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Meinung Nach Brexit

Nuklearer Schutzschild kann Verhandlungen entscheiden

Fast 50 Milliarden Euro für Atom-U-Boot-Flotte

Mit großer Mehrheit hat das britische Parlament die Erneuerung der strategischen Atom-U-Boot-Flotte beschlossen. Innerhalb von 20 Jahren werden nun die vier alten Boote der „Vanguard-Klasse“ ausgetauscht.

Quelle: Die Welt

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Theresa Mays Regierung modernisiert die britische Atomflotte. Auch nach dem Brexit sind die Europäer auf das Abschreckungspotenzial angewiesen – sollte ein Trump-Amerika den Schutz reduzieren.

Als ich dem Kommandanten eines französischen U-Boots auf russische atomare Drohungen gegen Polen berichte, erwidert er heftig: „Niemand rührt Frankreich an. Ich allein garantiere das mit meiner Crew.“ Die kann 96 Sprengköpfe 6000 Kilometer weit verschießen.

Angesichts der Aggressionen von Moskau bis Pjöngjang und vielleicht bald auch aus Islamabad oder Teheran wirkt solche Zuversicht beruhigend. Das gilt auch für die Berlin-Besucherin Theresa May, die die Modernisierung der Trident-Boote ins Zentrum ihrer Anwartschaft auf die Tory-Spitze stellte:

„Es wäre der reine Wahnsinn, auch nur eine Sekunde daran zu denken, Britanniens eigenständige nukleare Abschreckung aufzugeben. Wir brauchen einen kompletten Satz von vier Booten, um rund um die Uhr jeden Gegner in Schach halten zu können. Wir bleiben an der Seite unserer NATO-Partner und stehen voll zu unseren globalen Verpflichtungen.“

Britische Atomwaffen mit bis zu 30 Dienstjahren

Die 59-jährige Pfarrerstochter wollte Vanguard, Victorious, Vigilant und Vengeance nicht nur im aktiven Dienst halten. Die 16.000-Tonnen-Kolosse mit sechzehn Raketen, die je acht Nuklearwaffen in 12.000 Kilometer entfernte Ziele tragen können, waren mit bis zu dreißig Dienstjahren nicht mehr jung.

Das Trident-Raketensystem im Bauch des britischen U-Boots HMS Vigilant
Das Trident-Raketensystem im Bauch des britischen U-Boots HMS Vigilant
Quelle: Getty Images/Getty Images Europe

May wollte deshalb bis zum Ende des Jahrzehnts sicherstellen, dass sie durch modernere Exemplare ersetzt werden, um selbst gegen eine wachsende Zahl konventioneller und nuklearer Bedrohungen gewappnet zu sein.

Denn Länder, die Brüssel zwar nicht sonderlich mögen, aber die Kombination aus wirtschaftlicher Partnerschaft in der EU und dem militärischen Bündnis in der NATO schätzen, sehen seit dem Brexit einen der beiden EU-Nuklearpfeiler plötzlich außerhalb des gemeinsamen Raumes. Lediglich Frankreich mit ebenfalls vier – und nur wenig kleineren – U-Booten der Triomphant-Klasse ist in Europa so unantastbar.

Unterhaus hat Ersatz für Atomflotte bewilligt

Am 13. Juli wurde May Premierministerin. Am 18. Juli bewilligte ihr das Unterhaus Ersatz für die zwischen 1993 und 2001 in Dienst gestellten Boote der Vanguard-Klasse, die noch mehr können als die französischen. Entsprechend verkündet Boris Johnson am 18. Juli Brüssel als ungetrübter neuer Außenminister: „Wir verlassen die EU, aber wir denken in keiner Weise daran, unsere führende Rolle in Europa aufzugeben”. Da spricht kein Bittsteller.

Die HMS Vengeance: Boote dieser Klasse sind das Rückgrat der britischen Atomstreitmacht
Die HMS Vengeance: Boote dieser Klasse sind das Rückgrat der britischen Atomstreitmacht
Quelle: Getty Images/Getty Images Europe

Zwar reibt man sich hierzulande noch die Hände über den Zustrom englischer Könner. Doch die Topverdiener werden nach Nizza und der Axt im Bahnverkehr erst einmal innehalten. Bevor sie Aston Martins nach Berlin schicken, kommt ihnen vielleicht ein Video mit Linksautonomen ins Visier, die solche Boliden gerne abfackeln.

Während May und Johnson also noch Schmähungen zu hören bekommen, gelingt ihnen ein souveräner Auftritt zur Werbung um Partner, die Freihandel, Geldverkehr und globale Vernetzung wollen. Gerade die Investition in den nuklearen Schutzschild könnte den Ausschlag geben.

Neue Gemeinschaft innerhalb der OECD?

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Der gesamte Norden von Island über die skandinavische Halbinsel bis hin nach Estland ist wachsam. Niemand dort kann sich effektiv verteidigen, und ein Trump-Amerika könnte den Schutz reduzieren.

Die ökonomische und mentale Verwandtschaft zu den Briten aber spüren alle und ihre Sprache beherrschen sie auch. Multinational und aus der oberen Liga der OECD käme da eine Gemeinschaft zusammen, die auch für die Besten aus dem übrigen Europa interessant würde.

Der Autor ist Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe, emeritierter Professor für Sozialpädagogik an der Universität Bremen und freier Publizist

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