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Ausland Krieg in Afghanistan

Taliban hissen Flagge auf früherem deutschen Camp

Zwischenerfolg im Krieg in Nordafghanistan: Taliban hissen ihre Flagge auf einem früheren Bundeswehrcamp Zwischenerfolg im Krieg in Nordafghanistan: Taliban hissen ihre Flagge auf einem früheren Bundeswehrcamp
Zwischenerfolg im Krieg in Nordafghanistan: Taliban hissen ihre Flagge auf einem früheren Bundeswehrcamp
Quelle: East Media
Wo früher die Bundeswehr für Sicherheit sorgte, sind jetzt die Taliban wieder auf dem Vormarsch. Die afghanische Armee erleidet schwere Verluste, Zivilisten fliehen vor den islamistischen Kämpfern.

Der Kommandant des schnellen Eingreifverbandes der afghanischen Armee (Quick Reaction Force, QRF), Oberst Abdullah Guard, ist bei den Polizisten ein gefragter Mann. Ihn rufen sie um Hilfe, wenn sie angegriffen werden. Seit Wochen eilt er mit seinen Spezialeinheiten von einem Kriegsschauplatz zum nächsten.

Besonders heftig waren die Attacken der Taliban auf die Stadt Kundus. „Von vier verschiedenen Stellen aus versuchten die Taliban, die Stadt zu erobern“, so der QRF-Kommandant. Die Kämpfe mit den afghanischen Sicherheitskräften sollen fast fünf Tage gedauert haben, nach drei Tagen waren die Taliban bereits innerhalb der Stadt und „starteten koordinierte Attacken an Checkpoints in unterschiedlichen Stadtteilen von Kundus“, beschreibt Polizeisprecher Syed Sarwar Hussani die bedrohliche Lage.

Die Polizei in Kundus schätzt die Zahl der Taliban-Kämpfer auf 1500. Die Schüsse und Granateinschläge sollen kilometerweit zu hören gewesen sein, viele Menschen sind inzwischen auf der Flucht.

Taliban bekennen sich zu Tötung

Bei den Kämpfen um Kundus starben 20 Zivilisten, zehn wurden verletzt. Wie viele Tote es aufseiten der afghanischen Sicherheitskräfte oder bei den Taliban gibt, ist indes nicht bekannt. Der Sprecher der Taliban, Zabiullah Mujahid, übernahm die Verantwortung für den Tod des in der ganzen Region bekannten Polizeikommandeurs Qudirak im Kunduser Stadtteil Se Dokana und zwei seiner Bodyguards.

Mujahid machte die afghanischen Sicherheitsbehörden für den Tod der Zivilisten verantwortlich, „weil sie schwere Waffen eingesetzt hätten“.

Die Taliban seien nahe dran gewesen, die Stadt zu erobern. Letztlich musste Oberst Abdullah Guard sogar die afghanische Luftwaffe anfordern, um Herr der Lage zu werden. „Wir hatten große Mühe, die Taliban zurückzuschlagen, sagte Guard der „Welt“.

Tatsächlich war Kundus die letzte Hochburg der Taliban, bevor sie von der durch die USA unterstützten Nordallianz 2001 erfolgreich zurückgedrängt wurden. Der Kampf um Kundus hat deshalb sowohl für die Taliban als auch für die Regierungstruppen eine enorme psychologische Bedeutung.

„Kundus ist immer im Fokus der Taliban“

Genau deshalb eilte der afghanische Verteidigungsminister Bismillah Mohammadi während der Kämpfe um die Stadt zum Gefechtsstand der QRF von Oberst Guard.

Gemeinsam mit dem Gouverneur der Provinz, Ghulam Saki Baghlani, und Fatimah Aziz, Senatorin des Parlaments von Kundus, informierten sich die Repräsentanten des Staates über die Taliban-Offensive vor Ort. „Kundus ist eine strategische Provinz und war immer im Fokus der Taliban-Operationen im Norden“, sagt Ghulam Saki Baghlani.

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Knapp ein Jahr nachdem die Bundeswehr ihr Camp in Kundus im Oktober 2013 an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben hat, ist der Krieg mit voller Wucht zurückgekehrt. Damit scheinen sich die Bedenken vieler Bundeswehrsoldaten zu bestätigen, dass der Abzug verfrüht gewesen sein könnte.

Taliban-Flagge auf Bundeswehr-Außenposten

Wie nun bekannt wurde, hissten Taliban schon am 13. August eine weiße Flagge auf einem einstigen Außenposten der Bundeswehr. Gleich nach dem Morgengebet brachten die Kämpfer die Fahne auf dem Polizeiquartier in Chardarah an. Demonstrativ hatten sie als Zeichen des Sieges die afghanische Flagge entfernt.

Diese symbolische Aktion an einer strategisch wichtigen Stelle war gut vorbereitet: Bereits eine Woche zuvor lief ein Kommandeur der Arbaki-Milizen mit neun weiteren Polizisten zu den Taliban über. Das Wechseln der Fronten je nach Lage scheint eine alte afghanische Tradition zu sein.

„Das ist wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt ein Fallschirmjäger aus der Kaserne Seedorf, als er das Bild der Flagge zu Gesicht bekommt. Er frage sich „wofür unsere Kameraden in Kundus gestorben“ seien und ob „wirklich alles umsonst“ war.

Taliban sprengten das Auto des Polizeichefs

Bevor die islamistischen Kämpfer vor rund zwei Wochen den einstigen Außenposten der Bundeswehr kurzzeitig eroberten, griffen die Taliban zu einer kampferprobten Methode: Mit einer Sprengfalle jagten sie kurzerhand das Auto des Polizeichefs in die Luft, der schwer verletzt wiurde. Ein weiterer Polizist überlebte den Anschlag nicht.

Das Polizeihauptquartier in Chardarah hatte die Bundeswehr einst mühsam befestigt und ausgebaut. Es diente 2010 den Seedorfer Fallschirmjägern als Quartier und Vorposten während der Offensive gegen die Taliban, Codename „Halmazag“. Damals gelang es den deutschen Fallschirmjägern zusammen mit der US Army, der belgischen Armee, der afghanischen Armee ANA und den sogenannten Arbaki-Milizen, die Taliban in einer viertägigen Operation erfolgreich zurückzudrängen und einen neuen Außenposten bei Quatliam zu errichten.

Mit diesem neuen Außenposten erhoffte sich die Bundeswehr neben dem Schutz des Dorfes Quatliam eine bessere Kontrolle über das Nachbardorf Isa Khel. Denn in diesem Dorf musste die Bundeswehr bei dem sogenannten Karfreitagsgefecht im April 2010 ihre höchsten Verluste hinnehmen: drei tote deutsche Soldaten und mehrere Verwundete.

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Letztlich aber konnte auch die Bundeswehr diese Region nie richtig und dauerhaft kontrollieren. Nirgends starben mehr deutsche Soldaten in Gefechten als in der Gegend von Chardarah.

Taliban behaupten, vier der sieben Distrikte von Kundus zu kontrollieren

„Wir haben den Polizeistützpunkt in Chardarah zurückerobert, sagt Oberst Guard, die Taliban haben den nur wenige Stunden – wenn überhaupt – besetzt. Auch bei anderen von den Taliban besetzten Polizeistationen habe die afghanische Armee wieder die Oberhand gewonnen.

Es ist auffällig, wie offizielle afghanische Stellen immer wieder die Attacken der Taliban herunterspielen. In den offiziellen Pressemitteilungen des afghanischen Verteidigungsministeriums sind die teilweisen schweren Kämpfe mit den Taliban nicht mal erwähnt, obwohl der Verteidigungsminister Muhammadi sich selbst ein Bild vor Ort machte.

Unterdessen sagte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid, dass die Taliban vier der sieben Distrikte der Provinz Kundus kontrollieren würden. Auch diese Angaben lassen sich schwer überprüfen. Doch Chardarah – schon immer eine Taliban-Hochburg – könnte zu den kontrollierten Gebieten gehören. Eine Gegend, wo die Paschtunen den Taliban immer wieder Unterschlupf gewähren und sie sich deshalb unerkannt bewegen können.

Familien fliehen vor den Gefechten

Doch immer wenn die afghanische Armee verkündet, die Taliban seien geschlagen, tauchen die islamistischen Kämpfer plötzlich an anderer Stelle wieder auf: So erst am letzten Wochenende in Khanabad, einer weiteren Region von Kundus. Hunderte Familien flohen vor den schweren Gefechten zwischen Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften.

Eine neue Qualität in den Auseinandersetzungen, denn seit Jahren musste keine Familie wegen kurzer Kämpfe mehr fliehen. Der Provinzgouverneur Ghulam Sakhi Baghlani versprach den Bewohnern zu helfen und für die zerstörten Häuser zu zahlen, 25 Taliban seien getötet.

Inzwischen häufen sich die Meldungen, dass sich wieder “ausländische Kämpfer“ den Taliban anschließen, denn unter den getöteten Taliban sollen auch Usbeken und Tschetschenen gewesen sein. Der afghanische Journalist Humayoon Babur ist sich sogar sicher, dass inzwischen auch Kämpfer aus arabischen Staaten bei den Taliban seien. Er beruft sich dabei auf die Aussagen eines Polizisten. Verifizieren lassen sich diese Angaben allerdings bislang noch nicht. Bereits 2001 sollen sich in Kundus fast 3000 arabische Kämpfer, darunter viele Islamisten aus Ägypten, aufgehalten haben.

75 Taliban getötet bei Kämpfen in der Provinz Faryab

Die zahlreichen Attacken der Taliban beschränken sich nicht nur auf die Gegend rund um Kundus. In der Provinz Faryab, südwestlich von Mazar-i-Scharif, liefern sich die Afghanen erst am Dienstag längere Gefechte mit den islamistischen Kämpfern. Bei den Gefechten sollen 75 Taliban getötet worden sein und über Hundert verwundet. Darunter Usbeken und Pakistani, so Gouverneur Mohammed Allah Batatsh. Das Bundeswehrcamp in Mazar-i-Scharif, das zum Jahresende geräumt werden wird, befindet sich geografisch gesehen genau in der Mitte zwischen den Provinzen Kundus und Faryab.

Der Kommandeur der QRF, Oberst Guard, rechnet mit weiteren, massiven Angriffen der Taliban. Es sei ein „heißer Herbst“ zu erwarten. Nach Berichten der afghanischen Armee, so ein afghanischer Insider, wollen die 1500 Taliban verstärkt mit ausländischen Kämpfern versuchen, die Stadt Kundus doch noch zu erobern.

Dort sollen die islamistischen Kämpfer noch immer einige Stadtteile unter Kontrolle haben. Das berichten zumindest afghanische Journalisten.

Autobombe tötet mindestens 89 Menschen

Der Anschlag ereignete sich auf einem belebten Marktplatz in der ostafghanischen Provinz Paktika. Wer hinter dem Attentat steckt ist noch unklar, die Taliban distanzierten sich aber bereits.

Quelle: Reuters

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