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Ausland Kongresswahlen

Der Briefbomben-Attentäter hatte hochpolitisches Insiderwissen

Behörden befürchten, dass sich weitere Paketbomben im Umlauf befinden

Die Bombenserie an bekannte Trump-Kritiker hält die USA in Atem. Immer wieder werden weitere gefährliche Rohrbomben abgefangen. Die Ermittler suchen weiter nach Antworten: Wer verschickte die Sendungen?

Quelle: WELT / Sabrina Behrens

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Im Zuge der Ermittlungen wegen der in den USA verschickten Paketbomben führt die Spur nach Florida.
  • Das FBI durchsuchte ein Paketzentrum in der Nähe von Miami mit einem Bombenentschärfungskommando.
  • Das Land diskutiert unterdessen weiter über die möglichen politischen Motive des Täters.

Wer auch immer die Briefbomben in den USA verschickt hat, eins ist klar: Der oder die Täter verfolgen die politischen Nachrichten sehr genau – was in den USA keine Selbstverständlichkeit ist. Jedenfalls verraten die Adressaten der Mordsendungen einen gewissen Überblick der Debatte.

Mit der Paketbombe an den früheren Vizepräsidenten Barack Obamas, Joe Biden, hat die amerikanische Polizei bis Redaktionsschluss binnen 48 Stunden neun Sprengsätze abgefangen. Die anderen acht gingen an das New Yorker Büro des Schauspielers Robert de Niro, an die Privatadressen von Barack Obama und Hillary Clinton (deren Mann Bill am Mittwoch zu Hause war), an das New Yorker Büro des Senders CNN, dort separat auch an den früheren CIA-Chef John Brennan, ferner an den Milliardär George Soros, die Kongressabgeordnete Maxine Waters aus Kalifornien sowie an Barack Obamas früheren Justizminister Eric Holder.

Diese letzte Bombe wurde wegen Unzustellbarkeit an die fingierte Absenderin zurückgeschickt, die Kongressabgeordnete Debbie Wasserman Schultz aus Florida. Sie war auf allen Paketen als Absenderin angegeben.

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Auch diese Absenderadresse ist ein Indiz für die hochpolitische Motivation der Attentäter. Wassermann Schultz kam nur ein einziges Mal ins nationale Rampenlicht. Das war während des Präsidentschaftswahlkampfs im Sommer 2016, als die Internetseite Wikileaks interne Mails der Demokratischen Partei publik machte. Die Mails ließen vermuten, die Parteizentrale habe versucht, Hillary Clintons Mitbewerber um die Spitzenkandidatur, den linkspopulistischen Senator Bernie Sanders, zu behindern.

Wasserman Schultz war damals Parteivorsitzende und trat erst nach einer Intervention Obamas zurück. Der ganze Vorgang war ein typischer politischer Insiderstreit. Wer Wasserman Schultz als Absenderin vortäuscht, könnte tiefen Groll gegen Clintons Kandidatur hegen. Und er kennt sich aus.

Drastische Kritik an Trump

Ex-Justizminister Holder als Adressat ist ebenfalls ein Indiz für politische Spezialkenntnisse. Holder kam während seiner Amtszeit mit zwei Themen in die nationalen Schlagzeilen. Zum einen verfolgte er unnachsichtig sogenannte Whistleblower, die Journalisten mit sicherheitspolitischen Informationen versorgten, und auch diese Journalisten selber. Zum anderen verteidigte Holder den umstrittenen Einsatz von Kampfdrohnen auch gegen Al-Qaida-Terroristen mit amerikanischer Staatsangehörigkeit. Gerade Linksliberale sahen darin ein Todesurteil ohne Prozess.

Auch Zielpersonen wie Maxine Waters oder John Brennan sind normalerweise nur den politisch Interessierten ein Begriff. Waters, 79 Jahre alt, hat Donald Trump wegen dessen Flüchtlingspolitik scharf kritisiert. Sie schrieb auf Twitter, sie habe wenig Mitleid mit Angehörigen der Regierung Trump, wenn diese nun aus Restaurants geworfen oder auf der Straße angegangen würden. Brennan hat sich ebenfalls klar gegen Trumps Sicherheitspolitik gewandt, wenngleich nicht so drastisch wie Robert de Niro. Dieser hatte im Januar 2018 ein kurzes Video online gestellt, in dem er Trump persönlich verächtlich gemacht und gesagt hatte, am liebsten würde er dem Präsidenten „eins in die Fresse geben“.

Trotz aller Kenntnisse haben der oder die Absender der Bomben auffällige Fehler gemacht. Die Sendung an Brennan ging irrtümlich an CNN; Brennan arbeitet jedoch beim Sender NBC. Sein Name war mit „Brenan“ falsch geschrieben, ebenso wie Wasserman Schultz’ Name als „Wasserman Shultz“ und der Bundesstaat Florida als „Florids“.

Auf dem Zünder des Sprengsatzes für Brennan fand sich eine stilisierte Fahne des IS, die seit 2014 im Netz kursiert. Der Schriftzug der Terrormiliz ist in dieser Fahne durch die Silhouette dreier nackter Frauen ersetzt, das Logo durch den Slogan „Get ’er done“, „Gib’s ihr“. Wer möchte, kann darin ebenfalls ein Indiz in Richtung Hillary Clinton sehen. „Lock her up“, sperrt sie ein, war Trumps Parole im Wahlkampf.

Was bedeuten die Midterms für Donald Trump?

Am 6. November finden in den USA die Zwischenwahlen statt, die sogenannten Midterms. Doch was wird dabei eigentlich gewählt und welche Auswirkungen kann das für US-Präsident Donald Trump haben? WELT-Redakteurin Sonja Gillert beantwortet die wichtigsten Fragen.

Quelle: WELT

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Trump pflichtete am Mittwoch in einem kurzen Twitter-Post der scharfen Verurteilung der Anschläge durch Vizepräsident Mike Pence „von ganzem Herzen bei“. Am Abend trat er auf einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Wisconsin ungewohnt konziliant auf. „Lasst uns miteinander auskommen“, sagte er und fügte hinzu: „Übrigens, merken Sie, wie umgänglich ich heute Abend bin? Haben Sie so etwas schon jemals gesehen?“ Nein, natürlich nicht. Auf Maxine Waters’ Feststellung, Trump-Mitarbeiter müssten mit Ärger rechnen, hatte der Präsident im Sommer noch mit einer kaum verhüllten Drohung an die „sehr dumme Person“ Waters reagiert. „Vorsicht! Passen Sie auf, was Sie sich wünschen!“, hatte Trump getweetet.

Eine mögliche Urheberschaft in Kreisen, die Trump politisch nahestehen, könnte den Republikanern bei der Kongresswahl am kommenden Dienstag schaden. Bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus steht das Rennen zwischen in einer ganzen Reihe Wahlkreise, die Trump 2016 noch mit großem Vorsprung gewonnen hatte, auf der Kippe.

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Das gilt neuerdings auch für einige Bundesstaaten, in denen die Wahl von Senatoren ansteht. Das Oberhaus des Kongresses galt bislang als sichere Bank für Trump. Die Demokraten haben weitaus mehr Wähler registriert als Trumps Partei, und sie sind beim Spendensammeln sehr viel erfolgreicher.

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Der Eindruck, dass Trumps Gefolgschaft nun zu terroristischen Methoden greift, wäre für ihn fatal. Schon nach den Attacken eines neonazistischen Mobs in der Universitätsstadt Charlottesville im Sommer 2017 waren erhebliche Zweifel daran aufgekommen, ob sich der Staatschef der USA eindeutig genug von solchen extremistischen Gewalttätern distanziere. Bei den Kongresswahlen gilt nicht wie bei der Präsidentenwahl das Wahlmännerprinzip. Dort zählen die meisten Wählerstimmen.

Die Briefbombenserie ist die umfangreichste seit den 16 Paketen des Wissenschaftlers Theodore Kaczynski, der seine Attentate zwischen 1978 und 1995 verübte. Sie ist die politisch bedeutsamste seit den sieben Anthrax-Briefen, die von Mitte September bis Mitte Oktober 2001 an fünf Medienredaktionen und zwei prominente Senatoren der Demokraten verschickt worden waren. Der oder die Urheber der Anthrax-Anschlagsserie wurden bislang nicht identifiziert. Einem Verdächtigen, dem Biowaffenexperten Bruce Ivins, wurden die Taten nicht nachgewiesen. Er wählte 2008 den Freitod.

Ermittler durchsuchen Paketzentrum in Florida

Auf der Suche nach dem Absender der diesmal verschickten Paketbomben durchsuchten die Ermittler in der Nacht zum Freitag ein Postzentrum nahe Miami. Das FBI geht davon aus, dass alle Pakete an einer Stelle durch die US-Post gelaufen sind. In Kreisen der Ermittler hieß es, die Baupläne für die Sprengsätze stammten aus dem Internet. Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen bestätigte gegenüber dem Sender Fox, dass einige Päckchen in Florida aufgegeben wurden. Ein Bombenkommando untersuchte das Verteilzentrum in Opa-locka bei Miami.

Den Behörden zufolge waren die Sprengsätze einfach zusammengebaut. Sicherheitsexperten sagten, ihr Ziel sei es möglicherweise gewesen, Angst zu verbreiten und nicht zu töten. Bisher wurde niemand durch die Rohrbomben verletzt. „Es ist nach wie vor möglich, dass weitere Pakete geschickt wurden oder werden“, sagte FBI-Vizechef William Sweeney.

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In den USA sorgen die Meldungen über Paketbomben bei Redaktionen und Politikern für Aufsehen. Verfolgen Sie live im Originalton den ersten Auftritt des US-Präsidenten nach den Ereignissen – offiziell anlässlich einer Pressekonferenz über Drogenkonsum.

Quelle: AP

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