Hamburg will als erstes Bundesland per Gesetz ermöglichen, dass leerstehende Gewerbeimmobilien und Grundstücke auch gegen den Willen der Eigentümer als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden können. Einen entsprechenden Gesetzentwurf soll die Hamburgische Bürgerschaft möglichst noch bis Mitte Oktober verabschieden. Während die Linken in der Hansestadt die Gesetzesinitiative begrüßen und die Hamburger Handelskammer die geplanten Maßnahmen als „gerade noch akzeptabel“ ansieht, regt sich in Teilen der Opposition Widerstand.
„Die geplante Beschlagnahmung privater Grundstücke und Gebäude ist ein massiver Angriff auf die Eigentumsrechte der Hamburger, der einen enteignungsähnlichen Eingriff des Staates bedeutet“, sagte Oppositionsführer André Trepoll (CDU) am Donnerstag. Er bezeichnete das geplante Gesetz als „politischen Dammbruch mit großer Tragweite“. Zudem hege seine Fraktion Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines derartigen Gesetzes. Bevor die Stadt zu dieser Ultima Ratio greife, solle sie zunächst die leerstehenden städtischen Immobilien zur Unterbringung nutzen. Außerdem bekräftigte Trepoll die Forderung der Hamburger CDU, Flüchtlinge, deren Asylanträge abgelehnt worden sind, konsequenter abzuschieben. Ein „Einschüchterungsgesetz“, wie es der Hamburger Senat jetzt vorschlage, sei nicht geeignet, um mit den steigenden Flüchtlingszahlen vernünftig umzugehen. „Der Zweck heiligt nicht alle Mittel“, so Trepoll.
Überschreiten von roten Linien
Auch die FDP in der Hansestadt stellt sich gegen das Gesetz. „Natürlich sind angesichts des ungeheuer großen Flüchtlingszustroms auch unkonventionelle Ideen gefragt, um menschenwürdige Unterbringung und lebendige Willkommenskultur zu sichern“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Katja Suding. Das geplante Gesetz würde nach Überzeugung der FDP-Fraktion ein „unvertretbares Überschreiten von roten Linien“ bedeuten. „Solche Zwangsmaßnahmen beflügeln Ressentiments gegen Flüchtlinge, wie wir sie heute leider schon in Teilen unserer Gesellschaft erleben“, befürchtet Suding. Das sei nicht die Antwort auf die Flüchtlingskrise.
Gänzlich anders sehen die Regierungsfraktionen in Hamburg, die am Donnerstag erklärten, sie stünden geschlossen hinter dem Gesetzesvorhaben des Senats. Die Schritte seien drastisch, aber nötig. Aber es sei beispielsweise immer noch besser, auf leerstehende Gewerbeimmobilien zurückzugreifen – zur Not auch mit Zwang – als beispielsweise Schulturnhallen oder Sporthallen von Vereinen zu nutzen.
Linke unterstützen Regierungsvorhaben
Unterstützung für das Vorhaben bekommt die Hamburger Landesregierung auch von den Linken in der Bürgerschaft. Diese hatten bereits seit Wochen gefordert, dass die Stadt leerstehende Gebäude beschlagnahmen solle, um eine „würdige Unterbringung“ von Flüchtlingen gewährleisten zu können. „Das ist eine richtige und notwendige Maßnahme“, erklärte Christiane Schneider, die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken.
Von der Handelskammer der Hansestadt ist immerhin kein Widerstand zu erwarten. „In der außerordentlichen Notsituation, in der sich die Flüchtlinge und unsere Stadt befinden, ist die Maßnahme des Senats nachvollziehbar", sagte Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg. Es handele sich zudem um eine Ultima Ratio, die durch ihre Befristung bis März 2017 gerade noch akzeptabel sei. Schmidt-Trenz: "Ich hoffe dennoch, dass dieses Gesetz nicht wirklich angewendet werden muss, sondern sich hinreichend viele Eigentümer auf freiwilliger Grundlage finden, die leerstehende Hallen schnell und pragmatisch zu vernünftigen Konditionen zur Verfügung stellen.“