Als Franz Kafka 1924 an Tuberkulose starb, hielt sich sein Freund Max Brod zum Glück nicht an Kafkas Weisung, alle verbliebenen Manuskripte, Briefe und Tagebücher zu verbrennen. Brod selbst floh 1939 vor den Nazis von Prag nach Palästina. Ohne den Koffer voller Manuskripte, den er mitnehmen konnte, hätte sich Kafkas Nachlass nie erhalten.
Als Brod 1968 in Tel Aviv starb, begann ein jahrzehntelanger Krimi um den Nachlass, denn Brod hatte sämtliche Manuskripte noch zu Lebzeiten an seine (ebenfalls aus Prag stammende) Sekretärin Ester Hoffe verschenkt. Als die 2007 im Alter von 101 Jahren starb, saß ihre Tochter Eva auf den Kafka/Brod-Papieren, die seit 1968 kein geeignetes Zuhause in einem Literaturarchiv bekommen hatten. Weil stattdessen Teile des Kafka-Nachlasses, darunter das Manuskript vom „Process“-Roman, von den Hoffes an Auktionshäuser gegeben wurden und Rekordsummen erzielt hatten, strengte der Staat Israel mehrere Prozesse an. Im Sommer 2016 wurde Eva Hoffe sogar enterbt.
WELT: Was konnte aus dem Hoffe-Nachlass neu geborgen werden?
Benjamin Balint: Zum Beispiel eine Postkarte, die Kafka seiner Familie aus Weimar geschickt hatte, als er 1912 zusammen mit Max Brod das Goethe-Haus besuchte. Insgesamt verteilten sich die Brod/Kafka-Papiere im Besitz der Hoffes auf drei Orte. Ein Teil lagerte in einem israelischen Banktresor. Dieser wurde im August 2016, sofort nach dem Entscheid des Obersten Gerichts, in die Israelische Nationalbibliothek gebracht. Ein zweiter Teil des Nachlasses mit rund 35 Kisten Material wurde 2018 aus der Hoffe-Wohnung in Tel-Aviv geborgen, einen Monat nach ihrem Tod.