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Geschichte Diktator Horthy

Hitlers ungarischer Partner wird rehabilitiert

Er trug den Titel eines "Reichsverwesers", paktierte mit dem Faschismus und führte Ungarn in den Krieg gegen die Sowjetunion. Heute errichtet man Miklós Horthy in Ungarn wieder Denkmäler.

Wenn Ungarn von allen guten Geistern verlassen ist, dann bleiben ihm wohl nur die schlechten. In der Gemeinde Gyömrö in der Nähe des Budapester Flughafens hat die Stadtpolitik eine hochsymbolische Maßnahme gesetzt. Der Freiheitsplatz ist künftig nach dem so schillernden wie gefürchteten ungarischen "Reichsverweser" Miklós Horthy benannt, der in den Dreißigerjahren mit dem europäischen Faschismus paktierte und später Hitler beim Russland-Feldzug unterstützte.

Horthy war schon zu seiner Zeit ein Revisionist, wie er den ungarischen Revisionisten jetzt wieder ideal ins heimatselige Geschichtsbild passt. Er hat für ein Groß-Ungarn gekämpft, als die magyarischen Zeiten ziemlich klein waren.

Gyömrö ist kein Einzelfall, denn die Horthy-Sache ist mittlerweile epidemisch. Im westungarischen Kereki steht seit Mitte Mai eine lebensgroße Statue des zweifelhaften Ahnherrn heutiger nationalkonservativer Politik an einer neuen und zugleich alten Adresse: dem Horthy-Platz.

Der Bischof weiht die Horthy-Gedenktafel

An der Kalvinisten-Universität von Debrecen hat es sich Bischof Gusztáv Bölcskei nicht nehmen lassen, die "Weihezeremonie" für eine Horthy-Gedenktafel selbst vorzunehmen. Immer öfter bilden sich seltsame Allianzen aus ultrakonservativen Klerikalen, der rechtsextremen Jobbik, aus antisemitischen Gruppen und Fidesz-Abgeordneten, um an der Rehabilitierung eines Mannes zu arbeiten, der als Projektionsfläche für ungarische Gefühle offenbar besonders tauglich scheint.

Miklós Horthy, vom Landadel zunächst zum letzten Befehlshaber der k. u. k. Kriegsmarine aufgestiegen, besiegte 1919 die kommunistische Räte-Regierung Béla Kuns und wurde 1920 zum "Reichsverweser", einer Art brutalem Monarch ohne Königreich.

Vom "weißen Terror" gegen Juden, Kommunisten und Sozialisten bis zu den Ermordungen und Deportationen von Hunderttausenden Juden 1944 zieht sich eine Spur der Gewalt durch Horthys politischen Lebenslauf, dessen persönliche Mitschuld unter Historikern debattiert wird. Am Ende stellte sich Horthy offen gegen die Deportationen, sein antisemitischer, bodenständiger Nationalismus aber passt fatal ins Weichbild der neuen rechten Geschichtsdeutung.

Vor zehn Jahren noch eine Unperson

Vor zehn Jahren zählten die Ungarn bei Umfragen Miklós Horthy noch mit dem Räte-Republik-Stalinisten Rákosi und dem nationalsozialistischen Diktator Szálasi zu den drei übelsten Landsmännern der Geschichte. Heute ist der Wandel überall greifbar. Und es ist längst nicht mehr nur die rechtsextreme Jobbik, die ihn zu betreiben versucht.

Auf der politischen Gegenseite sind Versuche, der Geschichte einen neuen Drall zu verleihen, bisher bescheiden. Auf einem Budapester Friedhof wurde kürzlich eine Büste János Kádárs enthüllt. Die politischen Folgen dieses von Altkommunisten betriebenen Gedenkens an den moskautreuen Autokraten werden überschaubar bleiben.

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