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Ausland Regierungskonsultationen

Die Gespräche mit China stehen in der Post-Merkel-Ära unter ganz anderen Vorzeichen

Senior Editor
Quelle: Artyom Ivanov/Ulrich Baumgarten/picture alliance/dpa/TASS; Montage: Infografik WELT
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Vertreter der deutschen und chinesischen Regierung treffen sich drei Tage lang in Berlin. Es ist das erste politische Super-Event dieser Art seit Beginn des Ukraine-Kriegs – und ein Gradmesser, ob Deutschland wirklich noch eine realistische Chance hat, sich von China abzunabeln.

Als sich das deutsche und das chinesische Kabinett das letzte Mal zu Regierungskonsultationen trafen, war alles anders. Das Treffen fand virtuell statt, weil die Corona-Pandemie noch andauerte, und es war Angela Merkel, die es auf deutscher Seite leitete, mit ihrem in der China-Politik ganz eigenen Stil.

„Sehr geehrter, lieber Herr Ministerpräsident“, begrüßte sie Premier Li Keqiang. Natürlich gebe es zwischen beiden Ländern Meinungsverschiedenheiten, gerade in Menschenrechtsfragen. Aber: „Wir haben es bisher immer geschafft, auch diese Themen anzusprechen.“ Immerhin habe die EU unter ihrer Ratspräsidentschaft ein Investitionsabkommen mit Peking ausgehandelt. „Sie wissen, dass dies meine letzten Regierungskonsultationen sein werden“, fügte die Kanzlerin hinzu, „aber ich hoffe, dass es nicht die letzten Regierungskonsultationen zwischen China und Deutschland sein werden“.

Am Dienstag starten die ersten Kabinettsgespräche der Nach-Merkel-Ära, und sie finden in einem komplett anderen Kontext statt. Merkels Verhältnis zu China zeichnete sich auch dadurch aus, dass sie eine gemeinsame Formel der EU stets umformulierte: Die Europäer haben sich vor Jahren darauf geeinigt, dass die Volksrepublik für sie zugleich „Partner, Wettbewerber und Systemrivale“ sei. Das letzte Attribut ließ Merkel grundsätzlich weg.

Doch nun amtiert in Berlin eine Regierung, die gerade eine Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht hat, und darin stehen wieder alle drei Begriffe. Nach den Erfahrungen mit Russlands Erpressungspotenzial im Ukraine-Krieg strebt Berlin wie die EU ein „De-Risking“ im Verhältnis zu China an, eine Verminderung der Risiken aus wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Allein: Das Dokument, dass die Durchführung erklären würde, die seit Langem erwartete China-Strategie, fehlt noch immer.

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„Bei der China-Strategie kommt es nicht vor allem auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung an, sondern auf den Prozess der gesellschaftlichen und politischen Verständigung über unser Verhältnis zu China“, sagt der grüne Europa-Abgeordnete Reinhard Bütikofer, lange Jahre stellvertretender Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik. Der ehemalige Grünen-Vorsitzende gilt als einer der besten China-Kenner in der europäischen Politik und mit Sicherheit als der erfahrenste innerhalb seiner Partei, deren Außenministerin Annalena Baerbock die China-Strategie federführend verantwortet.

China-Strategie soll sich europäischem Standard nähern

Dass Differenzen zwischen dem grünen Außenministerium und dem SPD-geführten Kanzleramt die Strategie verzögerten, wurde immer wieder berichtet. Bütikofer hält dem entgegen, dass der wesentliche Konsens jetzt schon in der Sicherheitsstrategie festgehalten sei.

„Wettbewerb und Systemrivalität mit China haben zugenommen, und das genau steht in der gemeinsamen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung“, sagt Bütikofer. „Die Regierung Merkel war in Sachen China sozusagen hinter der Kurve. Die neue China-Strategie wird sich dagegen dem europäischen Standard annähern.“

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In einem Entwurf des Strategiepapiers, das im November durch einen „Spiegel“-Bericht an die Öffentlichkeit gedrungen war, geht es schon zentral um den Abbau von Abhängigkeiten. Die SPD jedoch, so hieß es damals, fürchte übergroße Härten für die Wirtschaft. So steht in dem Entwurf etwa, die Bundesregierung wolle Importstopps in der EU unterstützen, wenn „Lieferketten frei von Menschenrechtsverletzungen“ anders nicht zu gewährleisten seien.

An dieser Stelle sieht Bütikofer heute keinen Konflikt in der Koalition. „Die Bundesregierung beteiligt sich doch gerade an der Entwicklung eines EU-Lieferketten-Gesetzes, wo es darum geht, Menschenrechtsstandards in der Handelspolitik durchzusetzen“, so der Grüne. „Darum sehe ich hier keine prinzipiellen Dissonanzen. Das wird sich in der China-Strategie auch niederschlagen.“

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Ein anderer Punkt im Entwurf, der Aufsehen erregt hatte, war das EU-Investitionsabkommen. Vielen Beobachtern galt es als zu vorteilhaft für China. Als Peking dann Bütikofer und andere EU-Abgeordnete wegen ihrer Kritik an der Menschenrechtslage mit Einreisesperren belegte, stoppte das Europaparlament die Ratifizierung.

Investitionsabkommen ist „tot wie ein Sargnagel“

Im Strategie-Entwurf wurden jedoch Bedingungen genannt, unter denen es wiederbelebt werden könne. Diese Möglichkeit schließt Bütikofer nun aber praktisch aus. „Das Investitionsabkommen ist meines Erachtens ‚dead as a doornail‘“, also tot wie ein Sargnagel. Das liege nicht nur an den Einreisesperren.

„Bei dem Abkommen ging es für Peking von Beginn an nicht um Handel, sondern um eine Spaltung zwischen Europa und den USA“, sagt Bütikofer. „Zudem hat es in der Zwischenzeit einige legislative Entscheidungen in China gegeben, die keinesfalls im Sinne der europäischen Wirtschaft sind.“

Dazu gehörten die neue Anti-Sanktions-Gesetzgebung, die erlaube, europäische Unternehmen zu bestrafen, wenn sie sich an US-Sanktionen gegen China beteiligen, und die Verschärfung des Spionagegesetzes. Letztere stelle praktisch jede sorgfältige Prüfung gemeinsamer Geschäfte mit chinesischen Unternehmen unter Spionageverdacht. „Gegen beides würde das Investitionsabkommen keinen Schutz gewähren. Darum ist die Vereinbarung in dieser Form überholt. Das sieht übrigens auch der Bundesverband der Deutschen Industrie so.“

Wenn die Wiederbelebung der Vereinbarung aus der China-Strategie verschwindet, ist das sicher ein strategischer Punkt für die Grünen. Aber auch für den europäischen Zusammenhalt. „Deutschland muss seine China-Strategie stärker europäisieren“, sagt Bütikofer. Nur so seien die chinesischen Spaltungsversuche abzuwehren.

Das könne übrigens auch bei zukünftigen Regierungskonsultationen exerziert werden. „Der französische Präsident Emmanuel Macron hat etwa deutsche Minister auf seine Reise nach China mitgenommen. Warum beteiligen wir nicht umgekehrt französische oder polnische Minister an unseren Regierungskonsultationen mit Peking? Es wäre wichtig, dass Berlin solche Signale setzt.“

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