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Geld Pläne von SPD, Grünen, Linkspartei

Einmalige Abgabe oder Steuer? Die Vermögenden im Visier der Linken

Wirtschafts- und Finanzredakteur
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Das Vermögen anderer weckt Begehrlichkeiten
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Hohe Vermögen sollen stärker belastet werden, fordern SPD, Grüne und Linkspartei. Wegen der Corona-Pandemie ist zudem eine einmalige Vermögensabgabe im Gespräch. Es gibt allerdings mehrere gute Gründe, warum diese Steuer fast ganz aus Europa verschwunden ist.

Die Corona-Krise und ihre Kosten allein genügen vielen im politisch linken Spektrum, um nach einer Vermögensteuer zu rufen. Jetzt kommen noch Rekordkurse an den Börsen hinzu, womit die Reichen schon nach wenigen Tagen des neuen Jahres noch reicher sind. Damit dürfte ein populäres Thema für den Bundestagswahlkampf 2021 gesetzt sein. Damit lassen sich schließlich Emotionen wecken.

Ein Blick hinter die Fassade knapper Wahlkampfslogans zeigt, dass eine zusätzliche Belastung hoher Vermögen nicht so einfach ist – ganz gleich, ob es um die Wiederbelebung der Vermögensteuer geht oder um eine einmalige Vermögensabgabe, wie es sie zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben hat.

Die Bewertung eines Wertpapierdepots ist dank täglicher Börsenkurse simpel, die von Familienbetrieben, Immobilien und Kunstgegenständen dagegen kompliziert. Und wo zieht man die Grenze, um Unternehmenseigentümer nicht so stark zu belasten, dass am Ende womöglich Arbeitsplätze gefährdet sind?

Von den Parteien hat sich bislang nur die Linkspartei klar positioniert. Sie fordert eine einmalige Abgabe auf Vermögen – nach Abzug eines Freibetrags von zwei Millionen Euro bei privaten Vermögen und fünf Millionen Euro bei Betriebsvermögen.

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Der Satz soll stufenweise von zehn bis auf 30 Prozent steigen, die Zahlung muss nicht sofort erfolgen, sondern kann über 20 Jahre gestreckt werden. Erwartete Einnahmen für den Staat nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: 310 Milliarden Euro. Ob eine solche Abgabe rechtlich möglich ist, ist umstritten.

Bei der SPD und auch bei den Grünen, wo man traditionell Sympathien für das Thema hegt, will man sich noch nicht festlegen, wie man in den Wahlkampf geht. Die SPD verabschiedete zwar 2019 ein Konzept für eine Vermögensteuer – ab zwei Millionen Euro Privatvermögen soll es losgehen, mit einem Steuersatz von einem Prozent und erwarteten Einnahmen von zehn Milliarden Euro pro Jahr.

Doch es gibt auf dem linken Parteiflügel genauso Forderungen nach einer einmaligen Vermögensabgabe. Kanzlerkandidat und Pragmatiker Olaf Scholz könnte auch auf einen noch höheren Reichensteuersatz bei der Einkommensteuer hinwirken, hier wären die Hürden niedriger.

Für ihn ist das Thema in jedem Fall weniger eines, um die Kosten der Corona-Krise zu bezahlen, geht er doch davon aus, dass Deutschland nach der Krise wieder aus den Schulden herauswächst. Er sieht darin vielmehr ein Zeichen für den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Gefährliche Abgrenzung

Scholz wirft den Wohlhabenden unsolidarisches Verhalten vor: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der es jene, die sehr reich und mächtig sind, zu oft schaffen, sich gegen eine faire Besteuerung zu wehren, indem sie so tun, als sollten auch all jene belastet werden, die nicht so hohe Einkommen haben. Das werden wir verhindern“, sagte er WELT AM SONNTAG.

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Bei der SPD sieht man die Gefahr, dass sie im Wahlkampf als eine Partei dasteht, die alle Vermögen, auch wenn es nur um 10.000 Euro auf dem Sparbuch geht, besteuern will.

Bei CDU und FDP hält man die ganze Diskussion für aus der Zeit gefallen. „Der weltweite Trend geht dahin, das Vermögen zu besteuern, das am einfachsten zu bewerten ist, nämlich Immobilien – und andere Vermögenswerte nicht oder nur sehr gering und dann pauschal zu besteuern“, sagt der mögliche CDU-Vorsitzende Friedrich Merz.

Eine Vermögensteuer auf Immobilien habe Deutschland mit der Grundsteuer längst. „Damit sollte das Thema Vermögensteuer in Deutschland politisch erledigt sein.“

FDP-Chef Christian Lindner warnt davor, dass die unverhältnismäßig hohen Erhebungskosten schnell das Aufkommen aus einer Vermögensteuer übersteigen könnten. „Am Ende bliebe eine für den Staatshaushalt unbedeutende Neidsteuer, die Sparsamkeit und Leistungsbereitschaft bestraft“, sagt er.

Ganz gleich welche Partei nach der Bundestagswahl in den Koalitionsgesprächen sitzt, geht es bei den Verhandlungen dann um neue Abgaben und höhere Steuersätze, wird auch eine Rolle spielen, wer von den erwarteten Einnahmen profitiert: Die der Vermögensteuer kommen den Ländern zugute, die der einmaligen Vermögensabgabe dem Bund.

Rechtliche Hürden einer Vermögensbesteuerung

Bei der rechtlichen Betrachtung ist zwischen Vermögensabgabe und Vermögensteuer zu unterscheiden. Die Anhänger einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der Belastungen der Corona-Pandemie berufen sich auf Artikel 106 Abs. 1 Nr. 5 des Grundgesetzes. Dort ist von einer „einmaligen Vermögensabgabe“ ausdrücklich die Rede.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verwies jedoch schon 2013 darauf, dass es für die Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe „einer existenzbedrohenden finanziellen Notlage des Staates“ bedarf, in der „weder eine Steigerung der Einnahmen aus den übrigen Steuern noch eine Ausweitung der Kreditaufnahme oder eine entsprechende Ausgabenkürzung möglich ist“. Diese Voraussetzung will nicht zu den Aussagen der Regierung passen, dass zur Bekämpfung der Pandemie genug Geld da ist.

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Für die Vermögensteuer gilt: Sie wurde nie abgeschafft, sondern wird nur seit 1997 nicht mehr erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1995 festgestellt, dass Grundbesitz nicht anders als das übrige Vermögen bewertet werden darf. Genau dies aber geschah durch die veralteten, niedrigen Einheitswerte.

Dies wurde nun mit der Grundsteuerreform geändert, die 2025 in Kraft tritt. Damit sehen Befürworter einer Vermögensteuer eine wichtige Hürde aus dem Weg geräumt. Der Wissenschaftliche Dienst bremste allerdings schon 2019: „Die Grundsteuerreform führt nicht zu einer unmittelbaren Wiederbelebung der Vermögensteuer.“ Es gebe lediglich eine „Sachnähe“ zwischen beiden Themen.

So verteilt sich das Vermögen im Land

Fragt man die Menschen, ob sie sich für vermögend halten, sagen viele erst einmal Nein. Um sich selbst richtig einzuordnen, hilft das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), eine seit 1984 regelmäßige Befragung privater Haushalte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Im Durchschnitt verfügt jeder Deutsche ab 17 Jahren über ein Nettovermögen von 108.500 Euro.

Das können Immobilien, Sparguthaben, Lebensversicherungen, Münzen, Gemälde oder Unternehmensbeteiligungen sein. Abgezogen werden Schulden. Zu den reichsten zehn Prozent gehört, wer auf ein Nettovermögen von 265.000 Euro kommt. Der Schwellenwert für das oberste Prozent liegt bei einer Million Euro, der für die oberen 0,1 Prozent bei vier Millionen Euro.

Für die Befürworter eines stärkeren Zugriffs des Staates auf die Vermögen der Bevölkerung ist freilich nicht der Durchschnittswert, sondern die Vermögensverteilung entscheidend. Die obersten zehn Prozent der Bevölkerung verfügen laut SOEP über 59 Prozent des Gesamtvermögens.

Wobei an der Stelle aus Sicht der DIW-Forscher die Haushaltsbefragung allein nicht weiterhilft, da Hochvermögende ungern über ihr Vermögen reden. Deshalb erweiterten sie im Vorjahr die SOEP-Daten noch um spezifische Daten aus einer Reichenrangliste. Danach kommen die oberen zehn Prozent sogar auf einen Anteil von 67 Prozent am insgesamt höheren Gesamtvermögen in Deutschland. Das oberste Prozent soll statt 22 Prozent sogar 35 Prozent halten.

Der Staat griff bei Vermögen schon früh zu

Eine gesonderte Belastung der Vermögen hat bereits einige historische Vorbilder. Schon vor gut 100 Jahren gab es das „Reichsnotopfer“, mit dem Vermögenszuwächse abgeschöpft wurden, um den in erbärmlicher Verfassung befindlichen Haushalt nach dem Ersten Weltkrieg zu sanieren.

Das Vorhaben misslang, denn die Finanzverwaltung war kaum in der Lage, die Vermögen umfassend zu ermitteln, die hohen Abgabesätze stießen zudem auf politischen Widerstand, Vermögende wichen mit ihrem Besitz aus. Die Abgabesätze begannen damals bei zwölf Prozent und stiegen mit zunehmendem Vermögen stufenweise bis auf 65 Prozent.

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Ab 1923 wurde das Reichsnotopfer durch die allgemeine Vermögensteuer ersetzt. Dies führte dazu, dass vermögensbezogene Steuern damals ein höheres Gewicht an den Staatseinnahmen hatten als heute.

Die Bedeutung blieb nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten, was zunächst an der Soforthilfeabgabe und dann an der Vermögensabgabe im Rahmen des Lastenausgleichs von 1952 lag. Damals wurde viel Geld für den Wiederaufbau des Landes und für die Entschädigung der Vertriebenen benötigt.

Der Lastenausgleich belief sich auf 50 Prozent des damaligen Vermögens, die Zahlungen konnten allerdings auf 30 Jahre gestreckt werden, sodass die jährliche Belastung bei knapp 1,7 Prozent lag. Entsprechend nahm Anfang der 1970er-Jahre die Belastung der Vermögen ab. 1996 wurde die Vermögensteuer nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts letztmals erhoben.

Nur noch drei Länder mit Vermögensteuer

Die Vermögensteuer ist aus Europa weitgehend verschwunden. Hatten zu Beginn der 1990er-Jahre noch zwölf Länder Steuern auf das Vermögen ihrer Bürger erhoben, gibt es mittlerweile nur noch drei: Norwegen, Schweiz und Spanien. Die Industrieländer-Organisation OECD sieht die Gründe dafür vor allem in den hohen Kosten für die Erhebung dieser Steuer und in der Möglichkeit, sein Vermögen in andere Länder zu bringen und damit der Steuer auszuweichen.

In Norwegen gilt ab einem Vermögen von umgerechnet etwas mehr als 140.000 Euro ein fester Satz von 0,85 Prozent auf die Vermögenswerte, in Spanien steigt der Steuersatz mit der Höhe des Vermögens schrittweise von 0,2 Prozent bis auf 3,75 Prozent. Los geht es ab 700.000 Euro.

In der Schweiz, für viele Befürworter der Vermögensteuer das Vorbild, gibt es keine einheitliche Regelung. Hier konkurrieren die 26 Kantone um das Vermögen der Wohlhabenden. Wobei sowohl die Freibeträge als auch die Sätze recht niedrig sind. Das heißt: Die Vermögensteuer trifft recht viele, dafür aber nicht stark.

Die Freibeträge bewegen sich zwischen 50.000 und 250.000 Schweizer Franken, also etwa zwischen 46.000 und 230.000 Euro. Der Satz liegt in den meisten Kantonen unter 0,5 Prozent auf das Nettovermögen, also nach Abzug der Schulden. Hinzu kommt: Die Einkommensteuer ist verhältnismäßig niedrig, zudem müssen in den wenigsten Kantonen die Nachkommen Erbschaftsteuer zahlen, Ehepartner schon gar nicht.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Quelle: Welt am Sonntag

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