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Kultur Die apodiktische Liste

Mit diesen Fremdwörtern geben wir an – und blamieren uns

Quelle: Infografik WELT
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Wer noch nie disruptive Monolithen generierte, ist nonchalant. Oder er steht idiosynkratisch im Epizentrum. Mit Fremdwörtern kann man Texte aufhübschen. Und sich lächerlich machen. Peinliche Geständnisse unseres Feuilletons.

disruptiv

Es ist schon ein paar Jahre her: Ich saß auf dem Philosophiefestival Phil.Cologne, einer heute nicht mehr ganz zeitgemäßen Veranstaltungsform des Fremdwort-Spreadings in physisch randvollen Sälen, und sah, wie Joschka Fischer sein weiches, besorgtes Gesicht in noch tiefere Elder-Statesman-Falten legte. Nicht nur die Weltlage war katastrophal. Jetzt hatte auch noch jemand disruptiv gesagt. Vermutlich sein Gesprächspartner. „Was heute alles disruptiv heißt. Das haben wir früher revolutionär genannt“, stöhnte Fischer und ich, obwohl ganz andere Generation, stimmte ihm instinktiv und ausnahmsweise zu. Was, bitte schön, ist disruptiv im Wortsinne? Eine geknackte Walnuss? Ein Erdbeben? Oder der explodierende Hafen von Beirut? Disruptiv kann alles und nichts sein. Der Begriff wurde nicht zufällig an der Harvard Business School geprägt, schon 1995. Es sind Manager, die Veränderung nicht nur predigen, sondern auch so benennen, dass alles, was früher mal rasant, radikal, abrupt, plötzlich, explosiv, umstürzend oder revolutionär war, heute disruptiv heißt. Disruptiv ist der dumpfe Actionfilm unter den Fremdwörtern – behauptet erst gar keine Inhalte, führt aber mächtig Bewegung und Beweglichkeit vor. Manche sagen, disruptiv stünde für den Technologie- und Ökonomiewandel, den man durch die Digitalisierung erfährt. Selbst Architektur soll ja schon disruptiv sein. Marc Reichwein

subtil

In einem hoffentlich verschollenen Video sitzt mein jetziger Ex-Schwager – dreißig Jahre ist das her – am Schreibtisch und tut so, als wäre er ich. Guckt von sich selbst verzückt zur Decke. Schürzt die Lippen. Schmeckt die Worte ab (tut also alles, was ich natürlich niemals tue). Sucht irgendein Adjektiv. Und dann sagt er: „Subtil. Ja! Subtil ist immer gut.“ Die Hochzeitsgäste haben sehr gelacht damals. Würden sie heute vielleicht nicht mehr. Oder anders. Nicht, weil ich mir eine Subtildiät seitdem auferlegt hätte. Sondern, weil alles Subtile, was ja, ich habe damals zur Sicherheit noch mal nachgeschaut im Duden (gedruckt!), differenziert, sorgfältig, nuanciert heißt, in seiner ganzen Floretthaftigkeit überhaupt nicht mehr in den Schlachtenlärm der gegenwärtigen Debatten passt. Bemüht man heute die handelsübliche Onlineauskunftei um eine Definition der wahren Wortbedeutung, weist einen der Algorithmus darauf hin, dass andere Subtilsucher auch „Was ist mühsam?“ fragten. Wir leben in anstrengenden Zeiten. Mehr Subtilität täte uns supergut. Elmar Krekeler

generisch

Vor ein paar Jahren saß ich mit einer internetaffinen Künstlerin, einer jungen, talentierten Kuratorin und einer für ihre Gegenwartsanalysen bekannten Schriftstellerin in einem chinesischen Restaurant an der Museumsinsel. Über diesen Abend Ende der 2010er-Jahre wird heute noch viel gesprochen. Das Restaurant war brandneu und hatte irgendein Traditionslokal verdrängt, aber wir weinten der Tradition nicht nach, im Gegenteil. Der mit grauen Holzlamellen unterteilte Gastraum versetzte uns in eine mit der Zeit immer größer werdende Ekstase. Die unauffällig-elegante, weder schäbige noch hippe noch besonders raffinierte Einrichtung brachte ein Gefühl in uns hervor, das keine „Paris Bar“, kein „Grill Royal“ und kein schwiemeliges Neuköllner Nudelhaus je hervorbringen könnte: ein Gefühl des Überallseins und der Gelassenheit. Generisch eben. Laut Wikipedia ist das Generische „die Eigenschaft eines materiellen oder abstrakten Objekts, insbesondere einer Bezeichnung, nicht auf etwas Spezifisches, also auf unterscheidende Eigenheiten Bezug zu nehmen, sondern im Gegenteil sich auf eine ganze Klasse, Gattung oder Menge anwenden zu lassen oder eine solche gleichsam hervorzubringen oder stellvertretend dafürzustehen“. Das Generische ermöglicht es einem, sich vom Druck des Individuellen zu entspannen, deshalb ist es für mich einer der wichtigsten Begriffe der Gegenwart. Boris Pofalla

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nonchalant

Wer „nonchalant“ googeln muss, der hat’s schon falsch gemacht, denn lässig ist nur der, der’s vorher weiß. Zigarette rauchend steht er da, der Franzose mit zehn Buchstaben, ein süffisantes Grinsen ziert seine schwungvolle Typografie – denn er weiß, schon bald wird sich ein Schreiber seiner annehmen, mal wieder, und sich ob der exquisiten Wortwahl freuen. Den Franzosen soll’s nicht stören, er genießt die Aufmerksamkeit, aber ungezwungen wirkt sie nicht, welch Ironie, diese manische Fixierung. „Na, schon wieder da?“, ruft er dem Schreiber für gewöhnlich schon entgegen, wenn er ihn von Weitem auf ihn zuflanieren sieht. „Klar“, antwortet dann dieser, diesmal mit Notizblock in der Hand: „Wie heißt du wirklich?“, will er wissen, für die Arbeit sei das wohl, und fügt hinzu: „Bist du sauer, dass ich das nicht weiß?“ Der Franzose zuckt unbekümmert mit den Achseln, er versteht die Frage nicht. Da oben stehe es doch, sagt er ihm und zeigt in den Text, und tatsächlich, alle sind sie da, schwarz auf weiß, nonchalant und in kursiv. Jamin Schneider

idiosynkratisch

Ich bin eigentlich nicht so der idiosynkratische Typ, wirklich nicht! Was aber auch nicht heißen soll, dass ich keinerlei Idiosynkrasien hätte. Im Gegenteil, mit meinen Idiosynkrasien könnte man Bücher füllen – zumindest, wenn man wüsste, was genau eine Idiosynkrasie denn jetzt ist. Ich weiß es nicht, wie ich zugeben muss, aber ich schreibe ja auch keine Bücher. Dazu bin ich dann doch zu idiosynkratisch. Also irgendwie besonders, aber auch ein bisschen seltsam, gleichzeitig auch übertrieben und vielleicht auch nervös: Es ist eine komische Mischung an diffusen Bedeutungen, die sich seit den ersten Oberseminaren im imaginären Fremdwörterbuch meiner Großhirnrinde um diesen Terminus angelagert haben, versehen mit auch nicht gerade hilfreichen Querverweisen auf die nur durch lautliche Assoziation damit verbundenen Lemmata Sokrates, Synthese, Idiot und Demokratie. Wirklich erstaunlich, dass ich mit dieser kruden Arbeitsdefinition so weit gekommen bin! Jetzt habe ich allerdings gerade im Internet nachgeschlagen und herausgefunden, dass eine Idiosynkrasie buchstäblich eine „eigene Mischung“ ist. Und das passt ja dann doch wieder auf eine fast schon idiosynkratische Weise! Andreas Rosenfelder

antizipieren

Es war im Jahr 1997, ich 17 Jahre alt. Eigentlich wollte ich den Führerschein nicht machen, sparte dann doch, weil ich spürte, dass er mir helfen würde, mich aus dem Rheinland wegzubringen – nach „Berlin“. Das war die Stadt der Sehnsucht. Mein Fahrlehrer war der furchteinflößende neue Freund einer Freundin, weil er immerzu geredet hat. Es hat lange gedauert, bis ich den Führerschein bestanden habe, weil ich 10 Stunden lang zwei Worte nicht verstand und nicht umsetzen konnte. Das waren: Die Motorbremse und antizipieren. Immerzu sollte ich „antizipieren“. Was ja schlicht „vorwegnehmen“, also in der Autofahrersprache einfach „vorausschauend fahren“ heißt, assoziierte ich mit „defensiv fahren“. Ich dachte, ich sollte vorsichtig sein, dachte, dass etwas nicht stimmte. Zumal der Fahrlehrer an jeder zweiten Ecke begann, von den schlimmsten Unfällen zu berichten, die vorzugsweise 18-Jährige verursacht hätten, die nicht „antizipieren“ könnten. Irgendwann war mein Vater bei uns, meine Eltern waren getrennt, und ich fragte ihn nach den beiden Worten – 10 Minuten Erklärung, die Sache war durch. Eine Woche später hatte ich meine Prüfung – und bestand. Bis heute gehört die Fähigkeit, antizipieren zu können, zu einer der schönsten Eigenschaften des Menschen, nicht nur beim Autofahren. Swantje Karich

eklektisch

Bei eklektisch komme ich immer ins Stottern. Das fängt schon beim Buchstabieren an. Ein k oder zwei k? Ach was, zwei k sind es sowieso, aber vielleicht gleich zwei am Anfang und ein drittes hinterher? Ekklesiastisch – was war das noch mal? – schreibt sich doch auch mit zwei k, oder? Oder nicht? Das Problem ist: Die alte Fremdsprachenregel – wenn du es so nicht sagen kannst, sag es halt anders – will bei mir und eklektisch einfach nicht greifen. Offenbar komme ich ohne eklektisch nicht aus. Ich habe über altnordische Mythen in den Fingern eklektischer Fantasten geschrieben, über den eklektischen Jonathan Stroud und von Kevin Barrys „Dunkler Stadt Bohane“ habe ich behauptet, sie sei das eklektische Zentrum eines eklektischen Buchs. Womit wir zu meinem Bedeutungsproblem kommen: Es gibt nämlich Leute, die haben das als Kritik (Kritik wie in meckern) empfunden, dabei finde ich Kevin Barry großartig, stehe unheimlich auf Fantasten und habe nicht mal was gegen Jonathan Stroud – woraus ich schließe, dass ich eklektisch einfach nicht richtig verwende. Tatsächlich behauptet der Duden (ich habe es gerade noch mal nachgesehen und widerspreche), dass es so viel wie unschöpferisch heißt und abwertend gemeint sei – vermutlich nennt man überladene historistische Gebäude deshalb eklektisch (aber über überladene, eklektische Gebäude schreibe ich Gott sei Dank nicht). Wenn ich hingegen eklektisch sage, meine ich das große UND: die tolle Kombination von allem und jedem und gern auch von dem, was angeblich nicht zusammengehört: Ritter und Ufos zum Beispiel. Aber vielleicht ist es mit eklektisch ja einfach wie mit toll. Das hieß ja mal so viel wie irre. Dann wäre ich ein Pionier. Wieland Freund

Monolith

Der Monolith ist das gar nicht so seltene Phänomen eines Dings, das fast nur noch als Metapher existiert. Das „Weiße Album“ ist ein Monolith der Musikgeschichte (laut Deutschlandfunk). Der Regisseur Manoel de Oliveira war ein Monolith der Filmlandschaft (laut „Tagesanzeiger“). Das Kraftwerk Boxberg steht wie ein Monolith in der Oberlausitz (laut „Sächsischer Zeitung“). Damit soll gesagt werden, dass es sich um etwas sehr Besonderes, manchmal auch Einschüchterndes handelt. Ich selbst habe den Theatermacher Klaus Micheal Grüber und den Schriftsteller Arno Schmidt in meinen Feuilletonlehrjahren als Monolithen ihres Faches bezeichnet. Die Szene aus Stanley Kubricks „2001“, in der ein undurchdringlicher schwarzer Quader die Affenmenschen irritiert und Erkenntnisprozesse auslöst, hat wohl zur Karriere des Wortes beigetragen. Dabei ist das Ding wohl gar kein Monolith – ein Gesteinsblock aus einem einzigen Material – im eigentlichen Sinne. Mir ist der Monolith etwas fad geworden, weil man damit nicht sehr große Distinktionsgewinne erzielen kann. Nun plane ich, über den nächsten einzigartigen Künstler zu schreiben: Er steht wie ein Monophysit in der Landschaft. Oder: Er ist ein Monomer des Films. Vielleicht auch: Unter den deutschen Theaterregisseuren ragt er heraus wie Monophthong. Hand aufs Herz – wer würde schon den Unterschied bemerken? Matthias Heine

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Causeuse

Tante Gaby war bei uns in der Familie immer die Sachverständige für das Mondäne. Ihr Wort galt. Und wenn sie die herrlich altmodische Chaiselongue, die ich schon als Kind erben wollte, eine Causeuse nannte, dann hätte ich nie gewagt, daran zu zweifeln, dass genau dies die richtige Bezeichnung für das elegante Möbelstück aus der Zeit um 1860 war, das sich meine Urururgroßeltern angeschafft hatten. Als ich es dann endlich in meinen Hausstand integrieren konnte, wurde ich nicht müde, immer wieder mit meiner so wunderbar gemütlichen Causeuse zu prahlen, auf der zu liegen und zu lesen noch den letzten saisonalen Literaturschrott in einen ästhetischen Edelstein verwandelte. „Du erwischst mich auf meiner Causeuse“, habe ich oft ins Telefon geflötet, um deutlich zu machen, dass ich sehr beschäftigt sei. Bis, ja, bis ich eines Tages meinen Meister fand, der da zurückflötete: „Oh, verzeih, mein Lieber, mir war nicht klar, dass du nicht alleine bist“ und gleich auflegte. Nicht allein? Wieso? Natürlich war ich allein. Aber sicherheitshalber schlug ich nun doch mal nach, was eine Causeuse ist. Und siehe da: Es handelt sich dabei um ein Sofa mit zwei gut gepolsterten Sitzen in entgegengesetzter Richtung, auf dem man hübsch die Köpfe zusammenstecken kann, um zu causieren, also zu plaudern. Was ich hingegen besaß, war eine Couchette, weil man darauf eben auch ruhen kann. Jahrzehntelang habe ich mit falschem Französisch angegeben. Aber das liegt natürlich nur an Tante Gaby. Tilman Krause

apodiktisch

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Apodiktisch sind immer die anderen. Ich nicht. Für mich sind Aussagen wie „Das Coronavirus wurde im Labor gezüchtet, um die Impfpflicht durchzusetzen“ und „Den Klimawandel gibt es nicht“ so abwegig wie apodiktisch. Apodiktisch ist das schnöseligste Schimpfwort im Diskurs, der kein Diskurs mehr ist, weil sich alternative Wahrheiten nicht widerlegen lassen. Dabei gilt es in geistigen Sphären, die dem alltäglich Sprachgebrauch enthoben sind, als schönstes Wort fürwahr. In Kants „Kritik der reinen Vernunft“ wird, wie schon bei den alten Griechen, sauber unterschieden zwischen dem Behaupteten, dem Assertorischen, und dem Beweisbaren, dem Apodiktischen. Bei Leibniz finden sich dafür die schönsten mathematischen Modelle der Modallogik. Man kommt aus möglichen und notwendigen Annahmen zu kontingenten Schlüssen. Aber das ist Wissenschaft. Weil Wissenschaft allerdings auch bedeutet, Wahrheiten, die zwar bewiesen sind, aber nie endgültig, zu widerlegen, sollte man statt apodiktisch immer assertorisch sagen. Wenn ich so darüber nachdenke, ist es schon apodiktisch, Aussagen von anderen einfach als apodiktisch abzutun. Michael Pilz

Wir sind alle ein bisschen wie Karoline Stöhr aus Thomas Manns „Der Zauberberg“, die ständig Fremdwörter falsch gebraucht – „kosmetisch“ statt „kosmisch“ beispielsweise (Filmbild mit Margot Hielscher und Christoph Eichhorn)
Wir sind alle ein bisschen wie Karoline Stöhr aus Thomas Manns „Der Zauberberg“, die ständig Fremdwörter falsch gebraucht – „kosmetisch“ statt „kosmisch“ beispielsweise (Filmbild m...it Margot Hielscher und Christoph Eichhorn)
Quelle: picture-alliance / KPA

Epizentrum

Ein Begriff, der in den Kaffeechaträumen unserer Tage beim halb gebildeten Pandemiegespräch inflationär gebraucht wird, ist das Epizentrum, es ist sozusagen omnipräsent. Allerorten Epizentren: Jedes Land hat sein eigenes, manchmal in der Dimension von Schlachtbetrieben oder Kitas, manchmal von ganzen Städten oder Landkreisen, in Amerika von ganzen Bundesstaaten. Viele Epizentren aber wären paradoxerweise gerade das Paradebeispiel für etwas Dezentrales. Aber was unterscheidet überhaupt das Epi- von handelsüblichen Zentren vulgo Hotspots? Ist es irgendwie dramatischer beziehungsweise epischer? Ich erinnere mich dann vage an Geografiestunden über Plattentektonik und Erdbebenentstehung und lerne bei Wikipedia, dass das Epizentrum so heißt, weil es eben über dem eigentlichen (unterirdischen) Zentrum des Bebens liegt, senkrecht zur Erdoberfläche (die griechische Vorsilbe epí bedeutet „auf, über“, wieder was gelernt). Der Kern oder das Hypozentrum liegt darunter. Woraus beispielsweise folgt, dass die größten Schäden eines Erdbebens nicht unbedingt in seinem Epizentrum liegen müssen, je nach Beschaffenheit der Oberfläche. In jedem Fall ist es sinnlos, von einem Epizentrum der Epidemie zu sprechen, so schön das auch klingen mag. Apropos Epi-demie: Die heißt übrigens so, weil sie „auf, über“ das Volk (demos) kommt. Aber eben flächendeckend. Richard Kämmerlings

Hermeneutik

Es gibt Fremdwörter, die, wenn man sie nachschlägt, weil man sie in klugen Texten ständig liest und gern selbst einmal so mühelos verwenden würde, dann barsch auf sich selbst verweisen. Hermeneutisch wird etwa mit „die Hermeneutik betreffend“ erklärt. Hermeneutisch betrachtet bleibt ausgerechnet die Hermeneutik, die vom altgriechischen hermēneúein (auf Deutsch „erklären“, „auslegen“) kommt, dabei eher hermetisch. So als ob „kleinkariert“ gerade so viel bedeuten würde, als dass es kleine Karos betreffe? Und während man noch darüber nachdenkt, ob diese Metapher jetzt besonders schlau war, ist man schon mittendrin in der Hermeneutik, die unter den vielen bedeutungsschwangeren Vokabeln geisteswissenschaftlicher Seminare (Semantik, Semiotik) zu Recht einen besonders dicken Bauch hat. Denn von einer Theorie zur Interpretation von Texten und zur Deutung von Sinnzusammenhängen, liest man weiter, hat sich die Hermeneutik zu einer Philosophie des Verstehens entwickelt. Von einer Methode ist sie selbst das große Ziel geworden. Was für eine Karriere! Leider wird es dadurch nicht einfacher, den Begriff endlich einmal gescheit zu verwenden. Marcus Woeller

Wie schafft es ein Wort eigentlich in den Duden?

Er ist gelb und dick, so dick wie nie zuvor: Der neue Duden ist herausgekommen und mit ihm rund 3000 neue Wörter. Viele davon haben uns in letzter Zeit beschäftigt, aber weiß auch jeder, was mit ihnen gemeint ist?

Quelle: WELT/Alina Quast

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