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Die schlimmsten Gewaltherrscher der Weltgeschichte

Wie definiert man einen „großen Tyrannen“? In seiner neuen Doku-Reihe „Geschichts-Check“ widmet sich ZDFinfo Diktatoren. Aber nicht jeder Massenmörder war auch ein ultimativer Unterdrücker.
Leitender Redakteur Geschichte

Bösartigkeit entzieht sich jeder Messung, ebenso wie Wahnsinn oder Blutdurst. Es gibt keine nach oben hin offene Richterskala, um das Wüten von Gewaltherrschern zu quantifizieren. Insofern lässt sich eine Rangliste der schlimmsten Diktatoten seriös nicht aufstellen.

In seinem Nachrichtenspartenkanal ZDFinfo startet das Zweite Deutsche Fernsehen jetzt eine neue Dokumentationsreihe: „Der Geschichts-Check“ soll publikumsträchtig historische Themen aufgreifen. Die erste Folge in der Nacht von Sonnabend zu Sonntag widmet sich den „großen Tyrannen“. Deren Auswahl erscheint allerdings etwas beliebig, denn auch der Makedonenkönig Alexander der Große wird dazu gerechnet. Er war gewiss ein rücksichtsloser Eroberer, der über unzählige Leichen ging – aber macht ihn das zu einem „großen Tyrannen“? Sein Konzept einer Verschmelzung von Orient und Okzident hatte auch durchaus menschenfreundliche Züge.

Oder Katharina II. von Russland: Die einzige Herrscherin, der je ernsthaft der Beiname „die Große“ zugestanden wurde, war gemessen an den Monarchenkollegen des 18. Jahrhunderts und an ihren Vorgängern auf dem russischen Thron gewiss keine Despotin. Sie korrespondierte mit Philosophen und interessierte sich für das anspruchsvolle Konzept des aufgeklärten Absolutismus, den man freilich nicht mit Humanität verwechseln darf. Eine Tyrannin? Eher nicht.

Andererseits: Wie legt man fest, wer nun ein Tyrann war? Was sind die Kriterien? Ist es die absolute Zahl der Menschen, die seinem Regime zum Opfer gefallen sind? Oder die Zahl pro Jahr seiner Herrschaft? Sagt der Anteil der Toten an der Gesamtbevölkerung des beherrschten Gebietes mehr aus? Vielleicht auch besondere Brutalität?

Die mörderische Trias

Zählt die absolute Zahl von Opfern politischer Verfolgung und ideologisch getriebener mörderisch falscher Politik, dürfte Mao Tse-tung die Liste der „Megamörder“ anführen: Bis zu 76 Millionen Opfer forderte seine 33 Jahre lange Herrschaft über die KP Chinas.

Da vermag auch Stalin nicht mitzuhalten. Obwohl sein Verfolgungswahn, die irrsinnige Kollektivierung und die brutale Industrialisierung schon vor dem Zweiten Weltkrieg bis zu 20 Millionen Menschenleben forderten. Wenn man die sowjetischen Toten während des Zweiten Weltkriegs hinzufügt, liegt der Bevölkerungsverlust der UdSSR während des Stalinismus leicht doppelt so hoch.

Aber kann man diese Opfer Stalin zurechnen? Gewiss, seine Generäle schickten rücksichtslos ganze Armeen in den sicheren Tod. Begonnen aber hatte den Zweiten Weltkrieg unzweifelhaft Adolf Hitler – freilich abgesichert durch einen Pakt mit Stalin.

Ordnet man eine Liste der „Megamörder“ dagegen nach der Zahl der Opfer politisch motivierter Gewalt pro Jahr, dürfte der „Führer“ unangefochten führen: Während seines Krieges kamen von 1939 bis 1945 im Schnitt jährlich drei bis vier Millionen Menschen durch verbrecherische Maßnahmen des SS-Imperiums oder der Wehrmacht um.

Dazu gehören Juden, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden oder an den vorsätzlich unerträglichen Lebensbedingungen in Ghettos und anderen Lagern zugrunde gingen. Außerdem die Opfer der gnadenlosen Germanisierungspolitik im Osten. Unzählige verhungerte Menschen in den besetzten Gebieten. „Kollateralschäden“ bei der „Partisanenbekämpfung“ hinter den Fronten. Dabei sind noch nicht einmal die gefallenen Soldaten während Hitlers irrsinnigen Expansionsfeldzügen eingerechnet.

Timurs Vorbild war Dschingis Khan

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Geht es dagegen nach den höchsten prozentualen Bevölkerungsverlusten, dann übertrifft niemand den Kambodschaner Pol Pot: Während seiner vierjährigen Diktatur kam 1975 bis 1979 jeder dritte seiner Untertanen gewaltsam ums Leben – zwei bis drei Millionen Menschen insgesamt.

Doch sind absolute oder relative Opferzahlen überhaupt angemessen, um eine Gewaltherrschaft zu bewerten? Kommt es vielleicht eher auf die persönliche Grausamkeit des Tyrannen an? Dann dürften der islamische Nomadenherrscher Timur Lenk weit vorne liegen auf der Liste der übelsten Machthaber: Auf seinen Eroberungszügen ließ er unzählige Menschen umbringen, auf oft erschreckend kreative Weise.

So mauerten auf seinen direkten Befehl seine Krieger in der unterworfenen Stadt Isfizar rund 2000 Menschen lebendig ein. In Georgien sollen an einem einzigen Tag 10.000 Männer, Frauen und Kinder vor seinen Augen in eine Schlucht gestürzt worden sein. Timurs großes Vorbild war übrigens der Mongole Dschingis Khan. Moderne Historiker charakterisieren seine Gewalttaten als kalkulierten Völkermord.

Im 20. Jahrhundert kamen wohl zwei Tyrannen am nächsten an Timur Lenk heran: Der irakische Diktator Saddam Hussein ließ mehr als eine Million Menschen von seinen Schergen umbringen, totschlagen, mit Gas vergiften oder erschießen. Er griff aber auch gern selbst zur Pistole, um willkürlich zu morden.

Sogar Kannibalismus wurde ihm nachgesagt

Völlig irre war auch Idi Amin. Der ehemalige Offizier der britischen Armee putschte sich 1971 an die Spitze seiner Heimat Uganda. Seiner Grausamkeit fielen nach Schätzungen bis zu 500.000 seiner Landsleute zum Opfer. Sogar Kannibalismus wurde Amin, der 2003 im Exil mit 75 Jahren einen unverdient friedlichen Tod starb, nachgesagt.

Mit Idi Amin kann Muammar al-Gaddafi sicher nicht mithalten, auch wenn ZDF-Info ihn zu den größten Diktatoren zählt. Gewiss hat der selbst ernannte Revolutionsführer 42 Jahre Libyen drangsaliert, unzählige Verbrechen begangen und den internationalen Terrorismus unterstützt. Für jeden TV-Zuschauer erkennbar hatte Gaddafi einen schweren Dachschaden – man erinnere sich nur an das Beduinenzelt, das er für einen Besuch der UN-Vollversammlung in New York aufstellen lassen wollte. Oder an seine Fantasie-Uniformen. Einer der „größte Tyrannen“ der Geschichte war er aber trotzdem kaum.

Choleriker und Sadist

Redlich verdient hat sich dagegen der marokkanische Sultan Mulai Ismail seinen Beinamen „der Blutige“. Mit seinem Heer aus sudanesischen Sklaven terrorisierte er das westliche Mittelmeer. Wenn ihn Blutdurst erfasste, zog er sich der Legende nach gelbe Kleidung an. An solchen Tagen kam man ihm besser nicht unter die Augen, weil er jederzeit Todesurteile verhängen konnte – und oft genug gleich selbst vollstreckte.

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Von ausgesuchter Grausamkeit war auch Iwan der Schreckliche (1530 bis 1584), der erste gekrönte Zar von Russland. Er rühmte sich, unzählige Jungfrauen vergewaltigt zu haben. Enge Berater ließ er wegen vermeintlichen Verrates in Stücke schneiden oder abwechselnd mit kochend heißem und eiskaltem Wasser übergießen, bis sich ihre Körper buchstäblich auflösten. Iwan vereinigte ein cholerisches Temperament mit ausgesprochenem Sadismus – eine gefährliche Kombination. Das ging so weit, dass er seinen eigenen Sohn im Streit erschlug.

Allerdings muss man bei Berichten über die Untaten von Herrschern immer skeptisch sein. Das zeigt das Beispiel des Herodes, den das ZDF ebenfalls unter die „großen Tyrannen“ zählt. Natürlich war der so durchsetzungsstarke wie brutale König von Roms Gnaden in Judäa verhasst. Aber den ihm im Mätthaus-Evangelium zur Last gelegten Kindermord von Bethlehem hat es vermutlich nie gegeben. Weder mit sechs noch mit zwanzig Opfern, erst recht nicht mit 14.000 oder gar 144.000 abgeschlachteten Söhnen.

Die großen Diktatoren“, 14. Dezember, 20.15 Uhr, ZDFinfo

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