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Geschichte Zweiter Opiumkrieg

Diese Demütigung wird China nicht vergessen

Um China westlichen Waren zu öffnen, eröffneten England und Frankreich 1856 den Zweiten Opiumkrieg. Massenhafter Import der Droge sollte die Handelsbilanz verbessern. Im Sommerpalast des Kaisers wurde ein Exempel statuiert.
Two Chinese men, on narcotics in opium den. . c1909. | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer. Two Chinese men, on narcotics in opium den. . c1909. | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Die Opiumsucht hatte erhebliche Auswirkungen auf Chinas Wirtschaft und Gesellschaft
Quelle: picture alliance / Photo12/Ann R

Mit einer Fahne fing es an. Und mit der Zerstörung eines Palastes endete es: des Yuanmingyuan, des Sommerpalastes der chinesischen Kaiser vor Peking. Einem „Traum aus Marmor, Jade, Bronze und Porzellan“ hat ihn Victor Hugo 1861 in einer Philippika genannt: „Dieses Wunder ist verschwunden. Eines Tages sind zwei Banditen in den Sommerpalast eingedrungen. Der eine hat geplündert, der andere gebrandschatzt.“

Jene „Banditen“ waren zwei Expeditionscorps. 7000 Franzosen unter dem Befehl von Baron Cros und 11.000 Briten, geführt von Lord Elgin, dem Sohn jenes 7. Earl of Elgin, der den Parthenonfries in Athen hatte abbauen und nach London verschiffen lassen. Die Kunstbeute, die dank Vater und Sohn nach England – aber auch in Museen auf dem Festland und in den Kunsthandel – gelangte, war gewissermaßen der Beifang jener Versuche um Einfluss und Einflusszonen auf außereuropäischen Kontinenten.

Second opium War (1856-1860) between the British Empire and the Second French Empire against Qing Dynasty of China. Landing of the allied troops of France and Great Britain near at Beitang (Pei Tang) in China. Engraving in "L'Illustration", 1860. Colored. |
Landung der englischen und französischen Truppen bei Beitang
Quelle: picture alliance / Prisma Archiv

China wurde zwar nicht zu einer Kolonie, weil die Interessen der Großmächte einander in die Quere kamen. Aber was die Kolonisierung durch Privilegien und Sonderrechte betraf, war man sich einig. Und das Niederbrennen des Sommerpalastes, um den chinesischen Kaiserstaat zu demütigen, markierte 1860 mit dem Ende des Zweiten Opiumkrieges den unaufhaltsamen Niedergang – auch wenn es noch ein halbes Jahrhundert bis zum Sturz des letzten Kaisers der Qing-Dynastie dauerte.

Das Ereignis, das den Zweiten Opiumkrieg ausgelöst hatte, war eine Lappalie (die allerdings angesichts des allerorten wieder aufkeimenden Nationalismus erneut denkbar wäre). Die Polizei von Guangzhou (Kanton) hatte 1856 die „Arrow“, ein unbedeutendes Handelsschiff in chinesischem Besitz, aufgebracht und die Besatzung als Piraten festgesetzt. Dabei soll die britische Fahne, die das Schiff nach Ansicht der Chinesen unrechtmäßig führte, niedergeholt worden sein, was die Engländer zum casus belli stilisierten.

Chinese Officers Hauling Down The British Flag On Board The Arrow At The Outbreak Of The Second Opium War, 1856. From The Century Edition Of Cassell's History Of England, Published C. 1900 | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Das Aufbringen der "Arrow" durch chinesische Behörden wurde zum Kriegsgrund
Quelle: picture alliance / Design Pics

Weil zur selben Zeit ein katholischer Missionar in Guanxi gefoltert und hingerichtet worden war, sah auch Frankreichs Kaiser Napoleon III. seine Chance, sich außenpolitisch zu profilieren. Denn angeblich ging es um die „Ehre“ beider europäischen Nationen.

Das sahen die Chinesen nicht so. Da sie zu keiner Entschuldigung bereit waren, nutzten die beiden Mächte dieses periphere Geschehen als Vorwand für eine militärische Intervention. Allerdings waren London und Paris, gestützt von den USA, bereits zuvor übereingekommen, China zu einer weiteren „Öffnung“ zu zwingen. Und zwar über die Zugeständnisse hinaus, die das Land nach dem Ersten Opiumkrieg (1839–1842) im Vertrag von Nanking (Nanjing), dem ersten der „ungleichen Verträge“, hatte einräumen müssen.

Dazu gehörten der freie Zugang zu fünf Häfen, feste Zollsätze und die Abschaffung des chinesischen Monopols im Handel mit Opium. Exterritorialität für Ausländer, die Meistbegünstigung im Handel und eine Konsulargerichtsbarkeit sowie die Abtretung von Hongkong „auf ewige Zeiten“ kamen als weitere Eingriffe in die chinesische Souveränität hinzu.

Vor allem ging es den Briten um die Legalisierung des Opiumhandels. Denn dem westlichen Verlangen nach chinesischen Gütern wie Seide, Porzellan, Tee, standen nur geringe Einfuhren gegenüber. Was England zu bieten habe, „sei lediglich Spielzeug, auf das man auch verzichten kann“, erklärte der Sonderbeauftragte Lin Zexu, der das kaiserliche Verbot des Opiumhandels rigoros durchzusetzen versucht hatte – und damit den Ersten Opiumkrieg ausgelöst hatte.

Two Chinese men, on narcotics in opium den. . c1909. | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Die Opiumsucht hatte erhebliche Auswirkungen auch Chinas Wirtschaft und Gesellschaft
Quelle: picture alliance / Photo12/Ann R

Gegen den von den Briten unterstützten Schmuggel, mit dem sie den von ihrer East India Company in Bengalen monopolisierten Anbau einen Markt bereiteten, war jedoch nicht anzukommen. Die britischen Schiffe ankerten vor der Südküste, wo das Opium von bewaffneten Ruderbooten, den „schnellen Krabben“, übernommen, an Land gebracht und über die mafiaähnlichen Triaden verteilt und vertrieben wurde (so wie auch heutzutage oft Drogen ihren Weg über See zu den Dealern finden). Im Durchschnitt sollen Ende der 1830er pro Jahr rund 35.000 Kisten (mit 63,5 oder 72,6 Kilogramm) ins Land gebracht worden sein, was zu einer für China negativen Handelsbilanz führte.

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Die Folge war eine erhebliche Teuerung, die in zahlreiche Aufstände mündete – vor allem den Taiping-Aufstand, der 1850 bis 1864 in den südlichen Provinzen mehr als 20 Millionen Tote forderte. In den 1870ern sollte dann mit 87.000 Kisten, fast 5400 Tonnen Opium, der Höchststand erreicht werden, dank der Freigabe des Handels und der Freistellung der Ausländer vom chinesischen Recht. Und wegen der Niederlage im Zweiten Opiumkrieg.

Second Opium War. Lord Elgin (1811-63), left, signing the Treaty of Tainjin which brought to a formal end the Second Opium War between Britain and China, 16 June 1858. Tainjin: modern Tientsin. Contemporary woodcut. | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Im Vertrag von Vertrag von Tianjin 1858 musste das Kaiserreich den Europäern weitgehende Zugeständnisse machen
Quelle: picture alliance / Photo12/Ann R

Denn anders als Japan, das sich 1868 mit der Meiji-Reform an den technologischen Standards der westlichen Länder orientierte und binnen weniger Jahre zu einer der einflussreichen Mächte in Asien wurde, versäumte China, stolz auf seine Tradition, jegliche Modernisierung. Es besaß keine Flotte, die den Kriegsschiffen der Briten und Franzosen gewachsen waren, sodass die Küstenstädte nicht verteidigt werden und die ausländischen Truppen Guangzhou besetzen konnten.

Infolgedessen war China 1858 gezwungen, den Vertrag von Tianjin zu unterzeichnen, der die Öffnung weiterer Häfen, unbeschränkte Reisen für Ausländer, die Duldung der christlichen Mission und wiederum hohe Kriegsentschädigungen einschloss. Als der Kaiser sich jedoch weigerte, diesen Vertrag zu ratifizieren, marschierten erneut französische und britische Truppen auf. Nachdem sie in der einzigen größeren Kampfhandlung dieses Krieges im August 1860 die Dagu-Forts vor Tianjin erobert hatten, war der Weg nach Peking frei – und der Sommerpalast schutzlos preisgegeben.

Imperial bronze lion sculptures in the ruins of the Old Summer Palace, Beijing, China, 1869. The Palace, formerly the residence of emperors of the Qing Dynasty, was destroyed by British and French forces during the Second Opium War in 1860. (Photo by Hulton Archive/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Die Ruinen des kaiserlichen Sommerpalastes unweit von Peking
Quelle: Getty Images

„Der Sommerpalast des Kaisers ist von den Engländern in Brand gesteckt worden“, notierte dazu das Wiener „Vaterland“ am 30. Dezember mit zwei Zeilen. Erst später meldeten sich die Kritiker wie Victor Hugo oder die Wiener „Militärzeitung“: „Was die Zerstörung des Sommerpalastes anbelangt, so ist dieselbe eine That des Vandalismus gewesen, denn es war zu allen Zeiten unerhört, Städte oder Plätze der Plünderung und Vernichtung preiszugeben, welche nicht vertheidigt werden.“

China aber musste wiederum einen „ungleichen Vertrag“, den Vertrag von Peking vom 18. Oktober 1860, akzeptieren, der noch stärker die Eigenstaatlichkeit beschränkte und Territorialverluste einschloss. Denn Russland, obwohl gar nicht an dem Krieg beteiligt, annektierte die Äußere Mandschurei und die Gebiete östlich von Ussuri und dem unterem Amur. Die Gründung von Wladiwostok („Beherrsche den Osten“) 1860 betrachtete Zar Alexander als Abschluss und Krönung der Expansion seines Imperiums.

Bronzeskulpturen im Nationalmuseum in Peking, Ratte und Kaninchen |
Bronzeköpfe einer Ratte und eines Kaninchens aus dem Sommerpalast im Nationalmuseum in Peking
Quelle: picture alliance / Photoshot

In China hat man die Demütigungen nicht vergessen. Das machten zum Beispiel zwei Köpfe deutlich, die seinerzeit im Yuanmingyuan abgeschlagen und zur Beute wurden. Der Kopf einer Ratte und eines Hasen gehörten einst zu den zwölf Figuren des chinesischen Jahreszeitenzyklus, die als Wasseruhr vor dem Brunnen des „europäischen“ Palastes standen.

Als die Skulpturen im Februar 2009 mit dem Nachlass von Yves Saint Laurent in Paris zur Auktion kamen, ging der Zuschlag mit 31,4 Millionen Euro Cai Mingchao, den Geschäftsführer eines Auktions- und Handelshauses in Xiamen. Der erklärte jedoch unmittelbar danach, dass er nicht zahlen werde. Ihm sei es nur darauf angekommen, an das Unrecht zu erinnern, das China mit und seit den Opiumkriegen geschah.

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Dieser Artikel wurde erstmals im Juni 2020 veröffentlicht.

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