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Geschichte Ägyptische Geschichte

Ein 32-Jähriger entschlüsselt die Hieroglyphen

Freier Autor Geschichte
In seinem Notizbuch hielt Champollion die Ergebnisse seiner Entzifferungsversuche fest In seinem Notizbuch hielt Champollion die Ergebnisse seiner Entzifferungsversuche fest
In seinem Notizbuch hielt Champollion die Ergebnisse seiner Entzifferungsversuche fest
Quelle: picture-alliance / imagestate/HI
„Ich hab’s raus“: Am 27. September 1822 stellte François Champollion seine Entzifferung der Hieroglyphen vor. Es wurde der Schlüssel zu Altägypten und seiner 4000 Jahre dauernden Zivilisation.

Am 27. September 1822 erlebte François Cham­pol­lion sein Waterloo. Vor der berühmten "Académie des In­s­crip­ti­ons et Bel­les-​Lett­res" in Paris stellte er seine Forschungen zur Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen vor. Doch kaum hatte er geendet, fielen die Gelehrten über ihn her, nannten ihn einen Scharlatan und Plagiator und fanden überhaupt, dass sich der gerade einmal 31-jährige Philologe zu viel herausnehme.

Aber Champollion wollte nicht klein beigeben. Wenige Tage später bündelte er seine Ansichten in einem Brief an den Ständigen Sekretär der Akademie, M. Dacier. Heute gilt dieses Schreiben als entscheidender Wendepunkt der Ägyptologie, wurde er doch zum Schlüssel für die altägyptische Zivilisation. Ganze 23 Jahre hatte die Menschheit dafür gebraucht.

Die Suche begann damit, dass am 15. Juli 1799 der fran­zö­si­sche Pio­nier­of­fi­zier Pierre François Xavier Bouchard, der zum Gefolge Napoleons gehörte, bei Schanz­ar­bei­ten nahe Rosette im Nildelta einen Stein aus schwarzem Basalt fand. Er trug eine Inschrift –​ in drei Sprachen. Weder die Hie­ro­gly­phen noch die später aus ihnen ab­ge­lei­tete De­mo­ti­sche Schreib­schrift konnten die Wis­sen­schaft­ler, die Napoleons Expedition begleiteten, lesen. Wohl aber den dritten Teil. Er war in Grie­chisch ge­schrie­ben.

Mit 17 lernte er Koptisch und Persisch

Viel Glück brachte der Stein seinen Ent­de­ckern zunächst nicht. 1801, nach dem Scheitern des militärischen Un­ter­neh­mens, geriet er in die Beute, die die Briten nach London schaff­ten. Im British Museum wurde das gute Stück umgehend aus­ge­stellt. Doch Ab­schrif­ten er­mög­lich­ten es aus­ge­rech­net einem Fran­zo­sen, den Ruhm der Ent­schlüs­se­lung ein­zu­strei­chen.

Jean-​François Cham­pol­lion wurde 1790 in Figeac geboren. Im Internat von Grenoble weigerte er sich, Rechnen zu lernen. Dafür konnte er bald neben Latein und Grie­chisch He­brä­isch, Arabisch, Syrisch und Ara­mä­isch. Mit 17 lernte er Koptisch und Persisch und war mit 19 stell­ver­tre­ten­der Professor für die Ge­schichte des Altertums an der Akademie von Grenoble. Das Rennen um die Ent­zif­fe­rung der Hie­ro­gly­phen konnte beginnen.

Neben Cham­pol­lion bemühten sich ein Eng­län­der, ein Schwede und ein Franzose. 1819 konnte der Brite Thomas Young zehn Wörter ent­zif­fern oder er glaubte es zu­min­dest. Doch erst 1822 gelang Cham­pol­lion der Durch­bruch. "Je tiens l"af­fai­re!" –​ "Ich hab"s raus!" soll er gerufen haben: Die Hie­ro­gly­phen stellen keine Bil­der­schrift dar –​ wie er lange an­ge­nom­men hatte –​, sondern eine Mischung aus ideo­gra­phi­schen und pho­ne­ti­schen Zeichen. Damit hatte Cham­pol­lion die Hie­ro­gly­phen im Grundsatz ent­zif­fert: viel­leicht das älteste und si­cher­lich am längsten ge­brauchte Schrift­sys­tem der Welt.

Dankadresse an König Ptolemaios

Als Grundlage diente ihm die Inschrift auf dem Stein von Rosette. Der grie­chi­sche Text stellte klar, dass man es mit einer Dan­ke­s­adresse eines Pries­ter­kol­le­gi­ums an König Pto­le­maios V. zu tun hatte, der der ma­ke­do­ni­schen Dynastie ent­stamm­te, die seit Alexander d. Gr. Ägypten be­herrsch­te. Cham­pol­lion, der bereits als Schüler neben Latein und Grie­chisch He­brä­isch, Arabisch, Syrisch und Aramäisch erlernt hatte, zählte 486 grie­chi­sche Wörter gegenüber 1419 Hie­ro­gly­phen. Daraus folgerte er, dass es sich nicht um eine reine Bil­der­schrift handeln konnte.

Schlüssel zu ihrer Ent­zif­fe­rung fand er in den elf Hie­ro­gly­phen in den sogenannten Kö­nigs­kar­tu­schen, in denen die Kö­nigs­na­men stehen. Cham­pol­lion erkannte, dass manche Zeichen ideo­gra­fi­sche, andere dagegen pho­ne­ti­sche Bedeutung haben, also zwar Dinge abbilden, aber nur den Lautwert meinen. Daneben gibt es Deut­zei­chen, die anzeigen, ob ein Wort/Ding aus dem Bereich des Hauses, der Tiere oder der Menschen stammt. Wie in der zeit­glei­chen Keil­schrift Me­so­po­ta­miens gibt es nur Kon­so­nan­ten. Die Zeichen konnten von rechts nach links, von links nach rechts und von oben nach unten ge­schrie­ben werden. Bald konnte Cham­pol­lion die Namen von Pto­le­maios und seiner Schwester Kleopatra lesen.

Zwei verschiedene Schreibschriften

Weitere Namen aus der altägyptischen Spätzeit wie Alexander, Tiberius und Trajan folgten. Bald vermochte Champollion ein System zu erkennen. Heute wissen wir, dass jeweils nur rund 1000 Zeichen in Gebrauch waren. Neben den Hieroglyphen, die in Kult und Repräsentation eine zentrale Rolle spielten, gab es früh schon eine Schreibform, das Hieratische, das später zum Demotischen wurde.

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Erst am Ende der Antike wandelte sich die Hieroglyphenschrift zu einer Art Geheimschrift mit bis zu 10.000 Zeichen. Im Gegensatz zur Keilschrift, die über Jahrtausende hinweg zahlreichen Völkern und Sprachen diente, übernahm übrigens nur ein Volk die Erfindung der Pharaonen: das Königreich von Meroe im heutigen Sudan. Allerdings konnte dessen Sprache noch nicht entschlüsselt werden.

1828/29 besucht Cham­pol­lion Ägypten und stellte be­frie­digt fest: "Unser Alphabet ist richtig! Es kann mit demselben Erfolg bei den ägyp­ti­schen Denk­mä­lern der Rö­mer-​ und Pto­le­mä­er­zeit und bei sämt­li­chen In­schrif­ten von Tempeln, Palästen und Gräbern der Pha­rao­nen­zeit an­ge­wen­det werden." Wenig später war Cham­pol­lion tot. Doch sein Werk kam einem Dammbruch gleich.

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