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Deutschland Alice Schwarzer

„Kalaschnikows, Sprenggürtel und jetzt die sexuelle Gewalt“

Chefredakteur
Feministin und „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer findet: Durch politische Korrektheit werden verschleierte Verhältnisse geschaffen Feministin und „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer findet: Durch politische Korrektheit werden verschleierte Verhältnisse geschaffen
Feministin und „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer findet: Durch politische Korrektheit werden verschleierte Verhältnisse geschaffen
Quelle: picture alliance / dpa
Nach den Köln-Übergriffen fordert Alice Schwarzer eine Islam-Debatte ohne politische Korrektheit. Sexuelle Gewalt könne auch Terrorwaffe sein. Das Kopftuch sieht sie als „Flagge der Islamisten“.

Das „Manzini“ ist eine elegante West-Berliner Institution. Deutschlands berühmteste Feministin ist hier Stammgast. Die schrecklichen Ereignisse von Köln haben Alice Schwarzer nicht die Laune verdorben. Sie lacht viel, auch und besonders über die unzähligen Kritiker ihrer Klartexte, die sie auch nach Köln über die Homepage ihres feministischen Magazins unter die Leute brachte.

Die Welt: Auf „Emma.de“ sprachen Sie nach den Ereignissen von Köln von „falscher Toleranz“ und „Terror“. Hat Sie das Echo auf Ihre Aussage auf „Emma.de“ überrascht?

Alice Schwarzer: Nein, überhaupt nicht. Das bin ich jetzt seit 36 Jahren gewöhnt.

Die Welt: Was ist Ihr intellektueller Zugang zum Frauenbild im Islam?

Schwarzer: Ich habe seit 36 Jahren sehr konkrete und vielfältige Kontakte zu Frauen im islamischen Kulturkreis, sowohl in Nahost wie in Nordafrika. Schon 1979 war ich ein paar Wochen nach der Machtergreifung von Khomeini mit einer Gruppe französischer Intellektueller auf den Hilferuf von Iranerinnen hin in Teheran. Und da war mir schon klar, was sich da entwickelte.

Die Welt: Was denn?

Schwarzer: Ich habe dort mit vielen beeindruckenden Menschen gesprochen. Vom Ministerpräsidenten – der wenig später ins Exil flüchtete – bis hin zu starken Frauen, die den Schah mit der Kalaschnikow unter dem Tschador bekämpft hatten. Und die haben alle mit dem liebenswürdigsten Lächeln zu mir gesagt: „Ja, selbstverständlich werden wir ein Gottesstaat und führen die Scharia ein. Und ja, dann gilt: Steinigung bei außerehelichem Sexualverkehr der Frau oder bei Homosexualität.“

Als ich zurückkam, habe ich veröffentlicht, was ich gesehen und gehört hatte. Und was daraus erwachsen könnte. Ich habe leider mehr als recht behalten. Es ist eine Reportage, an der ich bis heute kein Wort verändern müsste.

Ganze Bücher haben die gegen mich veröffentlicht und versucht, mich mundtot zu machen
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Die Welt: Wie sind Sie seitdem mit dem Thema umgegangen?

Schwarzer: Das Thema hat mich nie mehr losgelassen. Über 25 Jahre lang war „Emma“ das quasi einzige Organ im deutschsprachigen Raum, das die Gefahr des politisierten Islam thematisierte: von Afghanistan über Tschetschenien und Algerien bis nach Köln. Ich habe auch zwei Bücher dazu herausgegeben. Das erste 2002, „Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz“. Das könnte ich heute so nachdrucken lassen, und Sie würden nicht merken, dass es vor 14 Jahren erschienen ist. Ich will sagen: Mindestens so lange schon hätte auch die Politik das Problem erkennen können.

Die Welt: Das hat Ihnen nicht nur Lob eingebracht.

Schwarzer: So kann man das sagen. Seither werde ich in gewissen Kreisen – Multikulti-Grüne, Linke, Konvertiten – munter als Rassistin beschimpft. Zum Glück bin ich mir ziemlich sicher, dass mir wenig ferner ist als Rassismus. Aber es ist doch eine enorme Einschüchterung. Ganze Bücher haben die gegen mich veröffentlicht und versucht, mich mundtot zu machen. In meinem Fall ist das nicht gelungen.

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Quelle: Die Welt

Die Welt: Bei anderen schon?

Schwarzer: Bei vielen. Und bis heute wagen Menschen, die ein berechtigtes oder auch unberechtigtes Unbehagen haben, das man aufklären könnte, es nicht, etwas Kritisches über die Entwicklung mancher Migranten und Flüchtlinge in Deutschland sowie die versäumte Integration zu sagen. Aus Angst vor dem Rassismusvorwurf. Diese Blase ist jetzt geplatzt.

Die Welt: Woher rührt dieses Tabu?

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Schwarzer: Dieses Muster kenne ich als Feministin seit Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre, damals in der Form vom Hauptwiderspruch und Nebenwiderspruch. Bevor deutsche Frauenrechtlerinnen früher auch nur das Wort „Frau“ aussprachen, gab es erst mal einen langen Diskurs über den Hauptwiderspruch, den Klassenkampf. Erst dann wurde das Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern angesprochen. Und dann stand man in der Linken sofort als sogenannte bürgerliche Frauenrechtlerin am Pranger. Das war das Totschlagargument.

Die Welt: Was den Klassenstandpunkt nicht ändert …

Schwarzer: Was den Klassenstandpunkt absolut überordnet. Von Klassen redet heute niemand mehr. Trotzdem haben wir heute bei den Grünen, in der linken Szene und in einer gewissen Internetszene eine ähnlich groteske Situation in der Feminismus-Debatte: Jetzt gilt der Rassismus als Hauptwiderspruch. Und wieder sollen wir die Klappe halten und nicht über unsere Probleme als Frauen reden – egal, welcher Hautfarbe oder Ethnie wir sind.

Die Leugnung des Geschlechterwiderspruchs hat inzwischen in der Szene, die sich heute selbstgerecht als Hüterin des Antirassismus versteht, groteske Ausmaße angenommen. Und genau das ist rassistisch! Weil man mit diesem Argument verhindert, dass wir die Fremden, die zu uns kommen, ernst nehmen als Menschen wie wir. Die sind in Wahrheit nämlich gar nicht so fremd und könnten durchaus auch dazulernen.

Aber für diese Szene bleiben sie die schönen Wilden sozusagen. Der Fremdenhass ihrer Eltern schlägt bei ihnen um in eine in Wahrheit nicht minder verachtende Fremdenliebe. Fremdenhass und Fremdenliebe sind ja nur zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Die Welt: Man sollte nicht paternalisieren?

Schwarzer: Richtig, nicht bevormunden. Diese Stellvertreterpolitik ist ja genau das, was unsereins schon früher so wahnsinnig gemacht hat. Und man weiß inzwischen auch gar nicht mehr, was man überhaupt noch sagen darf. Es wechselt ja jeden Tag die politische Korrektheit. Das soll uns am freien Denken hindern. Form statt Inhalt. Da geht es nicht um die Menschen, sondern um Ideologie.

Die Welt: Wie sollte man die Menschen behandeln?

Schwarzer: Nicht ideologisch, sondern menschlich. Man sollte ihnen sagen: Ihr habt die gleichen Rechte – aber auch die gleichen Pflichten! Nach den Ereignissen in Köln habe ich bei einer der sogenannten jungen Feministinnen gelesen, auch „weiße Bio-Deutsche vergewaltigen“.

Da kann ich nur sagen: Richtig, das sagen wir feministischen Pionierinnen seit 40 Jahren! Doch jetzt müssen wir weiterdenken, denn die Ereignisse in Köln und an anderen Orten hatten über die uns bisher bekannte sexuelle Gewalt hinaus eine neue Qualität, eine ganz andere Dimension.

Die Welt: „Emma“ analysiert die sexuelle Gewalt gegen Frauen mit kulturellen Hintergründen schon länger.

Schwarzer: Bereits vor 20 Jahren hat ein Kölner Polizist zu mir gesagt: Frau Schwarzer, 70 bis 80 Prozent aller Vergewaltigungen in Köln gehen auf das Konto von Türken. Ich war entsetzt und habe geantwortet: Das müssen Sie unbedingt öffentlich machen! Denn auch ein Türke wird ja nicht als Vergewaltiger geboren. Das hat ja Gründe. Was ist los bei denen? Was können wir tun?

Doch es kam die klare Ansage: „No way, das ist politisch nicht opportun.“ Und genau diese Art politischer Correctness verschleiert die Verhältnisse. Reaktionärer geht es nicht.

Die Welt: Spielt diese Einstellung nicht denen in die Hände, die den Medien nicht mehr glauben?

Schwarzer: Ja, leider. Ich persönlich bin seit Langem davon überzeugt, dass die Erstarkung der Rechtspopulisten in Westeuropa nicht möglich gewesen wäre, wenn die Parteien nicht durch die Bank seit Jahren und Jahrzehnten die Politisierung des Islams völlig ignoriert oder verharmlost hätten. Und die Medien haben mitgespielt.

Die Welt: Seit wann geht das so?

Schwarzer: Die Machtergreifung Khomeinis 1979 war der Startschuss für die Politisierung des Islam. Die ideologische Munition kommt aus Iran und Pakistan, das Geld aus Saudi-Arabien, womit wir ja beste wirtschaftliche Beziehungen haben. Wir hatten auch vor den 80er-Jahren schon Millionen Türken im Land. Dabei spielte es damals keine Rolle, ob sie Moslems waren. Es spielte aber eine Rolle, dass sie arm waren und vom Land kamen.

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Quelle: Die Welt

Die Welt: Zivilisationsfern, aber keine größere Differenz?

Schwarzer: So ist es. Ab und zu sah man früher auch mal eine ältere oder junge Frau vom Land mit Kopftuch. Aber nicht mit dem islamistischen Kopftuch. Das gibt es bei uns erst seit Mitte der 80er-Jahre. Dieses Kopftuch, das jedes Haar abdeckt und auch den Körper verhüllt, weil eben die Frau an sich Sünde ist.

Die Welt: Das ist eigentlich ein unfassbares Kompliment an den weiblichen Körper, oder?

Schwarzer: Na ja, geht so. Es ist die Begrenzung der Frau auf ihren Körper und die Sexualität. Und was für ein Männerbild ist das eigentlich? Jeder Mann, der ein Haar oder eine Silhouette sieht, stürzt sich wie ein Tier auf sie. Ist natürlich auch ein drolliges Männerbild, wenn ich das mal sagen darf.

Die Welt: Gegen das ich mich natürlich verwehren muss.

Schwarzer: Ja, das sollten gerade Sie als emanzipierter Mann unbedingt! Übrigens: Aus einer großen Studie des Innenministeriums wissen wir: 70 Prozent der Musliminnen in Deutschland haben noch nie ein Kopftuch getragen. Selbst von denen, die sich selber als streng religiös definieren, hat jede zweite noch nie ein Kopftuch getragen. Das Kopftuch hat also nichts mit Glauben zu tun. Es ist ein politisches Signal.

Die Welt: An die Väter, die Brüder?

Schwarzer: An alle Männer und die Umwelt. Die individuellen Gründe für das Kopftuchtragen sind vielfältig: Identitätssuche, eine anständige Frau sein wollen etc. – aber es gibt auch Druck oder gar Zwang. Wir wissen ja, dass zum Beispiel Islamisten den Eltern Geld bieten, wenn ihre Töchter sich verschleiern.

Ich bin viel dafür angegriffen worden, dass ich für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und in der Schule bin. Das scheint mir aber eine Selbstverständlichkeit. So wie in Frankreich. Und in einer weltlichen Schule hat das Kopftuch schon gar nichts zu suchen. Aber darüber hinaus bin ich natürlich nicht für ein Verbot, sondern für das Gespräch mit den Kopftuchträgerinnen.

Die Welt: Die Frage ging bis vor das Verfassungsgericht.

Schwarzer: Ja, ich werde nie den Fall von Fereshta Ludin vergessen. Tochter von Afghanen, Vater Diplomat, Mutter Lehrerin, die nie ein Kopftuch getragen hat. Dann haben die Eltern aber fatalerweise ein paar Jahre in Saudi-Arabien gelebt, wo das Mädchen zur Schule ging – und mit dem Kopftuch wieder rauskam.

Sie ist „die Kopftuch-Lehrerin“

Fereshta Ludin fühlt sich mit Kopftuch sicher, doch als Lehrerin hätte sie es absetzen müssen. Jahrelang stritt sie für ihr Recht, sich zu kleiden, wie sie will. Nun hat sie gewonnen - und verloren.

Quelle: Die Welt

In Deutschland hat Ludin dann einen schwäbischen Konvertiten geheiratet, der seiner Mutter nicht mehr die Hand gab – wegen der Unreinheit der Frau. Fereshta Ludin ist dann von muslimischen Verbänden aufs Pferd gehoben und bis vor das Verfassungsgericht begleitet worden: um das Recht, als Lehrerin ein Kopftuch zu tragen, durchzusetzen.

Die Welt: Viele Medien sahen das Kopftuchverbot nicht so streng wie Sie.

Schwarzer: Ja, ich erinnere mich speziell in der „Zeit“ an den Satz: „So ein Kopftuch ist nur ein Stückchen Stoff; so harmlos wie das Kreuzlein um den Hals“. Seite an Seite mit der grünen Multikulti-Szene sind ja vor allem die linksliberalen Medien pro Kopftuch. Sie halten das für eine individuelle oder gar religiöse Neigung – und durchschauen nicht die politische Struktur dahinter.

Im Fall Ludin hatte sich nur die „Emma“ die Mühe gemacht, investigativ zu recherchieren. Und herausgefunden, dass Muslimverbände dahinterstecken, die in Deutschland ja rückwärtsgewandt orthodox bis islamistisch sind.

Die Welt: Was waren die Reaktionen?

Schwarzer: Man hat mir gesagt: „Ausgerechnet Sie als Feministin wollen den Frauen absprechen, freiwillig das Kopftuch zu tragen?“ Entschuldigung, seit wann finde ich denn alles gut, was Frauen gerne machen? Hier darf man nicht nur individualistisch argumentieren, sondern muss durchschauen, dass das Kopftuch seit 1979 die Flagge der Islamisten ist.

„Merkels Alleingang war ein Akt der Selbstermächtigung“

„Noch nie war die Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit so tief“: Verfassungsrechtler wie Udo Di Fabio und Hans-Jürgen Papier lassen kein gutes Haar am Agieren der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise.

Quelle: Die Welt

Die Welt: Kommen wir zu einem anderen Punkt, der Flüchtlingskrise. Wie nehmen Sie die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin wahr?

Schwarzer: Angela Merkel hat grundsätzlich menschlich recht. Sie kann auch keine Obergrenze nennen. Aber konkret müssen wir schon sehr genau hinschauen. Wir können und dürfen nicht alle nehmen. Aus Griechenland ist zu hören, dass früher drei Viertel der Flüchtlinge aus Nahost kamen. Jetzt sagen sie, die Hälfte kommt aus Tunesien und Marokko. Aber das sind erstens keine Kriegsländer. Und zweitens liegt der Verdacht nahe, dass gerade unter den Ankommenden aus diesen Ländern die Anzahl der Islamisten sehr hoch ist.

Die Welt: „Wir schaffen das!“

Schwarzer: Sagen wir es besser so: Wir könnten das schaffen. Aber jetzt muss alles getan werden, um versäumte Integration nachzuholen und die Flüchtlinge sofort auf den Prüfstand zu stellen.

Die Welt: Ist das Kind nicht schon zu tief in den Brunnen gefallen?

Schwarzer: Irgendwann muss man ja anfangen, es richtiger zu machen. Wir müssen reingehen in diese Communitys, in diese Milieus, wir müssen den Müttern sagen: „Kommt heraus aus dem Haus, und lernt Deutsch!“ Bei Asylsuchenden verbunden mit Auflagen. Die Töchter müssen die gleichen Freiheiten haben wie ihre deutschen Freundinnen! Und die Söhne die gleichen Chancen.

Wir müssen der seit 25 Jahren ungebremst laufenden islamistischen Agitation endlich etwas entgegensetzen. Und lernen, stolz zu sein auf das, was wir so hart errungen haben: Rechtsstaat, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung der Geschlechter.

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Quelle: Die Welt

Die Welt: Sind mit Blick auf die Silvesternacht Gesetzesverschärfungen nötig?

Schwarzer: Ich würde sagen, die bestehenden Gesetze anwenden wäre auch schon mal ganz schön. Und wenn jetzt der Justizminister die von der EU seit Jahren geforderte Verbesserung des Vergewaltigungsgesetzes endlich aus der Schublade holt, begrüße ich das. Aber Sie könnten 100 Grapscher vom Kölner Bahnhof überführen – denen droht gar nix. Denn das verharmlosend genannte Grapschen ist in Deutschland noch nicht einmal ein Straftatbestand.

Die Welt: Viele dieser mutmaßlichen Täter haben Krieg erlebt.

Schwarzer: Genau. Was bedeutet, diese Männer waren Täter oder Opfer oder beides. Sind verroht, brutalisiert, traumatisiert. Bei uns würde man zu so jemandem sagen: „Ab in die Therapie, damit du wieder lernst, dass du bei Konflikten nicht immer die Knarre ziehen kannst.“ Das ist ja auch ein Problem bei amerikanischen Kriegsveteranen.

Die Welt: Früher war das bei uns auch anders.

Schwarzer: Wohl wahr. Aber wir haben in diesen letzten 40 Jahren viel erreicht. Unendlich viel. Die Opfer wissen heute, dass nicht sie sich schämen müssen, sondern die Täter. Wir haben neue Gesetze, Frauenhäuser, Notrufe, Hilfe für die Opfer. Wenn auch noch nicht genug.

Die Welt: Auch bei der Toleranz gegenüber anderen Religionen gibt es Probleme.

Schwarzer: Ja, der flagrante Antisemitismus der arabischen Welt wird ausgerechnet in Deutschland nicht benannt. Das hat Tradition. Gerade die Linke pflegt unter dem Vorwand der – ja durchaus berechtigten – Kritik an Israel schon lange einen schamlosen Antisemitismus.

Könnte es sein, dass im Kern dieser sexuellen Gewalt eine kleine Gruppe von Provokateuren agiert hat, die gezielt zur Destabilisierung der Willkommenskultur in Deutschland gehandelt hat?

Die Welt: Zentralratschef Josef Schuster warnte in der „Welt“ vor Judenhass unter den Flüchtlingen und erntete dafür jede Menge Kritik.

Schwarzer: Das ist unerhört! Dabei hatte gerade der Zentralrat der Juden lange Zeit generös Antisemitismus mit einer vorgeblichen Islamophobie in Deutschland gleichgesetzt. Ich will sagen, gerade die offiziellen Vertreter der Juden in Deutschland haben sich wirklich Mühe gegeben, nicht unangenehm aufzufallen.

Gut, dass sich das gerade ändert. Denn wie bekannt, haben die Migranten und Flüchtlinge aus dem islamischen Kulturkreis nicht nur ihren traditionellen Sexismus im Gepäck, sondern auch den Antisemitismus.

Die Welt: Kommen wir noch mal zurück auf die Silvesternacht in Köln …

Schwarzer: Gerne. Denn da stelle ich mir eine Menge Fragen. Zum Beispiel die: Könnte es sein, dass im Kern dieser sexuellen Gewalt eine kleine Gruppe von Provokateuren agiert hat, die gezielt zur Destabilisierung der Willkommenskultur in Deutschland gehandelt hat?

Die Welt: Meinen Sie wirklich?

Schwarzer: Es liegt nahe. Wenn Sie die Schriften der Islamisten und des IS lesen, ist deren Besessenheit Nummer eins die Emanzipation der Frau. Das ist die große Obsession.

Die Welt: Da gibt es Schnittmengen mit den erzkonservativen Katholiken.

Schwarzer: Jede Religion ist missbrauchbar. Und in allen Kriegen war die systematische Vergewaltigung von Frauen Teil der Kriegsstrategie. Denn mit der sexuellen Gewalt gegen Frauen erreicht man zweierlei.

Erstens: Man bricht die Frauen. Zweitens: Man demütigt deren Männer. Das hätte dann wirklich eine brisante politische Dimension: Zu den Kalaschnikows und Sprenggürteln käme jetzt noch die Waffe der sexuellen Gewalt.

Die Welt: Also Teil einer Kriegsstrategie?

Schwarzer: Ja. Und nicht zufällig in den Ländern, die die offensten waren. In denen die Emanzipation der Frauen am weitesten fortgeschritten ist: Deutschland, Dänemark, Schweden. Und dann kommt da noch ein demografisches Problem auf uns zu: Wir wissen seit Langem, dass ein starker Überhang an jungen, noch nicht gebundenen Männern zwischen 18 und 30 sehr heikel werden kann. Das kann sogar kriegsauslösend sein.

China hat bei 117 auf 100 Frauen die Notbremse gezogen und die Ein-Kind-Politik geändert. Schweden hat jetzt schon, dank der Flüchtlinge, 125 auf 100. Und in Deutschland wird es ähnlich werden bei 70 bis 80 Prozent junger Männer unter den Flüchtlingen. Dieser Männerüberschuss ist eine Gefahr, unabhängig von dem kulturellen Hintergrund.

Die Welt: „In der Gefahr wächst das Rettende auch“, heißt es im „Patmos“ von Friedrich Hölderlin.

Schwarzer: Dann sieht man auch das kleinste Licht.

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Quelle: Die Welt

Schwarzer: In dem wirklichen Erschrecken unserer gesamten Gesellschaft. Endlich reden wir offen darüber. Wenn jetzt die Medien einfach ihrer Informationspflicht nachkommen und die Parteien die Probleme klar erkennen, könnten endlich Gegenstrategien entwickelt werden.

Die Welt: Haben Sie Flüchtlingen auch schon einmal direkt geholfen?

Schwarzer: Vor ein paar Monaten habe ich zwei junge syrische Männer, sichtlich wohlerzogen, nachts in Berlin zusammen mit einer Freundin vom Lageso zu deren Schlafquartier gefahren. Und in meinem Dorf habe ich um Weihnachten die Patenschaft für eine junge afghanische Familie übernommen, mit zwei entzückenden Kindern. Der Junge ist ein bisschen schüchtern, und das Mädchen ist sehr keck.

Anfang des Jahres hatte ich die beiden Kinder, sieben und zehn Jahre alt, zusammen mit Nachbarskindern zu mir eingeladen. Dass die kleinen Afghanen (bisher) ausschließlich Farsi sprechen, hat die Kinder nicht daran gehindert, drei, vier Stunden lang zusammen herumzutoben. Am liebsten haben sie Verstecken gespielt. Und zwei Tage später gingen die zwei zum ersten Mal in die Schule. Da sitzen sie jetzt neben ihren neuen Freunden.

Mehr Informationen auf www.aliceschwarzer.de.

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