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Meinung Gastbeitrag

Im Sudan kämpfen zwei Generäle darum, wer das Volk ausbeuten darf

Sudanese people, loyal to the national army attend a demonstration to support the army chief Abdel Fattah al-Burhan against his rival Mohamed Hamdan Daglo (Hemeti) the leader of Rapid Support Forces (RSF) in Al Qadarif city, Sudan on April 20, 2023. United Nations aid chief Antonio Guterres calls warring sides in Sudan to implement a three-day ceasefire marking the Eid al-Fitr holiday to allow trapped civilians to escape and access medical treatment, food and other essential supplies. Photo by Sudan News Agency / UPI Photo via Newscom picture alliance Sudanese people, loyal to the national army attend a demonstration to support the army chief Abdel Fattah al-Burhan against his rival Mohamed Hamdan Daglo (Hemeti) the leader of Rapid Support Forces (RSF) in Al Qadarif city, Sudan on April 20, 2023. United Nations aid chief Antonio Guterres calls warring sides in Sudan to implement a three-day ceasefire marking the Eid al-Fitr holiday to allow trapped civilians to escape and access medical treatment, food and other essential supplies. Photo by Sudan News Agency / UPI Photo via Newscom picture alliance
Anhänger von General Abdel Fattah al-Burhan in Al Qadarif City
Quelle: picture alliance / Newscom
Europa hat es verpasst, die Demokratiebewegung im Sudan stärker zu unterstützen. Jetzt versinkt das Land im Chaos, und Russland will an Einfluss gewinnen. Dennoch hat Deutschland Möglichkeiten, dem Sudan mittelfristig zu helfen.

Der Sudan brennt: Hunderte Tote binnen weniger Tage, Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete ohne Rücksicht auf Zivilisten, auf Krankenhäuser und sogar auf Fahrzeuge, die Verwundete und Kranke transportieren. Die gewaltige Eskalation des Konflikts im Sudan zwischen ehemals im Putsch verbündeten Generälen, die sich jeweils die Vorherrschaft sichern wollen, ist ein Albtraum. Die Eruption kam plötzlich, aber der Konflikt hatte sich in den vergangenen Wochen bereits angebahnt.

Die Vergangenheit war geprägt von gewaltsamen Konflikten zwischen dem islamisch-arabisch geprägten Norden und dem christlich geprägten Süden. 1989 putschte sich der Diktator Omar al-Baschir an die Macht. Mit Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate und Ägyptens regierte er das Land islamisch-fundamentalistisch mit harter Hand. Al-Baschir ist inzwischen beim Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.

Christoph Hoffmann FDP
Unser Gastautor: Afrika-Experte Christoph Hoffmann, Bundestagsabgeordneter der FDP
Quelle: Hoffmann

Auch in der westsudanesischen Darfur-Region gab und gibt es immer wieder gewaltsame separatistische Bestrebungen. In Darfur leben inzwischen 1,5 Millionen Menschen als Flüchtlinge in 60 Lagern. In Westdarfur ist parallel zu den aktuellen Kämpfen in der Hauptstadt ein ethnischer Konflikt zwischen afrikanisch- und arabischstämmigen Gruppen entbrannt.

Russland spielt im Sudan das gleiche Spiel wie in vielen anderen afrikanischen Staaten: Bodenschätze gegen Sicherheit. Es gibt zwar keine Belege, dass russische Wagner-Söldner an den Kämpfen im Sudan beteiligt sind. Waffenlieferungen von Wagner an die Rapid Support Forces (RSF), unter anderem von Flugabwehrraketen, sind aber bestätigt.

Sudan ist das drittgrößte Gold-Förderland des afrikanischen Kontinents. 2022 gab es Berichte, dass Russland riesige Mengen Gold aus dem Sudan fliegt. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin soll den Export über seine Söldner geschützt und über eine sudanesische Firma, die einem russischen Unternehmen gehört, organisiert haben.

Davon abgesehen hat Russland auch klare geostrategische Ziele: Moskau plant, in der Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer einen Marinestützpunkt zu errichten. Die Pläne Russlands zeigen sich auch in anderen Ländern des Kontinents wie Mali, Tschad und Zentralafrika, wo die Wagner-Gruppe Regierungsumstürze und regionale Konflikte befeuert.

Offensichtlich versucht die Wagner-Gruppe im Auftrag Putins, ein Bündnis antiwestlicher Staaten in Afrika aufzubauen. Erst kürzlich sagte Prigoschin offen, es gehe ihm um „eine Befreiung des afrikanischen Kontinents von westlichen Besatzern“.

Das Ansinnen dabei liegt auf der Hand: Russland will neben materiellen und geostrategischen Zielen Unfrieden in der Region stiften, um Kräfte des Westens auch auf dem afrikanischen Kontinent und durch Flüchtlingsströme zu binden und ihr Engagement in der Ukraine zu schwächen.

Den Erfolg Russlands und auch Chinas, in zahlreichen afrikanischen Ländern Fuß zu fassen, hat Europa in Teilen selbst zu verantworten. Zu zögerlich, zu bürokratisch, zu paternalistisch belehrend kamen die Kooperationsbemühungen oft daher. Das ließ eine unkomplizierte Zusammenarbeit mit Russland oder China, die schnelle Erfolge verspricht, oftmals attraktiver erscheinen.

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Welche Chancen haben Deutschland und Europa heute noch auf dem viel beschworenen „Chancenkontinent“? Im Sudan hat Deutschland wie in anderen afrikanischen Ländern das „window of opportunity“ verpasst, die Demokratiebewegung auf der Straße und vor allem die zivilen Teile der Übergangsregierung stärker zu unterstützen.

Zivile Mittel für eine neue Generation

Die zivile Regierung ist gescheitert, weil sie zu wenig Erfahrung, zu wenig Ausbildung in demokratischen Strukturen und Prozessen hatte und sich nicht gegen die Militärs durchsetzen konnte.

Deutschland und Europa haben aber die zivilen Mittel, jetzt eine neue Generation aufzubauen. Eine Generation von Bürgern und Politikern, die selbstbewusst demokratische und freiheitliche Reformen vertritt und die Fähigkeit hat, diese auch umzusetzen.

Dafür muss Deutschland jedoch sein Engagement in Afrika massiv ausweiten – sowohl entwicklungspolitisch als auch ökonomisch. Eine gut ausgebildete Bevölkerung mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zukunftsperspektiven ist deutlich weniger anfällig für Konflikte.

Deutsche Unternehmen brauchen mehr Mut, aber auch mehr politische Unterstützung, Standorte in Afrika auf- und auszubauen. Im besten Fall entsteht dadurch die Win-win-Situation, dass durch neue Arbeitsplätze Fortschritte bei der Armutsbekämpfung erreicht werden und gleichzeitig Zugang zu erneuerbaren Energien und Rohstoffen möglich wird.

Denn Deutschland muss sich in Zeiten von Energie- und Rohstoffknappheit ehrlich machen: Was sind unsere Interessen, und mit welchen Verbündeten möchten wir diese Interessen umsetzen? Dafür brauchen wir auch eine Zeitenwende in der Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungspolitik muss strategisch künftig mehr mit Wirtschaftspolitik und Geopolitik zusammen gedacht werden.

Damit entstehen automatisch Prioritäten, die beispielsweise ein stärkeres Engagement im Sudan zur Folge haben können. Für das bitterarme Land mit seinen zahlreichen Konflikten, massiven wirtschaftlichen Problemen und einer unsicheren Ernährungslage wäre das ein wichtiger Schritt.

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Als Erstes müssen die Großmächte aber Druck auf die Konfliktparteien ausüben, Friedensverhandlungen zu führen. Denn die Alternative zu den seit Jahrzehnten andauernden Machtkämpfen zwischen militärischen Gruppierungen kann nur sein: Wahlen, Demokratie und eine Armee in Kasernen anstatt in der Regierung.

Parallel dazu müssen deutsche und europäische Wirtschafts- und Entwicklungskooperationen mit Bildung und Arbeitsplätzen dafür sorgen, dass der Reichtum des Landes mit seinen zahlreichen Bodenschätzen fairer verteilt wird. Wenn ein Regime nicht zukunftsfähig und bilaterale Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist, ist die Schaffung von Studienplätzen und Ausbildungsmöglichkeiten das Mittel der Wahl.

Das befähigt die Menschen, das Land nach einem möglichen Regime Change aufzubauen. Mein Plädoyer für die Zukunft des Sudans: Studienplätze auch in Deutschland schaffen für eine neue Generation und für politische Bildung sorgen, damit eine Zivilregierung das nächste Mal die Kraft hat, sich gegen machthungrige Militärs durchzusetzen.

Christoph Hoffmann ist Bundestagsabgeordneter der FDP und amtierender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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