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Geld Anzeichen für Krise

Der Angstindex erreicht bedrohliche Tiefstände

Finanz-Redakteur
Monatelang war es an den Finanzmärkten ungewöhnlich ruhig. Doch es könnte die Ruhe vor einem neuerlichen, heftigen Sturm gewesen sein. Erste Anzeichen für neue Turbulenzen zeigen sich bereits.

Lange war es ruhig, gespenstisch ruhig. Die Aktienkurse an den Börsen schwankten in den vergangenen Monaten nur noch minimal, und wenn sie sich bewegten, dann nach oben. Am Markt für Anleihen sah es nicht anders aus. Und selbst beim Ölpreis tat sich trotz neuer Krisen in Nahost zuletzt kaum etwas.

Doch damit könnte es nun vorbei sein. Denn seit dieser Woche ist plötzlich wieder mehr Leben an den Börsen, und am Donnerstag gab der Deutsche Aktienindex (Dax) zeitweise sogar um fast zwei Prozent nach, fiel fast bis auf 9600 Punkte. Ein wesentlicher Grund waren neue Sorgen um Portugal, wo die Bank Espirito Santo in Schieflage geraten ist.

Schluss mit lustig. Das Wort „Risiko“ scheint plötzlich wieder zum Sprachschatz der Investoren zu gehören, und schon fragt man sich bei der Deutschen Bank ängstlich, „ob die Wolken am Horizont lediglich Vorboten eines Spätsommergewitters oder aber eines möglicherweise sehr viel schwereren Sturms sind“.

Denn selbst die US-Notenbank (Fed) zeigte sich bei ihrer letzten Sitzung besorgt. Die Mitglieder des Offenmarktausschusses irritierte dem nun veröffentlichten Sitzungsprotokoll zufolge, dass die Anleger immer mehr Risiken eingehen und zu selbstgefällig werden.

Sorgenfalten auf die Stirn treibt den Notenbankern dabei vor allem die geringe Volatilität der vergangenen Monate. Sie wird beispielsweise mit dem sogenannten VIX-Index gemessen. Er gibt wieder, wie hoch die Finanzmarktteilnehmer die künftige Schwankungsbreite im amerikanischen S&P-500-Index einschätzen. Anders ausgedrückt: Das Barometer misst, wie ängstlich die Investoren in die Zukunft schauen.

Der Angstindex fiel auf einen Tiefstand

Und dieser Index deutete in den vergangenen Wochen darauf hin, dass praktisch vollkommene Furchtlosigkeit vorherrscht. Denn der VIX war so tief gesunken wie seit 2007 nicht mehr. In guten Börsenzeiten liegt sein Wert meist zwischen 15 und 20 Punkten. Während der Finanzkrise schnellte er natürlich empor, auf Werte von bis zu 80 Punkten.

Doch seit über zwei Jahren sinkt die Volatilität nun immer weiter, Anfang Juli stand der VIX nur noch knapp über zehn Zählern. Auch das deutsche Pendant, der VDax, erreichte parallel dazu immer neue Tiefststände, und der sogenannte Move-Index, der die Schwankungen am US-Anleihenmarkt misst, war zuletzt nur noch knapp über seinem Allzeittief.

Gleichzeitig hatte der amerikanische Dow-Jones-Index erst in der vergangenen Woche wieder mal ein neues Allzeithoch markiert und war erstmals in der Geschichte über 17.000 Punkte gestiegen. Der S&P-500-Index steht nur noch ganz knapp unter 2000 Zählern, und die Bewertung amerikanischer Aktien liegt inzwischen beim 18-Fachen ihrer Gewinne – deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.

Auf der anderen Seite haben sich jedoch die wirtschaftlichen Aussichten in den vergangenen Monaten wieder deutlich eingetrübt. Christine Lagarde, Chefin des Weltwährungsfonds, deutete zu Beginn der Woche an, dass die Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft gesenkt werden müssen. In Großbritannien sank die Industrieproduktion zuletzt so stark wie seit 16 Monaten nicht mehr, und die deutschen Exporte gingen überraschend ebenfalls zurück.

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So langsam schwant daher einigen Daueroptimisten, dass die schönen Zeiten bald zu Ende sein könnten. „Investoren, die gerade noch euphorisch waren, bereiten sich nun auf stärkere Schwankungen vor“, sagt Matt McCormick, Manager bei der US-Fondsgesellschaft Bahl & Gaynor, die rund elf Milliarden Dollar verwaltet. „Sie erkennen, dass die Wirtschaft und die Finanzmärkte vielleicht doch nicht so stark sind, wie sie glaubten.“

Börsianer schliefen vor Langeweile fast ein

So ist die Volatilität in den vergangenen Tagen auch tatsächlich schon wieder leicht gestiegen. Der VIX kletterte von etwas über 10 auf rund 12,5 Punkte. Der VDax stieg sogar von 12 auf 16 Punkte. Allerdings ist dies im Vergleich zu den Werten, die die Angstbarometer in normalen Zeiten aufweisen, immer noch extrem niedrig.

Die meisten sind daher auch nach wie vor recht entspannt. Für sie ist der leichte Anstieg allenfalls eine technische Korrektur, eine überfällige Gegenbewegung, nachdem die Börsianer zuvor fast vor Langeweile eingeschlafen wären.

Auch bei der Deutschen Bank geht man im konjunkturellen Hauptszenario davon aus, dass es eben nicht zum Herbststurm kommt, sondern nur zu einem Sommergewitter.

Wesentliche Begründung dafür ist die Politik der Notenbanken. Die US-Notenbank werde nach dem Ende des Anleihenkaufs die Zinsen nur sehr allmählich und langsam erhöhen, sodass die Finanzmärkte dies sehr gut abfedern können. Und die Europäische Zentralbank steht Gewehr bei Fuß, um auf weitere konjunkturelle Tiefschläge zu reagieren.

Allerdings sieht die Deutsche Bank auch das Risiko für weit heftigere Turbulenzen. „Die Schlüsselrisiken bestehen darin, dass der steigende Inflationsdruck die Fed zu noch rascheren Zinsanhebungen veranlasst oder dass der Markt auf den Ausstieg der Fed aus dem Anleihenkaufprogramm sehr viel heftiger als von uns erwartet reagieren könnte.“

Erste US-Konzerne überraschen mit guten Quartalszahlen

Und auch von den Unternehmen könnte Gegenwind kommen. Denn in dieser Woche hat in den USA die Berichtssaison begonnen. In den kommenden zwei Wochen werden allein 130 der 500 größten Firmen ihre Zahlen für das zweite Quartal vorlegen. „Angesichts der Berichtssaison rechnen wir mit einer anziehenden Volatilität“, warnt daher auch Peter Tuz von Chase Investment.

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Allerdings: Der Aluminiumkonzern Alcoa, der traditionell als erster US-Konzern seine Quartalsbilanz vorlegt, hatte am Dienstag überaus positiv überrascht. Der Gewinn fiel deutlich höher aus als erwartet. Und ganz ähnlich war es bei einem anderen Vorreiter, American Airlines. Die Fluggesellschaft erhöhte überraschend sogar ihre Prognosen. Beide Aktien stiegen daher um über vier Prozent.

Darin liegt dann auch das andere Risiko: Denn die Volatilität steigt nicht nur, wenn die Kurse sinken, sie steigt auch, wenn sie deutlich anziehen. Aus dem Herbststurm würde dann gewissermaßen eine warme Brise.

Damit dürften Aktienanleger indes ganz gut leben können. Sicher ist in jedem Fall, dass die Langeweile der vergangenen Monate an den Finanzmärkten allmählich zu Ende geht.

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