Mit rund einstündiger Verspätung hat Bremens Ex-Bürgermeister Henning Scherf (SPD) als Zeuge im Prozess um den ungeklärten Tod eines mutmaßlichen Drogendealers vor fast neun Jahren ausgesagt. Da Scherf zunächst nicht erschienen war, verhängte die Kammer am Montag ein Ordnungsgeld von 150 Euro gegen ihn.
Scherf erklärte später, dass er von dem Termin am Morgen nichts gewusst habe. Nach Angaben der Vorsitzenden Richterin Barbara Lätzel war die Verhandlung auf Bitten einer Sekretärin Scherfs um einige Stunden vorverlegt worden. Scherf wurde dies nach eigenen Angaben aber nicht mitgeteilt. Er will Einspruch gegen das Bußgeld einlegen.
In dem sogenannten Brechmittel-Prozess vor dem Landgericht Bremen muss sich ein ehemaliger Polizeiarzt verantworten, nun schon zum dritten Mal. Der Mediziner hatte dem 35 Jahre alten Opfer im Dezember 2004 Brechsirup über eine Magensonde eingeflößt, damit dieser verschluckte Kokainkügelchen erbrach. Der Mann fiel jedoch ins Koma und starb.
Die beiden vorausgegangenen Verfahren vor dem Landgericht endeten mit Freisprüchen. Sie wurden vom Bundesgerichtshof gekippt. Die Befragung Scherfs sollte klären, welche politischen Vorgaben es 2004 zum Einsatz von Brechmitteln bei mutmaßlichen Drogendealern gab.
„An der Zulässigkeit keinerlei Zweifel“
Scherf, der 2004 Bürgermeister und Justizsenator war, betonte, dass es nach seinem Wissen bis zu dem „tragischen Unglücksfall“ keinerlei Probleme mit dem Einsatz von Brechmitteln gegeben habe. „Das war Alltag, strafrechtlicher und beweissichernder Alltag“, sagte er. Innerhalb der Bremer Justiz seien sich alle einig gewesen. „An der Zulässigkeit bestanden keinerlei rechtliche Zweifel.“
Das damalige Klima beschrieb Scherf als schwierig. „Es war eine Zeit, in der die Zahl der Drogentoten ständig zunahm. Die Dealerszene war ein ganz großes Ärgernis.“ Auf die Nachfrage des Verteidigers Erich Joester, warum ein Todesfall in Hamburg im Jahr 2001 nicht zum Umdenken in Bremen geführt habe, sagte Scherf, dass er sich an keine Debatten darüber erinnern könne.
Erst mit dem Fall in Bremen sei das Thema „wie eine Katastrophe auf den Tisch gekommen“. Im Nachhinein sei allerdings klar: „Wir hätten das thematisieren müssen“, sagte Scherf nach der Verhandlung.
Brechmittel galten früher in einigen deutschen Städten als legitimes Mittel bei der Verfolgung mutmaßlicher Drogendealer. 2006 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Praxis als „menschenunwürdige Behandlung“. Erzwungene Brechmitteleinsätze soll es seitdem nicht mehr geben.