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Geschichte Gedenkstätte Bautzen

Wo Nazis, Sowjets und Stasi Gefangene quälten

Mit dem Namen Bautzen verbindet man vor allem das „Sonderobjekt“ der Stasi. Dass die Gefängnisse der Stadt auch anderen Unrechtsregimen dienten, soll eine Ausstellung zeigen - aber das Geld ist knapp.
Zellentrakt in „Bautzen II“. Die Staatssicherheit inhaftierte in diesem Gefängnis Partei- und Regimekritiker, Ausreisewillige, Fluchthelfer oder abtrünnige Mitarbeiter. Seit den 1990er-Jahren befindet sich hier eine Gedenkstätte Zellentrakt in „Bautzen II“. Die Staatssicherheit inhaftierte in diesem Gefängnis Partei- und Regimekritiker, Ausreisewillige, Fluchthelfer oder abtrünnige Mitarbeiter. Seit den 1990er-Jahren befindet sich hier eine Gedenkstätte
Zellentrakt in „Bautzen II“. Die Staatssicherheit inhaftierte in diesem Gefängnis Partei- und Regimekritiker, Ausreisewillige, Fluchthelfer oder abtrünnige Mitarbeiter. Seit den 19...90er-Jahren befindet sich hier eine Gedenkstätte
Quelle: dpa

Zu den Traditionslinien, die die beiden deutschen Diktaturen verbinden, gehören die Orte ihres Unterdrückungsregimes. Zum Beispiel Bautzen. Seit der Kaiserzeit gab es in der Stadt zwei Gefängnisse. Das „Sonderobjekt für Staatsfeinde“, wie der Bau in der Ostvorstand von der Staatssicherheit genannt wurde, diente schon im Dritten Reich als Gerichtsgefängnis. In ihm waren unter anderem so genannte Schutzhäftlinge von der SA interniert. Für viele war es eine Station auf dem Weg in ein Konzentrationslager.

Auch die Landesstrafanstalt am nördlichen Stadtrand von Bautzen, wegen ihrer gelben Verklinkerung im Volksmund „Gelbes Elend“ genannt, diente mit ihren vier Außenlagern der NS-Diktatur als Zuchthaus. Die brutalen Haftbedingungen sollten der Abschreckung dienen. Beide Gefängnisse nutzte darüber hinaus die sowjetische Besatzungsmacht für ihre Unterdrückungsmaßnahmen.

Während dieses Gefängnis als „Bautzen I“ seit 1990 als Justizvollzugsanstalt genutzt wird, beherbergt Bautzen II, der „Stasi-Knast“, seit 1994 eine Gedenkstätte. In seinem Beschluss über ihre Einrichtung hatte der sächsische Landtag die Aufgabe festgelegt, die Geschichte von zwei sehr unterschiedlichen Haftanstalten in drei Verfolgungsperioden zu thematisieren. Doch noch immer fehlt die Dauerschau zum Dritten Reich. Sachsen hat nicht das Geld dafür.

Erinnerung an Ernst Thälmann

Nur ein Zeitstrahl zur Geschichte beider Gefängnisse gibt im Einführungsraum der Gedenkstätte einen chronologischen Überblick. Darin ist kurz auch die Zeit im Dritten Reich erwähnt. „Das hat keine Tiefenschärfe“, sagt Sven Riesel, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Haus ist. Vielmehr gilt es, eine Wissenslücke zu schließen. „Im kollektiven Gedächtnis haben sich vor allem Konzentrationslager als Orte menschenverachtender Unterdrückung im Nationalsozialismus verankert.“ Dabei habe die NS-Justiz auch rund 170 Gefängnisse, Zuchthäuser und Straflager genutzt, um Kommunisten, Juden, Sinti und Roma, ausländische Widerstandskämpfer, Homosexuelle oder sogenannte Asoziale hinter Gitter zu bringen.

Zu DDR-Zeiten wurde in Bautzen vor allem das Gedenken an den kommunistischen Arbeiterführer Ernst Thälmann intensiv gepflegt. Vor seinem Transport nach Buchenwald saß der prominente Häftling in der Anstalt am nördlichen Stadtrand. Die künftige Ausstellung soll sich anhand exemplarischer Biografien allen Opfergruppen widmen, die es in den zwei sehr unterschiedlichen Haftanstalten gab, betont Riesel. Mancher litt sogar in zwei Systemen, wie der frühere Direktor des Aufbau-Verlages, Walter Janka, der Unrecht im Nationalsozialismus und später unter dem SED-Regime erleben musste.

Das Vorhaben, die Präsentation im früheren Stasi-Knast um die Zeit der Nazi-Diktatur zu ergänzen, ist in der Gesamtkonzeption für die Bautzener Gedenkstätte enthalten. Im September 2012 reichte die Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Dresden den Förderantrag für das Projekt ein. Die Kosten von 412.000 Euro will der Bund zur Hälfte bezahlen. „Wir sind davon ausgegangen, dass die Ausstellungserweiterung ab 2013 umgesetzt wird“, sagt Geschäftsführer Siegfried Reiprich. Die Nachricht, dass der Freistaat seinen Anteil für dieses und kommendes Jahr nicht aufbringen könne, sei überraschend gekommen.

Das Bautzen-Komitee, das ehemalige Bautzen-Häftlinge vereint, bedauert die Verschiebung der Ausstellung. Der stellvertretende Vorsitzende Alexander Latotzky geht jedoch davon aus, dass in der Gedenkstätte „schon bald auch der NS-Opfer in angemessener Weise gedacht wird“. Die bislang ungenügende Darstellung dieser Verfolgungsperiode sei „ein wesentlicher Mangel, der unbedingt behoben werde müsse, etwa zunächst mit zwei Hinweistafeln gleich am Eingang“.

Ab 2015 soll das Geld bereit stehen

Das Wissenschaftsministerium in Dresden versichert, dass die Mittel im nächsten Doppelhaushalt des Freistaates eingeplant werden sollen. Die Verhandlungen dazu beginnen voraussichtlich Ende 2013. Wenn das Geld tatsächlich bereitsteht, könnte das Projekt in Bautzen frühestens ab 2015 umgesetzt werden.

Dann soll die Ausstellung zur Stasi-Sonderhaftanstalt in die zweite Etage umziehen, um im Erdgeschoss Platz für den Abschnitt zwischen 1933 und 1945 zu schaffen. Die Dokumentation zur Geschichte des sowjetischen Speziallagers in der ersten Etage eingeschlossen, könnten sich die Besucher dann chronologisch „von unten durch die Zeitschichten durcharbeiten“, sagt Sven Riesel.

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Wie nahtlos braune und rote Justiz ineinander griffen, zeigt schon der Ort und sein Werkzeug. Bis 1956 wurden zum Beispiel Todesstrafen in der DDR im Gebäude des ehemaligen Königlich-sächsischen Landgerichts in Dresden vollstreckt. Mit einer Guillotine, die schon im Dritten Reich im Einsatz gewesen war und für ihren neuerlichen Gebrauch wiederhergestellt wurde.

In demselben Gebäude hatte sich eine Hinrichtungsstätte des NS-Regimes befunden. Die DDR übernahm die Praxis, Todesurteile in derartigen zentral gelegenen Einrichtungen zu vollstrecken. Treffenderweise liegt der Gebäudekomplex in Dresden, der später an die Technische Hochschule (heute Universität) fiel, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Zentrum für Totalitarismusforschung. Seit 2012 dokumentiert eine Ausstellung im Gerichtsgebäude diese Geschichte.

Freiganghöfe für Einzelhäftlinge in „Bautzen II“. Die Gedenkstätte im früheren Stasi-Gefängnis bleibt vorerst ohne die geplante Dauerschau zur Verfolgung während des Nationalsozialismus
Freiganghöfe für Einzelhäftlinge in „Bautzen II“. Die Gedenkstätte im früheren Stasi-Gefängnis bleibt vorerst ohne die geplante Dauerschau zur Verfolgung während des Nationalsozial...ismus
Quelle: dpa
fst

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