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  3. Hitler-Bemerkung von Japans Vize-Premier: Waren Hitlers Absichten etwa „richtig“?

Geschichte Empörung über Japans Vize

Was zum Teufel war an Hitlers Absichten „richtig“?

Nicht zum ersten Mal nimmt sich Japans Vize-Premier Taro Aso Hitler zum Vorbild und verweist auf dessen „richtige Absichten“. Die aber lassen sich weder im Programm noch in der Politik finden.
Leitender Redakteur Geschichte
Der offene Wagen mit Adolf Hitler zerreisst zur Einweihung des ersten Teilstücks der Reichsautobahn Frankfurt - Darmstadt am 19. Mai 1935 das weiße Band. Die Pläne für die Autobahn stammten aus der Weimarer Zeit. Als Prototyp gilt die knapp zehn Kilometer lange Avus in Berlin, die 1921 eingeweiht wurde. Drei Jahre später entstand in Italien die erste Autostrada. Daraufhin gründete sich in Deutschland ein Verein, der den großen Wurf verfolgte: eine 900 Kilometer lange Betonpiste von Hamburg über Frankfurt nach Basel (Hafraba). dpa/lhe (nur s/w - zu dpa-Korr.: "Erste Autobahn vor 70 Jahren eröffnet - Führer lässt sich feiern vom 19.05.2005) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Der offene Wagen mit Adolf Hitler zerreisst zur Einweihung des ersten Teilstücks der Reichsautobahn Frankfurt - Darmstadt am 19. Mai 1935 das weiße Band. Die Pläne für die Autobahn stammten aus der Weimarer Zeit. Als Prototyp gilt die knapp zehn Kilometer lange Avus in Berlin, die 1921 eingeweiht wurde. Drei Jahre später entstand in Italien die erste Autostrada. Daraufhin gründete sich in Deutschland ein Verein, der den großen Wurf verfolgte: eine 900 Kilometer lange Betonpiste von Hamburg über Frankfurt nach Basel (Hafraba). dpa/lhe (nur s/w - zu dpa-Korr.: "Erste Autobahn vor 70 Jahren eröffnet - Führer lässt sich feiern vom 19.05.2005) +++(c) dpa - Bildfunk+++ |
Auch Hitlers Autobahnen dienten vor allem der nationalsozialistischen Propaganda
Quelle: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Es ist nie eine gute Idee, Hitler als Argument zu benutzen. Vor wenigen Tagen hat die Illustrierte „Stern“ mit einem Titelbild aufgemacht, das faktisch den weltweit kritisierten US-Präsidenten Donald Trump mit dem deutschen Diktator gleichsetzte. Dabei zeigt jeder seriöse Vergleich, dass es entscheidende Unterschiede zwischen den beiden gibt.

Eine Woche später sorgt Japans Finanzminister und Vize-Premier Taro Aso mit fragwürdigen Bemerkungen über Hitler für Empörung. Vor der Fraktion seiner Liberaldemokratischen Partei sagte er: „Ich hinterfrage Ihre Motive nicht, warum Sie Politiker sind. Doch auf die Ergebnisse kommt es an. Hitler, der Millionen von Menschen auf dem Gewissen hat, war nicht gut, auch wenn seine Absichten richtig waren.“ Als Kritik aufkam, distanzierte sich der Minister von seinen Äußerungen. Ob es sich wirklich nur um eine missglückte rhetorische Wendung handelte, ist die Frage. Schon 2013 irritierte Taro Aso die internationale Öffentlichkeit mit dem Hinweis, dass die Taktik der Nazis bei der Änderung der Reichsverfassung durchaus als Vorbild tauge.

FILE PHOTO: Taro Aso, Deputy Prime Minister, Minister of Finance and Minister of State for Financial Services of Japan, speaks during the Milken Institute Global Conference in Beverly Hills
Liebt heikle historische Vergleiche: Japans Vize-Premier und Finanzminister Taro Aso
Quelle: REUTERS

Dennoch zeigt Asos Argumentation ein Problem: Kann man differenzieren zwischen den „richtigen“, vielleicht sogar „guten“ Zielen Hitlers und der Realität seiner Herrschaft, die Dutzende von Millionen Menschen das Leben kostete und die Welt in den schlimmsten aller Kriege stürzte?

Vor zehn Jahren ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa: Jeder vierte Deutsche sei der Ansicht, der Nationalsozialismus habe „auch gute Seiten gehabt“. Besonders verbreitet war diese Haltung bei Bürgern mit niedrigen Bildungsabschlüssen: 44 Prozent der Hauptschulabsolventen sahen auch Gutes in der Hitler-Diktatur, aber nur zwölf Prozent der Abiturienten.

„Einsatz national gesinnter Führerpersönlichkeiten“

Was aber waren die „Absichten“ Adolf Hitlers? Man kann sie relativ leicht feststellen, denn Hitler hat seine Ziele niemals verheimlicht – von seiner allerersten politischen Äußerung im Brief an einen gewissen Adolf Gemlich vom 16. September 1919 über das 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 und seine Bekenntnisschrift „Mein Kampf“, über seine zahlreichen Reden als NSDAP-Parteichef wie als Reichskanzler bis hin zu seinen letzten politischen Äußerungen in seinem Testament vom 29. April 1945.

Was also waren die Absichten Hitlers, und waren sie „richtig“? Im Brief an Gemlich, einen ansonsten nicht weiter bekannten Soldaten, schrieb Hitler, die „Wiedergeburt“ der deutschen Nation nach der Niederlage 1918 „wird nicht in die Wege geleitet durch eine Staatsführung unverantwortlicher Majoritäten unter dem Einfluss bestimmter Parteidogmen“, also nicht auf demokratischem Wege, sondern „nur durch rücksichtslosen Einsatz national gesinnter Führerpersönlichkeiten“ – also durch eine Diktatur.

Im 25-Punkte-Programm lautete zum Beispiel der Punkt 4: „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.“ Antisemitismus war die Grundlage der NS-Ideologie.

Adolf Hitlers perverse Fantasien

Nachdem der Freistaat Bayern eine Wiederveröffentlichung von Hitlers „Mein Kampf“ lange verhindert hatte, erschien im Januar 2016 eine kritische Edition des Instituts für Zeitgeschichte. WELT-Geschichtsredakteur Sven-Felix Kellerhoff kennt die Abgründe der antisemitischen Hetzschrift.

Quelle: Die Welt

In „Mein Kampf“ schrieb Hitler gleich auf der ersten Seite: „Deutschösterreich muss wieder zurück zum großen deutschen Mutterlande, und zwar nicht aus Gründen irgendwelcher wirtschaftlichen Erwägungen heraus. Nein, nein: Auch wenn diese Vereinigung, wirtschaftlich gedacht, gleichgültig, ja selbst wenn sie schädlich wäre, sie müsste dennoch stattfinden. Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich.“ Rassismus, ins vermeintlich Positive gewendet.

Am 30. Januar 1939 sagte Hitler in seiner großen Rede zum sechsten Jahrestag seiner Machtübernahme: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“ Massenmord war eine weitere erklärte Absicht des „Führers“.

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Daran hielt er auch noch im letzten Dokument seines Lebens fest. Am 29. April 1945 um vier Uhr morgens unterzeichnete er sein „politisches Testament“, dessen letzter Absatz lautete: „Vor allem verpflichte ich die Führung der Nation und die Gefolgschaft zur peinlichen Einhaltung der Rassegesetze und zum unbarmherzigen Widerstand gegen den Weltvergifter aller Völker, das internationale Judentum.“

Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass keine einzige Absicht Adolf Hitlers richtig war. Seine Denkprinzipien waren ein wahnhafter Rassenhass und die Gier nach „Lebensraum im Osten“, der nur durch einen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zu erreichen war. Diese beiden Grundüberzeugungen stehen bereits in „Mein Kampf“, auch wenn dieses Buch keineswegs ein politisches Programm war. Hitler schrieb es, um möglichst viel Geld zu verdienen.

Hatte der Nationalsozialismus ansonsten positive Seiten? In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf die Reichsautobahnen verwiesen, auf die angeblich kinderfreundliche Familienpolitik und darauf, dass es im Dritten Reich weniger Kriminalität als vorher oder später gegeben habe. Alle drei Punkte sind falsch.

Die Reichsautobahnen waren vor allem ein Propagandaprojekt. Ihr Bau führte zu keiner signifikanten Senkung der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland – die wurde vielmehr erreicht durch die Einführung der Wehrpflicht 1935 und den kreditfinanzierten Ausbau der Rüstungsindustrie.

Die vermeintlich kinderfreundliche Familienpolitik im Dritten Reich zielte darauf, möglichst viele Soldaten und Soldatenfrauen zu bekommen. Es gab kein anderes Ziel. Dafür wurden Kinder und Jugendliche indoktriniert und erhielten Gehirnwäschen bei HJ oder BDM.

So korrupt war der NS-Apparat

Die Kriminalität im Dritten Reich nahm gegenüber der vorangegangenen Weimarer Republik sogar deutlich zu, vor allem die Korruption. Hunderttausende „Parteigenossen“ mussten versorgt werden, bekamen völlig überflüssige Posten als Verbindungsleute oder Mitarbeiter in irgendwelchen Stäben, die man vor 1933 nicht gebraucht hatte und die man auch nach 1945 nicht mehr brauchte. Um sie zu bezahlen, wurde die Staatskasse geplündert.

Zahlreiche Juden wurden von SA- und SS-Leuten regelmäßig auf eigene Rechnung erpresst. Bei „Arisierungen“ bereicherten sich Nazis an jüdischem Eigentum. Wenn es mal zur Anklage gegen einen solchen Täter kam, weil er es zu wild getrieben hatte, wurde das Verfahren meist niedergeschlagen, oder es erging nach dem Urteil eine Begnadigung. Mehr Verbrechen als im Dritten Reich gab es in der deutschen Geschichte nie.

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Nicht nur an Hitlers „Absichten“ war nichts, aber auch gar nichts „richtig“. Das Gleiche gilt für die Herrschaft des Nationalsozialismus.

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