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Warum Besserverdiener den Sozialstaat finanzieren

Chefökonomin
Die Grafik zeigt: Schon jetzt wird in Deutschland reichlich Geld von oben nach unten umverteilt Die Grafik zeigt: Schon jetzt wird in Deutschland reichlich Geld von oben nach unten umverteilt
Die Grafik zeigt: Schon jetzt wird in Deutschland reichlich Geld von oben nach unten umverteilt
Quelle: Infografik WELT ONLINE
Wer mehr Steuer- und Sozialabgaben von sogenannten Besserverdienern verlangt, bedenkt nicht: Die "starken Schultern" tragen schon jetzt den Großteil der Last des Sozialstaats. In Deutschland wird massiv von oben nach unten umverteilt, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft belegt.

Starke Schultern sollten mehr tragen als schwache, ist hierzulande in der politischen Debatte oft zu hören. Wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, ist das längst der Fall. "In Deutschland wird massiv von oben nach unten umverteilt", resümiert IW-Ökonom Christoph Schröder die Forschungsergebnisse. Anders als vielfach behauptet gebe es bei der Steuer- und Abgabenbelastung auch keinen Mittelstandsbauch. "Die Hauptlast tragen eindeutig die oberen Einkommensbezieher."

Nach Berechungen des arbeitgebernahen Instituts erhalten die 30 Prozent der Bundesbürger mit dem niedrigsten am Markt erwirtschafteten Einkommen im Schnitt monatlich 900 Euro mehr vom Staat, als sie an Steuern oder Abgaben zahlen. Die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher müssen hingegen per saldo 2300 Euro an die öffentlichen Kassen einzahlen.

Und während die oberen zehn Prozent unter dem Strich 42 Prozent ihres Einkommens an Fiskus und Sozialkassen abführen, gibt der Staat den Angehörigen des vorletzten Einkommenszehntels fast das Sechsfache dessen dazu, was sie aus eigener Kraft erwirtschaften. Die Bürger ganz am unteren Ende der Skala haben überhaupt kein selbst erzieltes Markteinkommen, sondern sind völlig auf Sozialtransfers angewiesen. Das Markteinkommen definiert das IW als Bruttoeinkommen zuzüglich Arbeitgeberbeiträgen für die Sozialversicherung sowie Miet- und Kapitaleinnahmen.

Im Ergebnis zeige sich, dass "der soziale Ausgleich klappt", urteilt das IW. Die staatliche Sozialpolitik bekämpfe wirksam die Armut. Hinzu kämen noch die auf privater Ebene geleisteten Transfers, etwa familiäre Unterhaltszahlungen. Gäbe es keine staatlichen und privaten Transferzahlungen, würde mehr als ein Drittel der hiesigen Bevölkerung in relativer Armut leben, müsste also mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen. "Die staatliche und private Umverteilung führt jedoch dazu, dass gerade einmal elf Prozent der Bundesbürger, gemessen an ihrem verfügbaren Einkommen, als arm einzustufen sind", heißt es in der Studie. Die Einkommensarmut wird also auf weniger als ein Drittel reduziert. Dabei erfolgt der Hauptteil der Umverteilung durch den Staat.

Ohne den staatlichen Eingriff wären die Einkommensunterschiede hierzulande viel gravierender. So erzielt das unterste Fünftel der Bevölkerung fast überhaupt kein Markteinkommen. Am untersten Ende der Skala sind die Einkünfte sogar negativ, wozu vor allem die Verluste von Selbstständigen beitragen. Dagegen vereinigt das obere Fünftel fast die Hälfte des gesamten am Markt erzielten Einkommens auf sich. Nach der staatlichen Umverteilung ergibt sich nach IW-Berechnungen ein deutlich anderes Bild. Das einkommensschwächste Fünftel kommt dann immerhin auf 9,4 Prozent der Nettoeinkommen. Die einkommensstärksten 20 Prozent haben am Ende der Umverteilung noch 35 Prozent des verfügbaren Einkommens.

Das Institut widerspricht mit seiner Studie der häufig gehörten These, dass in Deutschland die Mittelschicht besonders geschröpft werde. "Es hat uns überrascht, dass die Daten zeigen, dass es bei der Belastung mit Steuern und Abgaben keinen Mittelstandsbauch gibt", sagte Schröder. Allerdings ist die Grenzbelastung - der Anteil, den der Staat von einem zusätzlich verdienten Euro beansprucht - beim Übergang zwischen einem Transferempfänger zum Beitragszahler mit 73 Prozent am größten. Doch sie bleibt dann auch bei Spitzenverdienern bei rund 50 Prozent.

Grundlage der Studie mit dem Titel "Umverteilung und Einkommensarmut in Deutschland" sind die Daten der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes, die aus 2003 stammt. Die sehr detaillierte Befragung wird nur alle fünf Jahre erhoben, eine neuere Fassung deshalb erst im kommenden Jahr vorliegen.

"An den Grundaussagen wird sich seither aber nichts verändert haben", sagte Schröder unter Verweis auf neuere Untersuchungen wie das Sozioökonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Danach sind die Armutsquoten in Deutschland in den vergangenen Jahren recht konstant geblieben.

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