In einem Kanu soll sich Cuauhtémoc, der Tlatoani (Kaiser) der Azteken, am 13. August 1521 dem Spanier Hernán Cortés ergeben haben: „Ich habe getan, wozu ich zur Verteidigung meiner Stadt und meiner Untertanen verpflichtet war. Jetzt stehe ich als Gefangener vor dir und bitte dich: Nimm den Dolch, den du an deinem Gürtel trägst, und töte mich.“ Doch der Sieger soll ihn freundlich aufgenommen haben, allerdings weniger aus Menschenfreundlichkeit, sondern weil er den Fürsten noch als Kollaborateur bei der Eroberung des übrigen Landes brauchte. Auch ließ er ihn später foltern, um von ihm das Versteck des Azteken-Schatzes abzupressen.
Die Eroberung von der Azteken-Hauptstadt Tenochtitlán hatte mehrere Monate gedauert und Zehntausende Opfer gefordert. Die Toten verstopften die Straßen und der Verwesungsgestank war so entsetzlich, dass Cortés schlecht davon wurde. Und die halb verhungerten Überlebenden fielen den Beute machenden Spaniern zum Opfer oder ihren indigenen Verbündeten, deren erklärtes Kriegsziel es war, die Stadt endgültig zu zerstören. Heute erhebt sich über ihren Trümmern Mexiko-Stadt.
Cortés war im April 1519 mit 553 Soldaten und 16 Pferden nahe des heutigen Veracruz am Golf von Mexiko gelandet. Er war auf eigene Faust von Kuba aus losgesegelt, Gerüchten über goldreiche Länder im Westen folgend. Diese Gerüchte erwiesen sich als wahr. Die Bewohner der Welt, auf die die Spanier trafen, gehörten überwiegend zu einer Ethnie, den Nahua. Sie lebten in Stadtstaaten, die oft bitter miteinander verfeindet waren. Viele waren den Azteken abhängig.
Der Kern des Azteken-Imperiums war Tenochtitlán, dessen Einwohner sich selbst Mexica nannten. Städte oder Provinzen ihres Reichs hingen in unterschiedlichen Graden von den Mexica ab, sie mussten Krieger stellen oder Tribute in Form von Gold, Nahrung oder Menschenopfern zahlen. Dafür führten die Mexica regelmäßig Kriege, viele davon als sogenannte Blumenkriege, die vor allem dem Ziel dienten, Gefangene für die blutigen Menschenopfer einzubringen, denen zu Tausenden auf den Tempelpyramiden die Herzen aus den zuckenden Körpern geschnitten wurden.
„Hoch und stolz ragten die festgemauerten, steinernen Türme, Tempel und Häuser mitten aus dem Wasser“, erinnert sich der Chronist Bernal Díaz del Castillo, der als Soldat dabei war. „Einige unserer Männer meinten, das seien alles nur Traumgesichter.“ Cortés selbst nannte sie schlichte „die schönste Sache auf der ganzen Welt“. Mit geschätzt 250.000 Einwohnern war Tenochtitlán nicht nur die größte Stadt Amerikas, sondern auch eine der größten Metropolen der damaligen Welt.
Tenochtitlán lag inmitten des Texcoco-Salzsees und war mit dem Ufer durch Dämme und Süßwasserleitungen verbunden. Im Zentrum ragten gewaltige Tempelpyramiden in den Himmel. In ihnen standen reich mit Gold geschmückte Götterfiguren. Auf künstlichen Inseln, den „Schwimmenden Gärten“, bauten die Mexica Mais, Kürbisse und Bohnen an.
Der Fall Tenochtitláns und des Aztekenreichs gilt vielen heute als Zäsur, sowohl für die Geschichte Europas als auch Amerikas. Denn für die indigenen Völker Amerikas war es der Beginn der europäischen Kolonialherrschaft.
Allerdings war der Bruch nicht so eindeutig, wie er lange nicht zuletzt auf der Grundlage von Cortés Berichten beschrieben wurde. Der Historiker Stefan Rinke betont: Die Spanier haben nach der Eroberung Tenochtitláns noch Jahrzehnte gebraucht, ehe sie das Gebiet des heutigen Mexiko beherrschten. Auch haben die Konquistadoren das Aztekenreich keineswegs zerstört, sondern nur übernommen: „Wir wissen heute, dass die Kontinuitäten damals größer waren, als die Spanier uns weismachen wollten.“
„Für die Indigenen ging das Leben danach normal weiter, für die Feinde der Azteken allemal“, sagt Rinke und verweist auf zeitgenössische Zeugnisse: „Die indigenen Chronisten schrieben ihre Annalen danach weiter, als sei nichts geschehen.“
In seinem Buch „Conquistadoren und Azteken. Cortés und die Eroberung Mexikos“ (C. H. Beck, 2019) hat Rinke mit weiteren Legenden aufgeräumt. Etwa mit der, dass einige hundert spanische Soldaten ausgereicht hätten, um das Reich der Azteken zu erobern. Vielmehr war es Cortés bereits 1519 gelungen, zahlreiche Untertanen der Azteken zum Aufstand gegen ihre verhassten Herren zu mobilisieren. Die Totonaken und Bewohner Tlaxcalas sahen endlich die Chance, die drückenden Tributforderungen abzustreifen.
Als Cortés 1519 vor Kaiser Moctezuma II. erschien, begleiteten ihn Zehntausende indigene Krieger. Der Tlatoani beging den Fehler, die Fremden in die Stadt zu lassen. Bald darauf nahm ihn Cortés als Geisel. Doch ein Massaker, das die Spanier unter indigenen Adligen veranstalteten, provozierte den Angriff der der aztekischen Krieger. Nur mit großen Verlusten konnte sich Cortés im Juni 1520 in der Noche Triste (traurigen Nacht) zurückziehen.
„Die Mexikaner waren so zahlreich und griffen so heftig an, dass wir die Brücke nicht zurückerobern konnten“, schrieb der Chronist Bernal Diáz del Castillo später. „Dafür füllte sich der Kanal mit toten Pferden und ihren Reitern, die von den Nachdrängenden ins Wasser gestoßen wurden.“ Viele Spanier ertranken, weil sie ihr zusammengerafftes Gold unter Wasser zog. Auch Moctezuma kam in dem Aufstand ums Leben.
Die anfänglichen Erfolge, die die Spanier nicht zuletzt ihren Gewehren, Pferden und Waffen aus Eisen verdankten, sorgten aber dafür, dass seine Verbündeten auch bei Cortés zweitem Vorstoß 1521 zu seinen Fahnen eilten. Rund 20.000 Krieger aus Tlaxcala, Cholula und Huexotzinco verstärkten die bis zu 900 Spanier, die diesmal auch zahlreiche Geschütze aufbieten konnten. Diesmal wurde die „stärkste, reichste, größte, am stärksten bevölkerte und erleuchtete Stadt in der Neuen Welt“, so ein Chronist, von seetüchtigen Brigantinen aus angegriffen.
Hunger dezimierte die Verteidiger, die schließlich von der Übermacht am 13. August 1521 überwältigt wurden. Die Überlebenden wurden eine leichte Beute Spanier und ihrer indigenen Verbündeten, die sich für ihre jahrzehntelange Unterdrückung durch die Azteken rächten. „Das Beutemachen, Morden, Vergewaltigen und Plündern an sich war sowohl auf mesoamerikanischen als auch auf europäischen Schlachtfeldern jener Zeit durchaus üblich, nur das Ausmaß der Gräuel, die sich über mehrere Tage hinzogen, erschütterte selbst die Veteranen“, schreibt Rinke. Doch die eigentliche Katastrophe sollte in Form von Seuchen, gewaltsamer Christianisierung und Sklaverei noch folgen.
Dieser Artikel wurde erstmals im August 2021 veröffentlicht.
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