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Geschichte Ende des Mittelalters

Diese Geheimwaffe machte Rittern den Garaus

Am Ende des Mittelalters entwickelten Fürsten wie Kaiser Maximilian I. neue Formen der Kriegführung. Er setzte auf Artillerie und leichte Infanterie. Und förderte eine neue Tugend.
Freier Autor Geschichte
Schlachtaufstellung, wie sie auch Maximilian I. vorschwebte. Vorne postierte er die Artillerie, dahinter seine Landsknechte, während die Feinde noch auf ihre Ritter setzten Schlachtaufstellung, wie sie auch Maximilian I. vorschwebte. Vorne postierte er die Artillerie, dahinter seine Landsknechte, während die Feinde noch auf ihre Ritter setzten
Schlachtaufstellung, wie sie auch Maximilian I. vorschwebte. Vorne postierte er die Artillerie, dahinter seine Landsknechte, während die Feinde noch auf ihre Ritter setzten
Quelle: Wikipedia

Kaiser Maximilian I. von Habsburg war ein großer Kämpfer. Rund 70 Mal soll er seine Gegner im ritterlichen Zweikampf während eines Turniers aus dem Sattel gestoßen haben. Manche überlebten den Sieg des Herrschers nicht. Aber obwohl Maximilian auch Bücher über die Kunst, wie echte Ritter zu leben, verfasst hat, gilt er zugleich als ihr Totengräber, schuf er doch die Mittel, mit denen der 500-jährigen Herrschaft der gepanzerten Reiterkrieger über Europa ein Ende bereitet wurde.

Maximilian machte sich nämlich auch als Bahnbrecher der Artillerie und „Vater der Landsknechte“ einen Namen. Aber die eigentliche Waffe, gegen die Ritter Rang und Leben verloren, bestand nicht aus Eisen, sondern aus einer moralischen Ressource: der Disziplin.

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Kaiser Maximilian I. (1459–1519)
Quelle: pa/akg-images/Erich Lessing

Völlig frei davon war ein Ritter, der durch das Schauspiel Goethes zum Inbegriff spätmittelalterlicher Adelsherrlichkeit geworden ist: Götz von Berlichingen, der Ritter mit der Eisernen Hand, drangsalierte Kaufleute, erpresste Schutz- und Lösegelder, überzog seine Nachbarn mit Fehden und scheute sich nicht, aufständische Bauern anzuführen. Er tat dies, weil er sich als Reichsritter direkt dem Kaiser verbunden und ansonsten im Besitz traditioneller Freiheiten wähnte. Die aber passten nicht mehr in eine Zeit, in der die Fürsten Europas darangingen, ihre Länder zu modernen Staaten auszubauen.

England und Frankreich waren darin vorangegangen. Ihr Hundertjähriger Krieg hatte sie existenziell bedroht. Englische Langbogenschützen hatten die französische Ritterschaft dezimiert. Aber durch die Bündelung ihrer Kräfte konnte die französische Krone am Ende den Sieg davontragen. So erfolgreich die Bogenschützen der englischen Könige gewesen waren, zeigte sich doch, dass ihr Beispiel in eine Sackgasse führte. Ihre Kunst setzte jahrzehntelange Übung voraus, sodass Verluste nur schwer zu ersetzen waren. Die neuen Musketen dagegen waren leicht zu gebrauchen und erwiesen sich gegen gepanzerte Reiter als beinahe ebenso effektiv.

Einen anderen Weg wiesen die Schweizer. Ihre leichte Infanterie, die mit Piken, Hellebarden und beidhändig geführten Schwertern („Gassenhauer“) ausgerüstet war, bewies eindrucksvoll, wie bäuerliche Truppen ganzen Reiterheeren den Garaus machen konnten. Mit ihren Siegen über die Kriegsmacht der Burgunder-Herzöge im 15. Jahrhundert stieg die Eidgenossenschaft sogar kurzfristig zur Großmacht auf. Dass dieser Rang aber nur mit entsprechenden materiellen Mitteln zu halten war, zeigte der Sieg der Franzosen über die Schweizer 1515 bei Marignano. Die Zukunft sollte den großen Staaten gehören.

Das hatte Maximilian I. beizeiten erkannt. Zum einen konnte er mit einer klugen Heiratspolitik die Hausmacht der Habsburger mehren. Zum anderen investierte er seine Energie in eine Reform des Reiches. Dabei aber standen ihm die Ritter und ihre alten Rechte im Wege.

Funktionierende Flächenstaaten setzten Rechtssicherheit und Freiheit des Handels voraus. Dies wurde vor allem vom Bürgertum der Städte gefordert, in denen Handel und Gewerbe konzentriert waren. Eine blühende Wirtschaft aber verschaffte den Fürsten erst die finanziellen Mittel für ihre ehrgeizigen Pläne.

Maximilian investierte sie in Geschütze und Landsknechte. Ausgerechnet auf den Mann, der sich als „letzter Ritter“ feiern ließ, gehen viele Neuerungen in der Artillerietechnik zurück. Die „Terra X“-Dokumentation zeigt eindrucksvoll, wie der Habsburger die Kaliber seiner Kanonen standardisierte, damit Kugeln nur für wenige Typen hergestellt werden mussten. Er selbst kümmerte sich um die heikle Metallurgie, denn es kam nicht selten vor, dass die Feuerrohre bei der Zündung explodierten und damit die eigenen Reihen lichteten. Bald schon wurden die Kanonen zielgenauer und transportabler. Mit Dutzenden von Feldgeschützen zog der Kaiser in die Schlacht.

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Die andere Innovation waren die Landsknechte. Da sie weder Panzer noch Pferd unterhalten mussten, war ihre Indienstnahme ausgesprochen preiswert. Entsprechend groß wurden daher die Heere, die bald mehrere Zehntausend Soldaten umfassen konnten. Ihre wichtigste Waffe war die Hellebarde.

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Der Film zeigt ein archäologisches Experiment: Zwar reichte ein Stoß mit der Eisenspitze nicht aus, einen spätmittelalterlichen Brustharnisch zu durchstoßen. Aber mit einem Schlag mit der axtähnlich gestalteten Seite konnte man Gliedmaßen abtrennen oder dem Pferd schwere Verletzungen zufügen. Diesem Zweck dienten auch feine Haken, die in die Gelenke und Sehnen der Tiere getrieben wurden.

Der Aufstieg der Infanterie aber bedeutete nicht, dass die Reiter gänzlich vom Schlachtfeld verdrängt worden wären. Im Gegenteil: In der Form einer schweren Schlachtenkavallerie, die die feindlichen Linie aufbrechen sollte, wurde sie weiterhin eingesetzt wie als leichte Reiterei bei Aufklärung und Verfolgung des fliehenden Feindes.

Entscheidend aber war, dass sich alle Truppengattungen der immer größer werdenden Heere den Weisungen ihrer Führer unterwarfen. Das war die Stunde der Disziplin. Nicht mehr um Ruhm und Ehre zogen die Soldaten in die Schlacht, sondern weil sie Befehle befolgten. Maximilians Artillerie eröffnete mit gezielten Salven den Kampf, dann attackierte die schwere Reiterei und schlug Breschen in die feindlichen Linien, in die die Landsknechte in geordneten Einheiten nachdrängten.

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Für ritterliches Ethos, wie es noch der blinde König von Böhmen auf dem Schlachtfeld von Crécy vorgelebt hatte (und dabei gefallen war), gab es in der neuen Profession vom Kriege keinen Platz mehr. Der große Soziologe Max Weber hat darin den Nukleus frühneuzeitlicher Staatlichkeit erkannt, die Europas spezifischen Weg in die Moderne eröffnete: „Die Disziplin des Heeres ist der Mutterschoß der Disziplin überhaupt.“

Die Fürsten ließen Leuten wie Götz von Berlichingen nur noch die Wahl: Sie konnten als Offiziere oder Beamte in ihre Dienste treten – oder abtreten. Das Traumbild von Freiheit und Abenteuer, das der Germanist Karl-Heinz Göttert in der Dokumentation als Grund für die fortwährende Faszination des Rittertums ausmacht, wurde im modernen Fürstenstaat zum Feindbild, das es auszulöschen galt.

Maximilian bot den Rittern einen Kompromiss. Im gesellschaftlichen Leben blieb das Ritterspiel erlaubt. Selbst wohlhabende Bürger zogen Rüstungen an und unterhielten sich bei Turnieren und höfischen Festen. Aber je glänzender diese wurden, desto machtloser und überflüssiger wurde die Lebensform, die dabei zelebriert wurde. Der Ritter starb einen schleichenden Tod.

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