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Ausland Diskriminierung

Bürgerrechtsbewegung warnt vor Reisen in US-Bundesstaat

Bürgerrechtler der NAACP demonstrierten mit dem siebentägigen Marsch Journey of Justice von Ferguson nach Jefferson City 2014 gegen Rassismus Bürgerrechtler der NAACP demonstrierten mit dem siebentägigen Marsch Journey of Justice von Ferguson nach Jefferson City 2014 gegen Rassismus
Bürgerrechtler der NAACP demonstrierten mit dem siebentägigen Marsch Journey of Justice von Ferguson nach Jefferson City 2014 gegen Rassismus
Quelle: Getty Images
Erstmals gibt es eine Reisewarnung für einen US-Staat. Betroffen ist Missouri – wo sich vermehrt Afro-Amerikaner wegen rassistischer Übergriffe beschweren. Die Ursache sehen Bürgerrechtler in höchsten Regierungskreisen.

Nimrod Chapels Telefon steht in letzter Zeit selten still. Sechs Personen haben den Bürgerrechtsanwalt in Jefferson City im Mittleren Westen der USA an diesem Vormittag bereits angerufen, um sich zu beschweren – wegen Übergriffen der Polizei und Beschimpfungen, über Rassismus. „Heute morgen habe ich einen Anruf von einem Herrn bekommen, der von Beruf Fahrer ist. Er hat sich beschwert, dass er von der Polizei einfach aus seinem Fahrzeug gezerrt wurde. Dann hat man ihn in einem Gefängnis festgehalten, für ein Vergehen, das er nicht begangen hat“, sagt Nimrod. „Dort war er verbalen und körperlichen Misshandlungen ausgesetzt.“

Chapel ist Präsident der National Association for the Advancement of Coloured People (NAACP) in Missouri, einer Regionaleinheit der Organisation, die als größte und wichtigste amerikanische Bürgerrechtsbewegung gilt. Und er ist nicht die einzige Anlaufstelle in Missouri für Menschen, die von Diskriminierung berichten und Hilfe suchen – auf lokaler Ebene gibt es noch weitere Büros der Organisation. „Es ist Teil einer traurigen Wahrheit, die wir erleben: Wir bekommen mehr Anrufe von Leuten, die um Unterstützung bitten“, sagt er der WELT. Was der letzte Anrufer an diesem Morgen erlebt hat, gehöre noch zu den leichteren Fällen.

Erst im Mai ist ein 28-jähriger Schwarzer nach einer Polizeikontrolle in Haft gekommen und starb dort unter bisher ungeklärten Umständen. Eine Häufung der Vorfälle, bei denen Menschen wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert beziehungsweise misshandelt wurden sowie ein neues Gesetz nennen die Bürgerrechtler in einer Erklärung im Internet als Grund für einen bisher einmaligen Schritt: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die seit 1909 bestehende NAACP eine Reisewarnung für einen US-Bundesstaat veröffentlicht.

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Auf ihrer Webseite warnt die NAACP „afroamerikanische Reisende, Besucher und Bewohner Missouris“ und ruft zu „extremer Vorsicht“ auf, „angesichts einer „sich abzeichnenden Gefahr“. Die Reisewarnung ist ein Novum – obwohl es in den letzten Jahren immer wieder zu rassistischen Vorfällen in dem Bundesstaat kam. 2014 gab es in mehreren Städten heftige Proteste und Ausschreitungen, nachdem der schwarze Jugendliche Michael Brown von einem weißen Polizeibeamten erschossen worden war. Im Jahr 2015 trat an der Universität von Missouri aufgrund von rassistischen Beschimpfungen gegen einen Football-Spieler sogar der Universitätsrektor zurück.

Bis zum 28. August will die NAACP die Warnung vorerst aufrechterhalten. Man wolle Missouri nicht boykottieren, sagt Chapel. „Aber die Menschen sollten durch die Information über die derzeitige Lage eigene Entscheidungen treffen können, ob sie unter diesen Umständen nach Missouri kommen wollen.“

Immunität für Menschen, die andere diskriminieren

Das neue Gesetz, Senate Bill 43, auf das sich die NAACP bezieht, erschwert es unter anderem, Klagen gegen Kündigungen mit dem Vorwurf der Diskriminierung vor Gericht durchzusetzen. Für Chapel ein unfassbarer Schritt, den er so vor dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump nicht für möglich gehalten hätte. „Ich denke, es gibt beängstigende Zusammenhänge zwischen der neuen Gesetzgebung, die gerade hier im Bundesstaat verabschiedet wurde, und dem, was wir auf dem nationalen Level mit Trump, seiner Präsidentschaft und seiner Führung sehen“, sagt er. Das Gesetz sieht zudem vor, dass nur das Unternehmen statt der Einzelperson verklagt werden kann, wenn der Vorwurf der Diskriminierung im Raum steht.

„Das Konzept, dass Leute Immunität erhalten, die andere Menschen diskriminieren und belästigen, wäre vor vier, fünf oder zehn Jahren nicht toleriert worden“, sagt Chapel. Er glaubt, dass Donald Trumps abwertende Äußerungen über Einwanderer und Frauen vor allem während des Wahlkampfs die Hemmschwelle für solche Entscheidungen gesenkt hat.

Die NAACP vergleicht das Gesetz in ihrer Warnung sogar mit einem Rückschritt in die „Jim-Crow-Ära“ – ein Bezug auf die Rassentrennung und Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerung, die mit mehreren Gesetzen von 1876 bis 1964 rechtlich verankert wurde. Bei einer öffentlichen Anhörung im April hatte Chapel diesen Vergleich vor den Gesetzgebern erwähnt – daraufhin wurde ihm das Mikrofon abgestellt.

Die wichtigste Änderung durch die umstrittene Senate Bill 43: Erhebt ein Arbeitnehmer den Vorwurf, dass er aufgrund seiner Rasse, Herkunft, des Alters, Geschlechts, der Religionszugehörigkeit oder einer Behinderung entlassen wurde, bekam er vor Gericht bisher recht, wenn das ein Teilaspekt des Kündigungsgrunds war. Jetzt wird er nur entschädigt, wenn er nachweisen kann, dass dies das Hauptmotiv für den Arbeitgeber war, ihn zu entlassen. Als „eine extreme Abweichung der bisherigen Gesetzgebung und der bisherigen Moralvorstellungen“ bezeichnet Chapel diese Änderung. Auch andere zivilgesellschaftliche Organisationen haben das Gesetz kritisiert.

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Das Argument der Unterstützer der Senat Bill 43: Das Gesetz verhindere, dass Arbeitnehmer versuchen, sich leichtfertig zu bereichern. Zudem würde die Regelung den Bundesstaat für Unternehmen attraktiver machen. Eine der treibenden Kräfte des Gesetzes, der republikanische Senator Gary Romine, war in den Verdacht geraten, damit vor allem eigene Interessen durchsetzen zu wollen. Seiner Firma wurde vor Gericht rassistisches Vorgehen vorgeworfen.

Schon im Juni, noch bevor Missouris republikanischer Gouverneur das Gesetz unterzeichnete, hatte die NAACP Missouri den Warnhinweis veröffentlicht.

Genaue Zahlen zum Anstieg der rassistischen Vorfälle erhebt die Organisation laut Chapel nicht. In der ersten Version der Reisewarnung zitieren die Bürgerrechtler die Generalstaatsanwaltschaft Missouris: Die Wahrscheinlichkeit, dass Afroamerikaner von der Verkehrspolizei kontrolliert würden, läge 75 Prozent höher als bei Weißen.

Für Anwalt Chapel geht es bei der Gesetzesänderung nicht nur um die Rechte von Afroamerikanern. Das Gesetz sei eine Bedrohung für alle. Es sei die Aufgabe der Regierung, für Sicherheit und die Einhaltung der Bürgerrechte zu sorgen – auch durch rechtliche Mittel, sagt er. „Das ist essenziell für eine Demokratie.“

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