diese Position stehen Benedikt XVI. und sein Berater Karl Josef Becker, der im Februar – zusammen mit dem Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki – in den Kardinalsstand erhoben wird. Benedikt hat schon 1988 als Kurienkardinal dazu aufgerufen darzustellen, was das Konzil ist: „ein Teil der ganzen und einzigen Tradition der Kirche und ihres Glaubens“. Durchgedrungen ist er damit nicht.

Die Lagerkämpfe dauern an. Das Konzilsjubiläumsjahr 2012 könnte eine Milderung des Konflikts bringen. Vorausgesetzt, beide Flügel nähern sich mit mehr Demut den Konzilstexten und benutzen das Vaticanum II nicht länger als Steinbruch, aus dem sich für die eigene Argumentation das jeweils Passende herausholen lässt. Es scheint Konsens zu werden, dass die Aussagen über die Kirche, die Liturgie und über die göttliche Offenbarung nach 50 Jahren noch nicht zur Gänze in das Bewusstsein der Gläubigen eingedrungen sind.

Konservative und Progressive sind faule Kompromisse eingegangen

Das hängt mit einem Geburtsfehler vieler Dokumente zusammen. Konservative und Progressive hatten sich, notgedrungen, auf Formulierungen eingelassen, die faulen Kompromissen ähneln. So wurde nach aufgeschlossen klingenden Passsagen über die Kirche als „Geheimnis“ und als „Volk Gottes“ , dessen sämtliche Mitglieder grundsätzlich gleichwertig sind, schon in folgenden Kapiteln, trotz der Bekenntnisse zur Kollegialität und Geschwisterlichkeit, die alte hierarchische Struktur festgeschrieben.

Die päpstliche Unfehlbarkeit wurde praktisch nach Belieben ausgedehnt, wovon Rom ausgiebig Gebrauch macht. Viele Texte, so klagten Konzilsbeobachter, haben zwei Melodien, sind ambivalent. Auf diese Weise kamen fast einstimmige Mehrheiten zustande. Zulasten der Klarheit. Mit fatalen Folgen bis heute. Der „Konzilsgeist“ wird gegen den „Konzilsbuchstaben“ ausgespielt und umgekehrt. Dabei weiß man sehr wohl, für welche Option die breite Mehrheit der Konzilsväter sich entschieden hätte – von rund 2700 Bischöfen waren nur etwa 300 harte Traditionalisten.

Wer also gegen eine restriktive Auslegung des zweiten Vaticanum auftritt und sich dabei auf den Geist des Konzils beruft, beruft sich in Wahrheit nicht auf einen Ungeist, sondern auf die verantwortlich gebildete Überzeugung der Mehrheit in der Aula von Sankt Peter – das hat der Theologe Otto Hermann Pesch schon vor Jahrzehnten klarzustellen versucht. Diejenigen, die Vorbehalte gegen die Reformen haben, haben sich nie auf den Konzilsgeist berufen, sondern nur auf die Texte. Darin manifestiert sich die Ambivalenz.

Konzil hat Verhältnis zu anderen Religionen neu bestimmt

Das Konzil hat das Verhältnis zu anderen Religionen, allen voran dem Judentum, neu bestimmt: der größte Zugewinn, den die Bischofsversammlung der Kirche gebracht hat. Es gibt eine Pluralität der gottesdienstlichen Ausdrucksformen, einen intensiveren Dialog mit der Bibel, einen Aufbruch in der Ökumene, mit dem die katholische Kirche ihren Auftrag der Universalität dienend entfaltet hat. Das Dekret über die Religionsfreiheit, mit dem die Kirche nach den Worten von Papst Benedikt einen wesentlichen Grundsatz des modernen Staates anerkannt und übernommen hat, ist, wie könnte es anders sein, einer der umstrittensten Punkte in den Gesprächen Roms mit den traditionalistischen Pius-Brüdern, die sich zudem über das „Hauptübel des Ökumenismus“ empören.

Noch Pius XII. hatte die Identität der – angeblich –von Christus gestifteten Kirche mit der römisch-katholischen Kirche behauptet. Das Konzil fand eine versöhnlichere Formulierung. Nun hieß es, dass die Kirche Jesu Christi „verwirklicht ist (subsistit in) in der katholischen Kirche, welche vom Nachfolger Petri und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Das schließt nicht aus, dass außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hinwirken.“ Doch seitdem gab es diverse Absetzbewegungen von dieser komplizierten Festlegung.

Als Glaubenspräfekt, in der aufsehenerregenden Erklärung „Dominus Jesus“ vom August 2000, und als Papst reklamierte Joseph Ratzinger für die römisch-katholische Kirche wieder ein Alleinstellungsmerkmal: nur in ihr sei die von Christus gestiftete Kirche umfassend verwirklicht. Die reformatorischen Kirchen fühlten sich logischerweise brüskiert, katholische Bischöfe und Theologen gingen deshalb vorsichtig auf Distanz zu Rom: Bis zur Stunde belastet diese Causa den ökumenischen Dialog – und ruft nach Klärung wie so vieles andere.

Zentralistische Struktur ist nicht wesenhaft für die Kirche

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Der Souverän der Kirche sei Jesus Christus, nicht das Volk, hat Kardinal Reinhard Marx jüngst im „Welt“-Interview gesagt. Schließt das Nachdenken über Veränderungen der Strukturen aus? Es wäre gewagt, den heutigen römischen Zentralismus auf den Mann aus Nazareth zurückzuführen. Die zentralistische Struktur ist nicht wesenhaft für die Kirche. Veränderungsfähigkeit ist keine Erfindung der Moderne, sondern kommt aus der Tradition der Kirchenväter. Warum sollen mehr synodale Strukturen und mehr Mitsprache, von unten nach oben, des Teufels sein?

Da die Kirche als Ganzes als Sakrament Christi verstanden wird, vertritt sie auch in ihrer Gesamtheit Christus. Jeder Getaufte, nicht nur der (geweihte) Kleriker, hat teil an der Vollmacht, zu lehren, zu leiten und zu heiligen. Natürlich ist die Kirche keine Demokratie im klassischen Sinn. Doch lassen sich mit dem Argument, über die Wahrheit könne man nicht abstimmen, Partizipationswünsche nicht einfach abblocken. Die Kirchengeschichte zeigt es: Gerade über Glaubenssätze ist auf Konzilien nach heftigen Diskussionen durch Abstimmung entschieden worden.

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