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Meinung Rede im US-Kongress

Benjamin Netanjahu – mutig oder hasenfüßig?

Henryk M. Broder (l.) und Alan Posener streiten Henryk M. Broder (l.) und Alan Posener streiten
Henryk M. Broder (l.) und Alan Posener streiten
Quelle: Martin U. K. Lengemann
Jüngst hielt Israels Premier die Rede seines Lebens: Im US-Kongress warnte er vor einem schlechten Atom-Deal mit dem Iran. Über den Auftritt streiten unsere Autoren Alan Posener und Henryk M. Broder.

Posener: Er hat Israel keinen guten Dienst erwiesen. Den Präsidenten der USA brüskieren – das tut man nicht als israelischer Ministerpräsident, wenn man noch alle Tassen im Schrank hat.

Broder: Soll er die Klappe halten, bis der Iran die A-Bombe hat und sein Versprechen wahrmachen kann, das „zionistische Krebsgeschwür“ von den Seiten der Geschichte zu entfernen? Nur um den US-Präsidenten nicht zu brüskieren, der seinerseits die Existenz Israels aufs Spiel setzt, weil er den Deal mit dem Iran braucht, um am Ende seiner Amtszeit wenigstens einen „Erfolg“ vorweisen zu können.

Posener: Netanjahu hätte die Rede lieber in Kairo oder Amann halten sollen. Denn die arabischen Staaten haben noch mehr Angst vor dem Iran als Israel. Oder in Paris oder Berlin. Denn die Europäer haben Obama daran gehindert, dem Iran noch mehr Konzessionen zu machen. Ein „Danke, Angela, danke Francois“ wäre allemal besser gewesen als die Aufforderung an die Juden Europas, abzuhauen. So hat Netanjahu alle gegen sich aufgebracht.

Broder: Netanjahu muss die arabischen Staaten nicht von der Gefährlichkeit der iranischen Pläne überzeugen. Die beiden einzigen Orte, von denen eine Gefahr für Israel ausgeht, sind Teheran und Washington D.C. Und einen Grund, sich bei den Europäern zu bedanken, gibt es auch nicht. Die handeln im eigenen Interesse. Ginge es nur um Israel, hätten sie das Bauernopfer längst gebracht.

Posener: Zum Glück handeln die Araber und Europäer im eigenen Interesse und nicht aus Philosemitismus. Auf Interessen ist nämlich Verlass, nicht auf Gefühle. Die USA gucken jetzt auch unsentimental auf die Dinge und sagen: Wir sind ja nicht unmittelbar vom Iran bedroht. Eben deshalb hätte Netanjahu mehr die Interessenidentität von Europa, Israel und den Arabern betonen müssen. Es ist auch absurd zu sagen: Juden, kommt nach Israel, dort seid ihr sicher – und dann ein paar Tage später die Auslöschung Israels durch den Iran an die Wand zu malen.

Broder: Das stimmt. Bibis Argumentation ist nicht frei von Widersprüchen. Das hat er mit Obama, Merkel, Hollande und dem Ministerpräsidenten von Belgien gemeinsam. Ich finde auch, dass Interessen vor Sentimentalitäten kommen. Deswegen ist es richtig, dass der Premier von Israel die Interessen Israels vertritt, statt auf die Empfindlichkeiten des US-Präsidenten Rücksicht zu nehmen. Im Gegensatz zu den depperten Juden in der Diaspora haben die Israelis begriffen, dass weder Appeasement noch geduldiges Abwarten etwas bringen. Zum ersten Mal seit dem Aufstand der Makkabäer gibt es Juden (in diesem Fall Israelis), denen es egal ist, was andere von ihnen denken. Das ist echte Emanzipation.

Posener: Nee, das ist echte Dummheit. Ein Makkabäer hätte vor zehn Jahren, als es noch möglich war, die iranischen Atomanlagen zerstört. Aber Netanjahu hat stattdessen geredet und geredet. Er ist im Kern ein friedfertiger, um nicht zu sagen ängstlicher Mensch. Aber wenn man ein Schaf ist, sollte man nicht im Wolfspelz herumrennen.

Broder: Da bin ich ausnahmsweise deiner Meinung. Das hätte er machen sollen. Es ihm aber vorzuwerfen, er habe es nicht getan, ist doch ein wenig infam. So wie man heute fragt, warum sich die Juden „damals“ nicht gewehrt haben. Die Frage muss doch lauten: Warum hat vor zehn Jahren kein anderer Staat etwas unternommen, warum machen nicht nur die Deutschen immer noch Geschäfte mit dem Iran, warum will sich Obama auf Kosten der Israelis profilieren, und warum ist Netanjahu in dieser Posse the bad boy und nicht Obama, der immer dann, wenn es irgendwo brennt, zum Golfen fliegt?

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